Schöpfer von „Illuminati“ und „Sakrileg“: Autor Dan Brown verrät im Interview, welche Szenen er nicht gerne schreibt und wie er über das Leben nach dem Tod denkt.
Krimi-Autor Dan Brown„Ich schreibe sieben Tage die Woche und beginne meist um 4 Uhr morgens“

US-Erfolgsautor Dan Brown
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Mit Romanen wie „Illuminati“ und „Sakrileg“ um Symbolforscher Robert Langdon ist Dan Brown zum Mega-Star der Literaturszene geworden. Jetzt hat er mit „The Secret of Secrets“ das nächste Buch vorgelegt, über das er im Interview mit Philipp Ebert spricht.
Herr Brown, Sie haben dieses Mal einen Thriller über ein hoch-wissenschaftliches Thema geschrieben, das menschliche Bewusstsein. Wie schwer fällt es, Forschung und Spannung zusammenzubringen?
Das menschliche Bewusstsein ist ein sehr komplexes Thema, deshalb hat es länger als üblich gedauert, dieses Buch zu schreiben. Ich musste viel über Wissenschaft lernen, mit vielen Spezialisten sprechen. Die größte Herausforderung war es, das irgendwie ätherische Konzept des Bewusstseins einzufangen. Wenn man eine Bombe in den Vatikan legt, schreibt sich das Buch von selbst. Aber einen aktuellen und relevanten Thriller über das Bewusstsein zu schreiben, war schwierig und es dauerte lange, das Material zu formen.
Hat der Tod für Sie nach dem Schreiben des Buches seinen Schrecken verloren?
Ja, in gewisser Weise schon. Vor acht Jahren hätte ich gesagt, dass nach dem Tod nichts passiert. Es ist das Ende. Aber nachdem ich dieses Buch geschrieben und mit Wissenschaftlern gesprochen habe, bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass unser Bewusstsein in gewisser Weise unseren physischen Tod überdauert. Man muss vorsichtig mit Wunschdenken sein, deshalb war es wichtig, sich darauf zu konzentrieren, was die Wissenschaft wirklich sagt.

US-Erfolgsautor Dan Brown hat in der Spiegelkapelle des Clementinums, eines ehemaligen Jesuitenkollegs in Prag, seinen neuesten Thriller „The Secret of Secrets“ vorgestellt.
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Glauben Sie, dass die parapsychologische Forschung namens Noetik, die in dem Buch eine zentrale Rolle spielt, eine echte Wissenschaft ist?
Das glaube ich absolut. Es ist eine Wissenschaft, weil sie Experimente durchführt. Die Debatte zwischen den sogenannten Materialisten einerseits und den Noetikern andererseits dreht sich um die Interpretation der Daten: Ist dieses oder jenes Ergebnis ein Zufall – oder ein Beweis dafür, dass der Geist Materie beeinflussen kann?
Sind Sie vielleicht durch die Recherche zu diesem Buch religiöser geworden?
Nein, im Gegenteil. Religion verspricht oft ein Leben nach dem Tod mit spezifischen Lehren, aber ich glaube, dass das, was jenseits des Todes liegt, universeller und nicht an irgendein Dogma gebunden ist. Es ist eher metaphysisch oder spirituell als religiös.
Sie behandeln die Städte, in denen Ihre Bücher spielen, fast wie Charaktere. Was machte Prag so perfekt für dieses Buch?
Sobald ich mich entschieden hatte, über Bewusstsein zu schreiben, wusste ich, dass das Buch in Prag spielen musste. Im 16. Jahrhundert holte Kaiser Rudolf II. Mystiker nach Prag, um das Bewusstsein und das Jenseits zu erkunden. Prag war damals ein Schmelztiegel des mystischen Denkens und damit perfekt als Schauplatz des Buches. Außerdem ist Prag wunderschön und kompakt, mit vielen historischen Stätten in unmittelbarer Nähe. Das macht es auch ganz praktisch als Spielort für einen zeitlich so kompakten Thriller.
In Ihrem Buch spielt die mystische Figur des jüdischen Golems eine Rolle: ein stummes, durch Zauberei geschaffenes menschenähnliches Wesen ohne freien Willen. Was war für Sie der Reiz an dieser Figur?
Der Golem ist sowohl mythisch als auch für die Handlung faszinierend. Er knüpft an eine Beschützer-Figur an. Der Golem spiegelt das Thema des Bewusstseins im Buch wider – die Idee, leblosem Lehm Leben einzuhauchen.
Ihre Helden springen durch große europäische Städte. Bisher aber spielt keines Ihrer Bücher in Deutschland. Warum?
Stimmt. Es gab zwar eine deutsche Figur in „Illuminati“, Kohler, aber das Buch spielte nicht in Deutschland. Der Schauplatz folgt normalerweise dem Thema des Buches. Ich brauche das richtige Thema für Deutschland, und das hat sich noch nicht ergeben. Wenn Sie eine Idee haben sollten, sagen Sie mir Bescheid, dann schreiben wir das Buch gemeinsam (lacht).
Ihre Hauptperson Robert Langdon ist Symbol-Forscher. Eine ultimativ mit Symbolik aufgeladene Stadt ist Jerusalem. Wird dort mal ein Buch spielen?
Ich weiß nicht, immerhin wurde über Jerusalem schon so viel geschrieben. Außerdem ist Jerusalem so politisch aufgeladen – und ich schreibe lieber über große Ideen wie das Bewusstsein statt über Politik.
Gibt es eine Szene in dem neuen Buch, die Ihnen besonders am Herzen liegt?
