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Zur Leipziger Buchmesse„Bücher werden in einigen Genres zum Wegwerfprodukt“

Lesezeit 5 Minuten
Eine Frau stapelt Bücher auf einem Tisch.

Nach drei Jahren Corona-Pause werden in Leipzig die Bücher wieder stapelweise angeboten.

Vom Millionen-Band zum „Wegwerfprodukt“ – und warum TikTok Teenager zum Lesen bringt. Wir geben einen Überblick zur Entwicklung des Buches und seiner Geschichte.

Während auf der Leipziger Buchmesse seit heute 2000 Aussteller aus 40 Ländern ihre Neuerscheinungen an die Leserin und den Leser bringen wollen, stellt sich beim Produkt die Frage: Was ist das Buch heute noch wert?

First Folio

Zehn Millionen Dollar – für diesen stolzen Preis wurde eine vollständig erhaltene Ausgabe der „First Folio“ 2020 ersteigert. Damit ist die erste Gesamtausgabe von William Shakespeares Werken das teuerste literarische Werk der Welt. „Diese alten Bücher sind auch so wertvoll, weil sie so selten sind“, sagt Karl-Heinz Knupfer vom Auktionshaus Venator und Hanstein.

So existieren vom „First Folio“ nur noch 235 Exemplare, eines davon in Köln, das zur Zeit im Wallraf-Richartz-Museum ausgestellt wird. Je schöner sie ausgestattet seien, desto teurer würden sie, erklärt Knupfer. Auch heute würden noch aufwendige und teure Bücher produziert, allerdings sei das ein geringer Anteil. „Deswegen werden besonders schöne Drucke auch immer teurer und alles andere immer günstiger“, ergänzt er.

Die Wertschätzung

Schaut man sich die Entwicklung von Büchern über die Jahrhunderte hinweg an, entsteht der Eindruck, dass sie an Wert verloren haben. Wurden sie vor einigen Jahrzehnten noch mit Ehrfurcht behandelt, landen sie heute schnell in Grabbelkisten oder öffentlichen Bücherschränken. Diese dienen als eine Art Tauschbörse für aussortierte Titel: Jeder kann ein Exemplar herausnehmen oder dazustellen.

„Bücher werden in einigen Genres zum Wegwerfprodukt“, meint der Kölner Antiquar Frank Godenau. Bücherschränke vermittelten den Eindruck, dass das Produkt frei zur Verfügung steht.

In den vergangenen Jahrzehnten habe sich der Wert des Buches durchaus verändert: „Die Menge und die Vielfalt hat sich erweitert“, sagt er. Außerdem wären sie durch den Online-Handel rund um die Uhr verfügbar. Auch würden immer weniger Menschen überhaupt noch eigene Bibliotheken anlegen. „Dazu fehlt einfach der Platz in den Wohnungen“, erklärt Godenau.

Wenn’s nur ums Geld geht, ist die Buchbranche die falsche
Stefan Bauer, Programmleiter Belletristik bei Bastei Lübbe

Dem kann Stefan Bauer nicht zustimmen. „Das Buch ist ein sehr wertvolles Produkt, es arbeiten viele Leute daran“, sagt der Programmleiter Belletristik bei Bastei Lübbe. „Und es hat noch immer einen ziemlich hohen ideellen Wert.“

Das könne man nicht nur am Preis ausmachen, der natürlich viel niedriger als noch vor 200 Jahren läge. Aber die Wertschätzung für das Produkt und seine Inhalte sei heute noch ähnlich. Und das wüssten auch diejenigen, die beruflich mit Büchern zu tun haben: „Wenn’s nur ums Geld geht, ist die Buchbranche die falsche“, sagt er.

Die Zusammensetzung des Preises

Die Produktionskosten setzen sich aus verschiedenen Faktoren zusammen und bestimmen den Preis, für den ein Band hinterher im Handel verkauft wird. Zum einen zahlt der Verlag die Honorare der Autoren und Übersetzer sowie die Tantieme, die sie nach der Veröffentlichung pro verkauftem Exemplar erhalten. Diese beiden Faktoren werden individuell verhandelt.

