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Kölnerin mit DebütromanVom Drang der jungen Generation zur Selbstoptimierung

Lesezeit 4 Minuten
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Beobachtet ihre Generation In ihrem Roman: Carla Kaspari.

Köln – Hier hält sie sich gerne auf: „Wegen der alten Bäume und weil es so friedlich ist, so ruhig – und der Rhein ist auch nicht weit.“ Der Römerpark im Süden der Stadt ist ein Ort der Entspannung. Für Pärchen, die es sich auf der Wiese gemütlich machen, für Kinder, die zum Spielen herkommen, Rentnerinnen und Rentner, die mit ihren Hunden Runden drehen. Und auch für Carla Kaspari (30). Dass der erste Roman der Kölnerin den Titel „Freizeit“ trägt, passt perfekt zum grünen Ambiente.

Ungemütliche Clique

Für Franziska, Mehmet, Mina und die anderen aus der Clique geht das Leben weit weniger gemütlich zu. Sie sind ständig beschäftigt mit Selbstoptimierung. Und damit, was für ein Bild sie in den Augen der anderen abgeben. Junge, nicht mehr ganz so junge Menschen zwischen Sit-Ups und Social Media, MDMA und Mandelmilch, Deep House und Homeoffice.

Im Mittelpunkt von „Freizeit“ steht Franziska, die gerade 27 geworden ist und zwei Jahre in Paris gelebt hat. Nach der Trennung von Cyril zieht sie zurück in ihre „mittelgroße Heimatstadt“ in Deutschland. Sie lebt gut davon, Werbeslogans und Songtexte zu schreiben. Fürs Prestige verfasst sie gelegentlich Beiträge für Magazine und Zeitungen. Um dann mit einem Roman zu beginnen. „Auch wenn es ihr bewusst war, dass es sowieso passieren würde, bereitete ihr die Vorstellung Unbehagen, dass die Protagonistin in ihrem Text unweigerlich mit ihrer eigenen Person verwechselt werden würde.“

„Pure Vernunft darf niemals siegen“ 

Aber ist das nicht genau das, was Kaspari passiert? Weil es die ein oder andere biografische Ähnlichkeit zwischen Geschöpf und Schöpferin gibt? „Ich habe das alles vorher gesehen“, sagt sie, „aber es ist mir nicht unangenehm. Ich gehe damit sehr selbstbewusst um. Ich habe das auch ein bisschen intendiert. Ich spiele ein bisschen mit der Realität. Paris zum Beispiel lag nahe, weil ich's kenne.“

Aber ein Spiel soll es bleiben: „Es ist eine fiktive Geschichte.“ Sind Franziska, Mehmet und Mina typische Vertreterinnen und Vertreter ihrer Generation? „Ich glaube schon, dass es einige gibt, die so leben. Und einige, die nicht so leben. Da wird ein Milieu beschrieben. Ein Lifestyle, der einerseits sehr auf sich achtet, aber andererseits auch sehr hedonistisch geprägt ist. Pure Vernunft darf niemals siegen, und der Spaß darf nicht zu kurz kommen.“

Hand aufs Herz, Frau Kaspari, geht es Ihnen wie Mehmet, der es keine fünf Minuten aushält, ohne auf sein Handy zu schauen? „Bei mir klappt das eigentlich ganz gut ohne. Ich kann zwei, drei Stunden überhaupt nicht darauf achten. Aber das Internet ist trotzdem Teil meiner Identität als Autorin.“ Franziska urteilt oft harsch über andere, verhält sich rücksichtslos, ist wenig empathisch. Muss man diese Hauptfigur mögen?

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„Das frage ich mich auch oft. Ich mag sie. Ich musste sie mögen, um sie schreiben zu können. Ich mag an ihr, dass sie sehr ambivalent ist. So traurig und sehr pragmatisch. Sie verlässt sich extrem auf ihre Beobachtung, sie neigt dazu, Dinge zu vereinfachen. Sie leidet sehr unter Wachstumsschmerz, ihre Jugend liegt in den letzten Zügen, aber mit einem Bein steht sie schon voll im Erwachsenenleben, verdient gutes Geld.“

Auf Partys, in angesagten Clubs und Cafés klingen Wortmeldungen verkürzt und bruchstückhaft, wie gechattet: „Why not“, „Ja, total“, „Es ist cool“, „Ah, okay“, Wow – hot“, „Hä, mega“, „Haha, ja das“, „Ja voll geil oder?“ Verarmt unsere Sprache? „Das kann man sagen, dass die Sprache verarmt. Aber man muss versuchen, produktiv damit umzugehen. Die Kommunikation, die da fehl läuft, das sagt ja auch etwas aus: Leere. Die stehen da und unterhalten sich dabei, aber es wird nichts gesagt, es wird nur versichert.“

Was am Ende bleibt, ist ein starkes Gefühl von Verlust. Und von Mitleid. Weil Franziska widerfährt, was man dem ärgsten Feind nicht wünschen würde: das Wegbrechen all dessen, was bislang Halt und Sicherheit und Trost bot.

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