Neben den ausgestellten Bildern geben bis zu fünfhundertfach vergrößerte Mikroskopaufnahmen der feinen Zeichenstrukturen einen Eindruck davon, wie genau die Künstler arbeiteten.
Neue Schau in KölnWallraf-Richartz-Museum begibt sich auf Spurensuche der Restauratoren

Restaurator Thomas Klinke erklärt, was es mit Peter Paul Rubens' blauem Auge auf sich hat.
Copyright: Thomas Brill
Fast schien das Bild perfekt, dann passierte der Patzer. Feinstes isabellfarbenes Hardenbüttenpapier hatte der flämische Maler Paulus Pontius (1603 – 1658) für das Porträt seines Meisters Peter Paul Rubens (1577 – 1640) ausgewählt. Doch das rechte Auge geriet ihm zu dunkel.
Papier trägt Kunst
Er trug etwas Weiß auf und es wurde, zumindest aus der Ferne betrachtet, blau. Künstlerpech, das womöglich manchen vorschnell vermuten lässt, dass Rubens verschiedenfarbige Augen hatte.
Was tatsächlich passierte, dafür fand nun wiederum Spurenleser Thomas Klinke, Restaurator des Wallraf-Richartz-Museums (WRM), eine einfache Erklärung: Wässrig gebundenes Weiß — wohl aus weißer Kreide — wurde auf den zu dunkel geratenen Grund aufgetragen. Obwohl nur Schwarz und Weiß zum Einsatz kamen, führte die Korrektur zum Effekt, der die Betrachter des Porträts nun rätseln lässt. Allerdings steigert der Fauxpas auch Lebendigkeit und Anziehungskraft des Bildes.
Utensilien und Techniken des Zeichnens Klinke kuratierte zusammen mit Anne Buschhoff und Melanie Lindner die kleine, aber ungemein spannende Schau „Zeichnung im Labor. Papier trägt Kunst“ des WRM. Für jeden, der schon einmal gezeichnet hat, ist die Einführung in Utensilien und Techniken mit Neuentdeckungen verbunden, die geradezu den detektivischen Spürsinn wecken.
Neben den ausgestellten Bildern geben bis zu fünfhundertfach vergrößerte Mikroskopaufnahmen der feinen Zeichenstrukturen einen Eindruck davon, wie genau die Künstler arbeiteten. Aber auch, wie die eigene Struktur des Papiers mit möglichen Anomalien oder die Spannung der Feder ihrerseits zum Gesamteindruck beitrugen.
Forschungsprojekt
Wie Direktor Marcus Dekiert erklärt, ist die Schau eine Art Zwischenbilanz des großen Forschungsprojekts „Expedition Zeichnung“ mit niederländischen Zeichnungen des 16. bis 19. Jahrhunderts aus dem hauseigenen Fundus. Der Griff in die Schatzkiste war nicht willkürlich. Knapp tausend Zeichnungen aus der Grafischen Sammlung analysierten die Experten.
Die Ergebnisse sind nun in einer kleinen Auswahl zu sehen. Die Bilder zum Beispiel von Rubens, Anton van Dyck, Hendrick Avercamp und manchen unbekannten Künstlern suchte Klinke nach Kriterien wie der Auswahl des Papiers, der Grundierung oder der Zeicheninstrumente aus.
„Kohle ist mit das älteste Zeichenmittel. Aber es pudert und bröselt, verteilt Staub auf dem ganzen Blatt“, sagt Klinke. Heutige Möglichkeiten anschließend zu fixieren, gab es im 16. Jahrhundert noch nicht, als Gaspar de Crayer 1584 – 1669) den „Kopf des heiligen Antonius“ malte.
Er bearbeitete den Untergrund vorab mit einer wässrigen Lösung eines natürlichen Bindemittels — das könnte zum Beispiel Gummi arabicum gewesen sein. Das fertige Bild schützte der Maler, indem er Antonius' Kopf nach dem Zeichnen über heißem Wasserdampf hielt, so dass die Linien aus Kohle vor dem Verwischen gesichert wurden.
Eine Wissenschaft für sich ist das Wasserzeichen. Auf dem Blatt Büttenpapier, auf dem sich die Laokoon-Gruppe, die Rubens Anfang des 17. Jahrhunderts in Rom mit schwarzer Steinkreide zeichnete, ist neben den dramatisch mit den Schlangen kämpfenden Astralkörpern ein putziges Pilgermännchen mit Wams, Hut und geschultertem Stab in einem Oval zu sehen.
Wiege der Papiermacherkunst
Laut Klinke ließ sich die Fertigung des Papiers damit in einem italienischen Ort namens Fabriano verorten. Denn dasselbe Wasserzeichen werde in einem Verzeichnis erwähnt, das auf Sammlungen zweier Papierhistoriker des 19. Jahrhunderts verweise. In Fabriano stand die Wiege der europäischen Papiermacherkunst. Für diese Qualität dürfte sich Rubens bewusst entschieden haben.
Die Geschichte seiner Laokoon-Gruppe kommt selbst einem Krimi gleich. Der damalige Leiter der grafischen Sammlung, Uwe Westfehling, fand 2002 bei den Vorbereitungen auf den Umzug ins neue Haus ein Konvolut von Blättern, das offenbar längere Zeit nicht beachtet worden war. Darin fanden sich drei Zeichnungen: die Laokoon-Gruppe und zwei Ansichten eines Zentauren — Themen aus der Mythologie.
Ähnliche Rubens-Blätter gab es in Museen in Mailand, Moskau und Dresden. Eine Computer-Collage, mit deren Hilfe Details aus verschiedenen Zeichnungen verglichen werden können, verstärkte den Verdacht und auch das Wasserzeichen mit dem Pilgermännchen gab damals mit den Ausschlag, die Funde Rubens zuzuschlagen. Die Beschaffenheit des Papiers, so Klinke, sei ein wichtiges Puzzlestück in der Zuordnung der Werke.
Bis 18. Februar, Di bis Fr 11 – 19 Uhr, Sa 12 – 16 Uhr, Obenmarspforten.