Dazu kommen Ausgaben für Satz, Repro, Druck und Material. „Die Papierkosten sind extrem gestiegen in den letzten Jahren. Das ist ein sehr großer Anteil, der von den Einnahmen abgeht“, so Bauer. Nach dem Druck fallen Kosten für Lagerung und Auslieferung an. Außerdem im Budget: Werbung oder auch die Gehälter der Vertreter, die Buchhandlungen besuchen und die Neuware anbieten. Oder etwa Standmieten auf Messen wie in Leipzig.

Die Gewinnmargen

„So schrecklich viel bleibt dann am Ende nicht mehr übrig“, findet Bauer. Vom Verkaufspreis bleiben 50 bis 60 Prozent beim Verlag. Mit Buchhandlungen werden die Ankaufspreise (meist auch mit Rabatten) vereinbart. Dank der Buchpreisbindung darf ein Titel aber in allen Läden nur zu dem vom Verlag festgelegten Preis verkauft werden.

Die gestiegenen Produktionskosten machen sich mittlerweile auch in den Preisen bemerkbar. „Endlich gehen die Preise nach oben“, sagt Bauer. Die Branche habe sich lange schwergetan, die Preise anzuheben, aber mittlerweile käme man nicht mehr drum herum. „Sonst können wir irgendwann keine Bücher mehr anbieten“, erklärt er.

Mittlerweile liegen auch Taschenbücher bei zehn bis 15 Euro. Diesen Preis anzusetzen hätte man sich früher nicht getraut. „Auch diese Preisspanne ist eigentlich noch zu niedrig“, meint er. Aber man müsse darauf achten, dass sich die Menschen Bücher noch leisten können. „Es ist ja alles teurer geworden. Viele haben nicht mal eben 20 Euro für ein Buch übrig“, erklärt er.

Händler und Kunden

Die Buchhandlung von Klaus Bittner in Köln ist ein Reich aus Papier, Buchstaben und Druckerschwärze: In deckenhohen Regalen reiht sich Buchrücken an Buchrücken, auf Tischen stapeln sich besondere Ausgaben. Seit über 40 Jahren eröffnet er seiner Kundschaft hier Tore zu einer Welt hinter Druckerschwärze und Papier.

Die Form des Ladens sei immer speziell gewesen, der Fokus liegt bis heute auf Literatur und Philosophie. „Unser Geheimnis ist, dass wir uns immer treu geblieben sind“, erzählt der Buchhändler. An Büchern begeistere Bittner die Weise, wie immer wiederkehrende Themen literarisiert werden. „Das wollen wir den Kunden vermitteln. Wir wollen unseren Erfahrungsschatz mit ihnen teilen“, erklärt er und ergänzt: „Ich kann mir keinen anderen Beruf vorstellen“, sagt er.

Bittner sei davon überzeugt, dass das Buch nicht abgeschrieben ist. Schon vor 40 Jahren sei er gefragt worden, ob es noch eine Zukunft habe. Und seine Antwort: ein klares „Ja, das Buch bleibt.“ Das sehe er vor allem bei seiner Kundschaft: „Für unsere Kunden sind Bücher lebensnotwendig“, erklärt er. Ähnlich scheint es auch für ihn selbst zu sein: „Es gibt immer wieder Werke, die mich besonders geprägt haben. Welche das sind, behalte ich aber lieber für mich.“


So lesen Menschen heute

  1. „Ein zentrales Medium in Deutschland“ ist das Buch für Thomas Koch, Sprecher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Im Vergleich zum ersten Quartal 2019 gingen Buchkäufe jedoch um sechs Prozent zurück. Kleine Verlage kämpften mit dem Kostendruck. Dennoch schaue er verhalten optimistisch in die Zukunft. Und: Bei jungen Menschen zwischen 10 und 19 werde das Lesen beliebter – dank Inspirationen, die sie bei TikTok oder Instagram finden. Schwierig zu erreichen seien 30- bis 60-Jährige: „Sie haben durch Arbeits- und Familienleben wenig Zeit.“
  2. Das, was Menschen lesen, sei aber stabil: Vorne liegt nach wie vor die Belletristik, es folgen Kinder- und Jugendbücher und auf Platz drei Ratgeber und Reiseführer.
  3. Gekauft werden die Bücher von mehr und mehr Menschen im Internet. Jedoch: „Die Online-Shops von kleinen Buchhandlungen sind in dieser Zeit stärker gewachsen, als Amazon“, erklärt er. Unerwartet: Es wird immer noch hauptsächlich auf Papier gelesen, der Anteil an E-Books sei gering. (abr)