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Von Ohrwürmern und ErinnerungenChris de Burgh verzaubert die Kölner Philharmonie

3 min
Chris De Burgh (* 15. Oktober 1948 in Venado Tuerto, Argentinien als Christopher John Davison, Irischer Sänger und Komponist)
"50LO"-Tour
am 13. Oktober 2025
in der Kölner Philharmonie, Bischofsgartenstraße 1, 50667 Köln

Großer Erzähler und Seelentröster: Chris de Burgh

Der 76-jährige Ire bewies in der ausverkauften Philharmonie, dass seine Songs auch nach fünf Jahrzehnten nichts von ihrer Magie verloren haben – auch wenn der „Ferryman“ immer noch als Ohrwurm durch die Köpfe geistert.

Manchmal ist die effektivste Art, Ohrwürmer zu vertreiben, sich den fraglichen Song mit voller Aufmerksamkeit anzuhören. Seit einer Woche quälte mich „Don’t Pay the Ferryman“, warum also nicht Chris de Burgh persönlich zur Heilung aufsuchen? Tatsächlich ist dem irischen Barden, dessen melodischer Folkrock um 1980 im Strom der New-Romantic-Welle Chart-Erfolge feierte, die Rolle des Heilers nie fremd gewesen.

Chris de Burgh solo auf Tournee

Das einzige Problem: In einem Zwei-Stunden-Programm mit über dreißig Titeln aus einer fünfzigjährigen Karriere dauert es hundert Minuten, die auch nicht frei von Ohrwürmern sind, bis der Fährmann ablegt. Wie bereits im vergangenen Jahr als er zuletzt in der Philharmonie gastierte, ist er solo unterwegs und begleitet sich abwechselnd auf einer zwölfseitigen E-Gitarre und einem elektrischen Klavier.

Den „Ferryman“ peitscht er mit fetzenden Gitarrenakkorden zum Chorgesang des Publikums über die Wellen, bis dessen eigentliches Ziel, der Hades, in der 80er-Jahre-Party gründlich vergessen ist. So wird man einen Ohrwurm auf keinen Fall los.

Chris de Burgh: Ein Bindeglied zu Donovan

Als ich Chris de Burgh damals als Teenager entdeckte, war er für mich ein Bindeglied zu Donovans Folk-Songs, die ich auf der Gitarre übte und dem Rock in den Charts.

Später verblasste sein Name gegenüber weniger kommerzieller Song-Poesie wie der seines Studienkollegen Nick Drake, der es einst abgelehnt hatte, ihn in seine erste Jazz-Band aufzunehmen. Nicht nur ich kehre hier an Wurzeln zurück. Da ist auch der bekannte Kölner Punkrocker, der anonym bleiben will, aber sich am Ende ein de-Burgh-T-Shirt kauft.

Vielfalt in Chris de Burghs Repertoire

Manchmal erinnert dieser Song-Erzähler an französische Chansonniers. Ob die Lieder nun aus der Ritterwelt erzählten – das neueste Werk, „Robin Hood“, knüpft da an sein erstes Album an - oder vom reisenden „Spaceman“; stets sind sie „High on Emotion“.

In hohen Stimmlagen flüchtet sich der 76-jährige in einen nicht immer tonsicheren Falsett-Gesang, aber sein Bariton klingt wärmer denn je. Besonders als er den Wunsch einer jungen Frau erfüllt, die ihn zuvor auf der Hohenzollernbrücke erkannt hatte. „The Girl With April in Her Heart“ vom Album „Crusader“ wäre auch mein Wunsch gewesen. Das Stück steht sonst nicht auf der Setlist und ist im intimen Minimalismus des Vortrags der heimliche Höhepunkt der Show.

Wie gerne hätte man auch die großen Hits in so einfachem Gewand gehört. Und warum nicht das nächste Mal statt am E-Klavier lieber an dem schönen Flügel, den die Philharmonie gleich unter der Bühne aufbewahrt?

„Lady in Red“ und der charmante Star

Ganz anders „Lady in Red“: Hier läuft die breit orchestrierte Begleitung vom Band ab wie in einer Karaoke-Bar, was dem 76-jährigen Star die Möglichkeit gibt, im Publikum nach würdigen Adressatinnen zum Ansingen zu suchen. Seine charmante Feststellung, dass der Saal ja voller „pretty women“ sei, wird er noch mit einer Cover-Version des gleichnamigen Roy-Orbison-Hits bekräftigen.

Da ist er längst zum Gast-Chorleiter der Philharmonie aufgestiegen, die zur Zugabe, „Legacy“, in einem Handy-Lichtermeer erstrahlt. „Darf ich der erste sein, der Ihnen allen ein frohes Weihnachten wünscht?“, fragt Chris de Burgh zum Ende. So hat es sich die ganze Zeit schon angefühlt.