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Museum K 20Düsseldorfer Schau wirft einen Blick auf die „queere Moderne“

4 min
‚Porträt der Markgräfin Casati, Selbstporträt‘ (l) und ‚Die traurige Venus‘ (r) von Romaine Brooks in der Ausstellung ´Queere Moderne. 1900 bis 1950» in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen.

'Porträt der Markgräfin Casati, Selbstporträt' (l) und 'Die traurige Venus' (r) von Romaine Brooks in der Ausstellung ´Queere Moderne. 1900 bis 1950» in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen.  

Das Düsseldorfer K20 zeigt die erste umfassende Ausstellung Europas über queere Künstler der Moderne. 130 Werke von 34 Kunstschaffenden erzählen von Pariser Salons, geheimen Liebschaften und offenem Widerstand gegen Konventionen.

In ihren Gedichten schrieb sie über die ekstatischen Schreie ihrer Liebhaberinnen. Noch um 1900 war das ein Skandal, ihr Vater ließ die Druckplatten und nicht verkauften Buchexemplare ratzfatz einstampfen. In Paris war Natalie Barney berühmt für ihre zahlreichen Romanzen, die sie selbst in „Beziehungen, Affären und Abenteuer“ zu unterteilen pflegte.

Staubwedel und Ehepartner ablegen

Ihr „Salon de l’Amazon“ in der Rue Jacob war ein Treffpunkt für lesbische Frauen. Auch die Schriftstellerin Djuna Barnes besuchte diese „gefährlichen Freitage“ und brachte auf Anregung von Barney 1928 ihren „Ladies Almanack“ heraus, eine Art Handbuch für Frauen, die „Staubwedel, Kinder und Ehepartner“ ablegen wollten.

Die amerikanische Malerin Romaine Brooks, die durch ikonische Porträts ihrer Freundinnen bekannt wurde, lief bei Barney wahrscheinlich unter der Kategorie „Beziehung“. Fast 50 Jahre waren die beiden ein Paar. Brooks ist eine der Entdeckungen der Schau „Queere Moderne. 1900 bis 1950“ im Düsseldorfer K20. Zu sehen sind darin mehr als 130 Werke von 34 Künstler und Künstlerinnen.

Die „erste umfassende Ausstellung in Europa, die den bahnbrechenden Beitrag queerer Künstlerinnen und Künstler zur Moderne vorstellt“, wie Museumschefin Susanne Gaensheimer betont. In einer Zeit, in der queere Menschen wieder zunehmend angefeindet werden, sei es als öffentliche Institution wichtig, sich im Sinne von Diversität gesellschaftsverbindend gegen jegliche Form von Diskriminierung zu positionieren. Nachdem die Kunstsammlung NRW mit „museum global“ (2018/19) zuletzt schon das westlich und männlich dominierte Narrativ der Moderne aufgebrochen hat, gelingt es erneut, den Kanon der Kunstgeschichte zu erweitern und die eigene Sammlung zu hinterfragen.

Verkleidet in mythologischen Szenen

In sechs Kapiteln erzählen die Kuratorinnen Isabelle Malz, Isabelle Tondre und Anke Kempkes ihre alternative Geschichte der Moderne. Rosa Bonheur (1822-1899) macht im Prolog den Anfang. Die französische Tiermalerin lebte mit der Erfinderin Nathalie Micas und einer Ersatzfamilie aus Tieren zusammen. Wenn sie zu Studienzwecken einen Schlachthof besuchen wollte, musste sie sich noch eine amtliche Erlaubnis dafür einholen, Männerkleider tragen zu dürfen. Sie rauchte, trug das Haar kurz.

Das Porträt, das Édouard Dubufe 1857 von ihr fertigte, zeigt sie mit einem Stier, den sie selbst dazu malte, weil ihr das Bildnis davor zu konventionell erschien. Selbstbewusst stand sie zu ihren Gefühlen: „Was männliche Wesen betrifft, interessieren mich nur die Stiere, die ich male.“ Während viele noch Anfang des 20. Jahrhunderts ihre Homosexualität nicht offen auslebten, Familien hatten oder Scheinehen führten, machten queere Kunstschaffende in Paris, London und New York aus ihrem Begehren kein Geheimnis mehr.

Glyn Warren Philpot (1884-1937) und Ludwig von Hofmann (1861–1945) verkleideten auf ihren symbolistischen Gemälden ihre homoerotischen Fantasien noch hinter mythologischen Szenen. Ganz anders schon Lotte Laserstein, die auf ihrem Doppelporträt „Ich und mein Modell“ (1929/39) sich offen zu ihrer Geliebten Traute Rose bekannte. Die Abkehr von der Tradition vollzog sich nicht nur in der Kunst, sondern auch im Privaten. Moderne und Homosexualität seien „zweieiige Zwillinge“, schreibt Jonathan D. Katz im Katalog: Zur selben Zeit entstanden zwar, würden sie einander dennoch nicht gleichen.

90 Sitzungen bei Picasso

Über die Pariser Salons, wie den von Gertrude Stein, für deren Porträt Picasso 90 Sitzungen brauchte, weil die beiden sich so gut unterhielten, bis zum queeren Widerstand Claude Cahuns und Marcel Moores oder zur inneren Emigration von Hannah Höch, die sich nach der Machtergreifung Hitlers und der Trennung von ihrer Partnerin Til Brugmann an den Rand von Berlin zurückzog, spannt die Ausstellung den Bogen, bevor sie mit einem Ausblick auf die 50er und die Repressionen der McCarthy-Ära endet. Viele Lebensgeschichten sind zu entdecken.

Der weibliche Blick ist dominant. Künstlerinnen sind in der Überzahl. Wobei manche von ihnen, wie die schottische Malerin Ethel Walker (1861–1951), nicht einmal „Künstlerin“ genannt werden wollte. „Künstlerinnen gibt es nicht“, so ihre Ansicht. „Es gibt nur zwei Arten von Künstlern – schlechte und gute.“ Und hat sie damit so unrecht? Trifft dieser Satz nicht mitten hinein in die heutigen Debatten, die mit all ihren gut gemeinten Bemühungen um Diversität oft viel eher abgrenzen als vereinen?

Bis 15. Februar, Di bis So 11 – 18 Uhr, K20, Grabbeplatz 5.