Kölner PhilharmonieDavid Garrett führt seine neue „Granatengeige“ vor

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David Garrett spielt Geige.

David Garrett Trio in der Philharmonie

Geiger David Garrett begeisterte mit seinem Programm "Iconic" in der Kölner Philharmonie. Er erinnerte dabei an Ikonen des Violinspiels wie Fritz Kreisler oder Jascha Heifetz.

Wenn er auf die Bühne kommt, kreischt die Menge. Und wenn er seine Geige in die Hand nimmt, schmelzen alle dahin. David Garrett ist und bleibt ein Unikum. Manche lieben ihn, andere nicht. Er spaltet den Geschmack, da er sich zwischen die Stühle unserer liebgewonnenen Schubladen von Klassik und Pop setzt.

Tribut an Helden der Jugend

Als er jetzt in der Philharmonie mit seinem Trio spielte, wurde das Podium glühend rot angestrahlt. Vorne waren zahlreiche Elektro-Kerzen aufgestellt. Die Atmosphäre stimmte. Die Show konnte beginnen.

Garretts neues Projekt „Iconic“ ist ebenso reizvoll wie marktgerecht. Er präsentiert klassische Zugabestücke. Damit zollt er Jahrhundertgeigern wie Jascha Heifetz oder Fritz Kreisler Tribut, die zu den „ganz großen Helden“ seiner Jugend gehören.

Doch nach dem ersten Ton nimmt man erschreckt wahr: Der spielt tatsächlich verstärkt! In der Philharmonie ist ja eigentlich kein Mikrofon nötig. Der Raum trägt den Klang auch so bis in die letzte Reihe. Doppelt schade, da Garrett auf seiner neuen Geige spielt, einer Guarnieri del Gesù aus dem Jahr 1736, für die er 3,5 Millionen Euro hinblätterte.

Deshalb ist das Mikro fast schon ein Sakrileg: Die Verstärkung macht den Ton dickflüssig, basslastig und zu wenig biegsam. Klar, kann man auch so Antonín Dvoráks zartes erstes „Romantisches Stück“ spielen. Doch dann geht fast aller Zauber dieser Musik verloren.

Unplugged klingt besser

Welche Chance Garrett an diesem Abend eigentlich vergibt, wird deutlich, als er das Mikro kurz abnimmt. Robert Schumanns „Träumerei“ spielt er unplugged, und plötzlich ist alles da: Der Charme seines italienischen Instruments, das unter seinen Händen nun warm und flexibel klingt.

Sicher wird der Ton etwas leiser, aber auch viel, viel schöner. Doch sofort danach steckt er das Mikro wieder auf. Die unsterblichen Melodien von Camille Saint-Saëns „Der Schwan“ bis zu Gabriel Faurés „Aprés un rêve“ präsentiert er mal eher straight, mal süßlich. Ab und an laufen sogar Backing Tracks mit, so in Franz Schuberts berühmtem „Ave Maria“.

Sie erinnern an das Album „Iconic“, auf dem auch ein Orchester zu hören ist. Zwei Musiker hat Garrett mitgebracht, den Gitarristen Franck van der Heijden und den Bassisten Rogier van Wegberg. Zusammen bilden sie das „David Garrett Trio“. Der Gitarrist hat übrigens viele der gespielten Stücke mit arrangiert und ist daher maßgeblich am aktuellen Album beteiligt. Beide assistieren dem Star aber eher, als dass sie eigenständig Profil gewinnen.

Eine Solostück für Gitarre hätte den Abend sicher aufgelockert. Doch dazu kommt es nicht. Hingegen gibt es Flamenco auf der Geige. Natürlich sind auch ältere Garrett-Hits dabei, wie sein Arrangement von Mozarts „Alla turca“.

Vor allem will Garrett seine nagelneue „Granatengeige“ richtig „zum Singen bringen“, erklärt er. So präsentiert er Joachim Raffs schwärmerische „Cavatina“ mit waberndem Vibrato. Die Grenze zum Kitsch ist bei Garrett ja oft nicht weit, denn auch wirksame Tempoverzögerungen (Rubato) und von Ton zu Ton gleitende Portamenti setzt der Geiger gerne ein.

Fragen aus dem Publikum

Und noch eine Attraktion hält Garrett bereit. Vor dem Konzert konnte man dem 42-jährigen Stargeiger Fragen aufschreiben, die er im Konzert dann live beantwortet. Sein peinlichster Moment auf der Bühne? Als er einmal bei einer Videoproduktion von Brahms Violinkonzert in Wiesbaden mit offenem Hosenstall spielte. Darauf machte ihn seine Mutter aufmerksam.

Offenbar gab es damals „viele Großaufnahmen“, berichtet er amüsiert. Beantwortet er die Publikumsfragen spontan, wirken seine Ankündigungen der gespielten Stücke etwas zurechtgelegt. Dennoch wird die Stimmung immer besser. Zum Ende hin wandelt sich Garrett vom brav musizierenden Melodiker zum heißblütigen „Teufelsgeiger“, so in der Virtuosennummer „Hora staccato“. Nun fällt auch die Verstärkung seiner Guarneri kaum mehr ins Gewicht.

Nach zwei Stunden ist die Show vorbei. Eine Zugabe muss aber noch her: In ihr verbindet Garrett eine Verdi-Melodie mit dem seit einer Streaming-Serie allbekannten Lied „Bella ciao“, einer italienischen Widerstandshymne. Der Klatschmarsch ist unvermeidlich. Als das Licht angeht, verlassen fast 2000 glückliche Menschen die Philharmonie.

Iconic wird am Dienstag, 11.april, 20 Uhr, in der Philharmonie wiederholt.

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