Ich schreibe zuerst den Anfang und das Ende, daher ist der Prolog immer besonders. Er gibt den Ton für die Reise vor. Dieses Buch beginnt mit einem rationalen Bewusstsein, das auf Prag herabblickt und den Leser in der Wissenschaft erdet, auch wenn wilde Ideen diskutiert werden.
Wie sieht eigentlich Ihre Schreibroutine aus?
Ich schreibe sieben Tage die Woche und beginne meist um 4 Uhr morgens. Für mich ist das die beste Zeit, um die träumende, kreative Denkweise zu nutzen. Ich arbeite etwa acht Stunden und vermeide Unterbrechungen durch die reale Welt wie E-Mails oder Nachrichten.
Manche Menschen ziehen sich im heimischen Arbeitszimmer richtig an, um nicht dem Schlendrian zu verfallen. Wie sieht es bei Ihnen aus?
Ich habe es gerne bequem, also trage ich normalerweise Jogginghosen oder Pyjamas. Dass ich eine Chino und ein Hemd am Schreibtisch tragen würde, so wie jetzt, kommt eigentlich nicht vor.
Die Figur des Symbol-Forschers Robert Langdon ist seit über 20 Jahren Teil Ihres Lebens. Wie hat er sich entwickelt?
Er bleibt ein Skeptiker, ist aber jetzt aufgeschlossener als in den früheren Büchern. Er ist meine Stimme der Vernunft, die die skeptischen Fragen stellt, die Leser vernünftigerweise auch haben könnten.
Langdon hat nun in seinem fiktiven Leben alle möglichen Abenteuer erlebt und überlegt und die krassesten Verschwörungen aufgedeckt – und ihren Erfolg verhindert. Deswegen hat es mich etwas überrascht, dass er nicht abgeklärter oder zynischer agiert. Ist er vielleicht zu naiv?
Warum sollten seine Abenteuer ihn zynisch machen? Wer so viel erlebt und überlebt, hat doch Grund zur Dankbarkeit. Zynismus entspringt schließlich dem menschlichen Drang, hinter allem einen Plan zu sehen – sei es eine göttliche oder eine verschwörerische Macht. Langdon sieht jedoch die Realität: Die Welt wird nicht von dunklen Mächten kontrolliert. Obwohl sich der menschliche Geist aus evolutionären Gründen auf das Negative konzentriert, ist die überwältigende Mehrheit der Menschheit positiv und gutmütig. Langdons Optimismus ist daher kein Zeichen von Naivität, sondern ein durch Erfahrung gestärkter Realismus. Er bleibt der gutmütige Professor, weil er weiß, dass Liebe und Güte gegenüber dem Zerstörerischen bei Weitem überwiegen.
War es geplant, die Figur der Katherine Solomon zurückzubringen?
Ja. Ich wollte sie immer zurückbringen. Ihre Wissenschaft passt zu den Themen, die ich jetzt erforschen wollte, aber es brauchte seine Zeit.
Als Erfolgsautor haben Sie eine enorme Reichweite. Spüren Sie eine Verantwortung?
Ich fühle mich verantwortlich, Neugier und Dialog anzuregen. Wenn jemand nach der Lektüre tiefer in Künstliche Intelligenz oder das Bewusstsein eintauchen möchte, habe ich meine Aufgabe erfüllt.
Welcher Mord in all den Büchern hat Ihnen am meisten Spaß gemacht beim Schreiben?
In „Sakrileg“ war der Mord durch Erdnussallergie durchaus amüsant. Aber ich ziehe es vor, die großen Ideen und Gespräche zu schreiben – die Action- oder Horrorelemente sind mir mitunter zuwider.
Bereuen Sie etwas an früheren Büchern?
Nicht wirklich. Es gibt eine Szene in „Illuminati“, in der Langdon aus einem Hubschrauber in den Tiber springt und diesen Sprung überlebt. Manche halten diese Szene für unrealistisch, aber Physiker haben uns bestätigt, dass es möglich ist, durch Stoff den eigenen Fall zu bremsen. Deshalb: So wirklich bereuen tue ich nichts.
In Ihren Büchern geht es oft um Geheimprojekte und Verschwörungen. Doch wir sehen in diesen Tagen, dass es gar nicht immer perfekte Verschwörungen gibt. Vielmehr kommen Menschen etwa in der Politik auch mit plumpen Lügen durch. Haben Sie schonmal gedacht, dass Sie sich das Leben einfacher machen könnten?
Ich setze gerne hohe Standards, die dem Leser einen „Aha“-Moment bescheren. Je komplexer ein Rätsel ist, desto höher ist die Befriedigung, wenn sich am Ende alle Puzzlestücke zusammenfügen.
Einer meiner Kollegen klagte spaßeshalber, er habe sich wegen der Spannung in Ihren Büchern viele Nächte um die Ohren gehauen und Schlaf verpasst. Soll ich ihm eine Entschuldigung übermitteln?
(lacht) Ihr Kollege kann versuchen, die Mathematikbücher meines Vaters zu lesen, um besser zu schlafen! Aber im Ernst, es ist ein Kompliment, wenn meine Bücher sie fesseln. Einmal bekam ich eine wütende Mail von einem Leser. Er schickte mir ein Foto vom Balkon seines Hotelzimmers. Unten lag eine Frau im Bikini, die „Sakrileg“ las. Er schrieb: „Das ist meine Frau, wir sind in den Flitterwochen, Sie sind ein Blödmann.“ Ich fand das fantastisch und dachte mir: „Auftrag erfüllt.“
Dan Brown: „The Secret of Secrets“. Aus dem amerikanischen Englisch von Dietmar Schmidt und Rainer Schumacher. Bastei-Lübbe. 800 Seiten, 32 Euro.