„Make the secrets productive“: Die neue Jahresausstellung im Museum Kolumba zeigt „gewinnbringende Geheimnisse“.
Museum in KölnNeue Jahresausstellung im Kolumba zeigt die Geheimnisse des Daseins

Monika Bartholomés „Brenda, Lee and the others“.
Copyright: Thomas Banneyer
In der Vergangenheit empfing ein großer Blumenstrauß die Besucher im Windfang des Kolumba. Freundlichkeit ist das oberste Prinzip in diesem Kölner Museum. Jetzt steht an gleicher Stelle ein aufgebrochener Tresor. Ein verrostetes, irgendwie geschändet wirkendes Ungetüm, dem der Künstler Felix Droese den Titel „Sicherheitsschrank“ verlieh.
Und Droese gehört auch die ganze Aufmerksamkeit des Foyers, in dem ein fragiler alter Kasten mit einem Glasgefäß zu sehen ist. „Keine Kunst aber Tatsachen“ heißt das Werk und formuliert schon die Furcht von Museumsdirektor Stefan Kraus vor der Zukunft. „Der Kulturbereich ist extrem gefährdet“, meint Kraus und verweist auf geplante Einsparungen von 30 Milliarden im nächsten Bundeshaushalt. Die Kultur gehöre zu den „Freiwilligen Leistungen“, diese zu streichen, werde ein Leichtes sein. Wieder bestreitet das Museum seine Ausstellung komplett aus eigenen Beständen.
Widerstand gegen Gewohntes
Dass etliche Arbeiten der vergangenen Jahresausstellung in die aktuelle Präsentation übernommen wurden, könnte man mit dem Spargedanken in Verbindung bringen. Kuratorin Barbara von Flüe möchte hingegen Wiederholungen eher als Widerstand gegen Gewohntes verstanden wissen.
Zu sehen und vor allem zu entdecken gibt es dennoch reichlich. Kraus und sein Team nehmen das irritierende Gefühl auf, dass die Welt immer unvernünftiger wird und die Gier nach Macht und Geld den Planeten wider besseres Wissen in die Katastrophe treibt.
Zitat von Joseph Beuys
Das Museum versteht sich als Ort des Nachdenkens und – recht defensiv formuliert von Kraus – als „Trostraum“. Der berühmte, aber unglücklicherweise oftmals nur halb zitierte Ausspruch von Joseph Beuys „Jeder Mensch ist ein Künstler, make the secrets productive“ hat das Kuratorenteam um den ersten Teil gekürzt. Beuys schrieb den Satz auf eine Holztüre, die im Museum zu sehen sein wird.
Das Geheimnis ist einer der zentralen Begriffe dieses Ausstellungs-Essays. Wobei ein Geheimnis ja immer so lange von Interesse ist, wie es nicht entdeckt wird. Dann entwickelt es jene kreative Energie, die zum Beispiel von den Tusche- und Temperabildern der Kölner Künstlerin Monika Bartholomé ausgeht, die den Titel „Brenda, Lee and the others“ tragen.
Das Geheimnis der Kreativität
All diese Frauen waren Modelle von männlichen Künstlern wie Edward Hopper oder Ernst Ludwig Kirchner. Bartholomé entwickelt einen spannungsgeladenen Bild- und Schrifttext, in dem das Geheimnis der Kreativität zum Gegenstand feministischer Analyse wird.
Gleich nebenan kann man mit Paul Theks himmelblauem Spielzeugkarren ins All fliegen und von oben den aus Zeitungspapier geformten blauen Planeten betrachten. Perspektivwechsel als Instrument sowohl der Vernunft wie der Kunst liefert auch Duane Michals in seiner berühmten Fotoserie „Things are queer“ von 1973. Hier experimentierte er mit dem Bild im Bild, das uns vor Augen führt, wie sehr auch die Realität ein gestaltetes Konstrukt sein kann.
Der Blick für das Menschliche
Unerhörte poetische Wucht entfesselt die in Köln lebende Künstlerin Victoria Bell mit ihrer aus Stahl und Zedernholz konstruierten „Fliegenden Lokomotive“. Hier ist sie, die Metapher der Zeit, die auf einem grenzenlosen Himmel über uns hinwegbraust. Während bei Victoria Bell das Ausgeliefertsein an eine höhere Macht auch befreiende Züge enthält, wird die Schutzlosigkeit in anderen Arbeiten beklemmend spürbar. Mit der lebensgroßen, aus Lindenholz bestehenden Christusfigur „Ecce homo“ aus dem 15. Jahrhundert begegnet man einem verletzten nackten Mann, der den Blick für alles Zarte, Menschliche sensibilisiert.
Das Geheimnis der Persönlichkeit potenziert die Verkleidung in einer Vielfalt, die Walter Schels in einer Porträtserie ausspielt, die 1971 in Köln entstand, als der Cirkus Roncalli zu seiner legendären Tournee „Reise zum Regenbogen“ ansetzte. Manche Mitglieder der Truppe tauchen in wechselnden Kostümen auf, weil sie im Alltagsgeschäft des Zirkus überall anpacken mussten. Schels ist ein großartiger Fotograf, aber ob eine fast 50-teilige Serie zu diesem Thema gezeigt werden musste, mag dahingestellt sein.
Das ungute Gefühl einer drohenden Gefahr
Auf immer wieder überraschende Weise nähert sich die Schau den Geheimnissen des Daseins über spielerische Pfade. So stellt Bernhard Blume gleich zu Beginn in einer Fotoserie anschaulich fest, wie ungenießbar die „reine Vernunft“ doch ist.
Das ungute Gefühl einer drohenden Gefahr, wie es derzeit von Krieg, Wirtschaftskrise und Rechtspopulismus ausgeht, setzt jedoch niemand so treffend ins Bild wie Joseph Beuys mit dem skelettierten Stamm eines Weihnachtsbaums, der den Deckel einer Munitionskiste geschlossen hält.
Museum Kolumba, geöffnet täglich außer dienstags, 12–17 Uhr.