Das Zamus-Festival vom 21. bis 31. Mai baut auf musikalische Gegensätze und lädt auch zum Mitmachen ein.
Zwischen Ekstase und KontemplationDas bietet das Zamus-Festival in Köln

Die Geigerin Midori Seiler ist Künstlerische Leiterin des Zamus-Festivals
Copyright: Mareike Helbig
Die Geigerin Midori Seiler zieht einen Vergleich, der sich für die Idee der historische Aufführungspraxis zunächst einmal brachial anhört. Sie nennt das „Heizungsgesetz“. Da gebe es die einen, die es befürworten, weil sie davon überzeugt seien, dass der Weg aus aller fossilen Verbrennung wichtig ist. Andere sähen darin vor allem Vorschriften und Regeln eines Gesetzeswerks. Seiler gehört ganz offensichtlich zur ersten Kategorie: Neue Energie auch in der Musik zu entfachen, ist ihre Passion, musikalische Dogmen scheinen ihr fremd zu sein.
Barockmusik und Flamenco
Die Experimentierfreude erhält einen Raum — wenn auch diese natürlich nicht ganz ohne Regeln auskommt. Auf jeden Fall dürfen die Besucher des Zamus-Festivals auf ein kontrastreiches Programm gespannt sein, in welchem „Mahler und Yoga“ eine Verbindung eingehen oder Henry Purcells Oper „Dido and Aeneas“ durch arabische Klassik und ihre Instrumente ergänzt wird. Titel „Dido in Karthago“.
Beim „zamus: early music Festivals“ vom 21. bis 31. Mai macht sich die Handschrift der neuen Künstlerischen Leiterin bemerkbar. Seiler setzt auf Kontraste. Schon die Unterschrift lautet „Ekstase und Kontemplation“. Das Spektrum dazwischen gilt es auszuloten. Schon beim Eröffnungsabend des Festivals am Mittwoch in der Alten Feuerwache geht es um Klang- und Bewegungsräume zwischen Gewaltekstasen und Selbstreflexion. Choreograf Martí Corbera und das Ensemble Marsyas Baroque erzählen die Parabel über die Bestimmung des menschlichen Daseins, die der spanische Dramatiker Pedro Chalderón 1635 unter dem Titel „Die Welt als Traum“ erstmals aufführte.
Es ist die Geschichte des polnischen Kronprinzen Sigismund, den der Vater aufgrund düsterer Prophezeiung als Kind in den Kerker wirft. Als jungen Mann stellt ihn der Vater auf die Probe, lässt ihn frei und stattet ihn mit Macht aus. Es endet in Mord und Vergewaltigung. Der Prinz muss in die Einsamkeit des Kerkers zurückkehren und erfährt eine Läuterung. Beim Konzert, das der Deutschlandfunk aufnimmt, greifen Barockmusik und Flamenco ineinander. Anschließend führen Andreas Staier am Hammerflügel und das Streichquartett Ludus Instrumentalis Joseph Haydns Passionsbetrachtungen „Sieben letzte Worte“ auf. Donnerstag geht es mit Lichtkunst & Cello weiter. Eigens auf die Betonarchitektur von St. Gertrud zugeschnitten hat Lichtkünstler Jörg Becker eine Performance entwickelt, die mit John Palmers Komposition und Klangregie unter dem Titel „Licht!“ korrespondiert.
Bewohnbarkeit des Planeten
Dem liegen laut Seiler Visionen Hildegard von Bingens aus dem 12. Jahrhundert zugrunde. Das Wissen der Musikerin und Mystikerin über Heilkräuter ist legendär. Aber wie ist unser Bezug zur Natur heute? „Es gibt einen unfassbaren, für Stadtmenschen nicht immer sichtbaren Kosmos der Pflanzen. Wir scheinen unseren unmittelbaren Bezug zur Natur verloren zu haben,“ sagt Midori Seiler. Am Freitag präsentieren junge Talente bei der zamus:academy im Ventana Musik aus dem 18. Jahrhundert.
Am Tag darauf gibt es im zamus an der Heliosstraße ein öffentliches Symposium zwischen 10 und 14 Uhr, bei dem es unter anderen um Kolonialismus, Diversität und den kritischen Umgang mit Instrumenten und Texten geht. Zum Ausklang des Festivals am 31. Mai lädt Regisseur Bernd Niedecken zur Aufführung von „Botanica“ in der Tanzfaktur. In der Arbeit zur Bewohnbarkeit des Planeten werfen Tänzer, Schauspieler, Musiker und Videokünstler die radikale Frage auf, wie man der Unwirtlichkeit der Städte entkommen kann, um sich stattdessen in eine Welt einzufügen, deren Strukturen deren Bewohnbarkeit einmal von einer Vielfalt von Organismen hervorgebracht wurde.
Einen ganzen Tag „Early Music Marathon“ am Sonntag im Stadtgarten widmet sich das Festival ab 15 Uhr der Opernmusik. Dabei spielt das Amateur Barock Orchester des Zamus, bei dem rund 30 Musiker aus dem ganzen Bundesgebiet mitmachen. Sie begleiten Gesangsstudenten. Hollywood am Nil heißt das Konzert der Big Band Oxford Maqam, das Tango aus dem Goldenen Zeitalter Ägyptens spielt. Zum historischen Tanzball laden Martin Erhardt und Mareike Greb dann am 19.30 Uhr. Auch Anfänger können mittanzen.