lit.COLOGNEPublikum begrüßt Uschi Glas mit stürmischem Applaus in den BALLONI-Hallen

Lesezeit 5 Minuten
Uschi Glas sitzt in einem Sessel und hält ein Mikrofon in der Hand.

Uschi Glas bei ihrem Auftritt in den BALLONI-Hallen.

Im Rahmen der lit.COLOGNE stellte Uschi Glas ihre Autobiografie „Ein Schätzchen war ich nie“ vor.

Über die Farbe ihres Etuikleids könnte man stundenlang streiten. Ist das nun Zyklame? Fuchsia? Oder Magenta? Es endet knapp überm Knie und wirkt, in Kombi mit dem Orange im Schal und den orangefarbenen Riemchenpumps, so spektakulär wie ein tropischer Sonnenuntergang. Uschi Glas hat nicht verlernt, sich in Szene zu setzen. Sie sieht fantastisch aus.

Unter stürmischem Applaus betritt sie die Bühne der BALLONI-Hallen, gefolgt von Moderatorin Bettina Böttinger. In den nächsten 90 Minuten stellt Glas im Rahmen der 24. lit.COLOGNE ihre Autobiografie „Ein Schätzchen war ich nie“ vor, die zum 80. Geburtstag erschienen ist. Eine klassische Buchvorstellung wird das nicht. Eher eine Hommage ans Schaffen einer starken Frau, die seit fast 60 Jahren im Filmgeschäft ist, und die immer wieder polarisiert hat.

Zuletzt, als sie beim „Kölner Treff“ das N-Wort in den Mund nahm. Während die Einen sie deshalb attackierten, fühlten sich Andere dazu berufen, sie zu verteidigen. Mit dem Hinweis, sie habe das doch retrospektiv geäußert, im Hinblick auf ihren Status als evangelische Sozialdemokratentochter mit eher dunklem Teint im katholischen Bayern Anfang der 1950er-Jahre.

Publikum ist auf Uschi Glas´ Seite

Etwas, das auch in den BALLONI-Hallen thematisiert werden muss. Wobei Böttinger die N-Klippe elegant umsegelt. Indem sie das mit der eher dunklen Hautfarbe wiederholt, um anzufügen: „Wir wollen das N-Wort nicht nennen“. „Nein!“, bekräftigt Glas, worauf Böttinger dann noch „und auch nicht mit –lein hintendran“ anfügt. Damit ist das Thema vom Tisch.

Angriffe, jedweder Art, braucht Uschi Glas hier, im ausverkauften Saal, ohnehin nicht zu fürchten. Das Publikum ist auf ihrer Seite. Es liebt sie. Und applaudiert immer wieder spontan. Selbst ziemlich maue Witze aus dem Buch (wie die Verwechslung von plattnasigen Hunden und weiblicher Anatomie vom Hals abwärts), werden ausgiebig belacht. Dass Böttinger Glas hart angeht, steht auch nicht zu befürchten. Es ist nicht ihr erstes Gespräch mit ihr, sie signalisiert frühzeitig Sympathie. Etwa, indem sie „verrät“, was für ein „feiner, höflicher Mensch“ Glas privat ist, später, hinter der Bühne, wenn die TV-Kameras aus sind, „da gibt es welche, die da ganz anders sind“. Natürlich ohne Namen zu nennen.

Auch Glas nennt keine Namen, wenn es im Gespräch um (nicht selbst erfahrene) sexuelle Übergriffe eines, inzwischen verstorbenen, Regisseurs geht. Und um Kolleginnen, die sich, aus Angst, keine Rollen mehr zu bekommen, nicht getraut haben, das öffentlich zu machen. Selbst dann nicht, als MeToo endlich Licht ins finstere Dickicht männlichen Machtmissbrauchs brachte. „Keine Verjährung für Vergewaltigung!“, macht Glas ihren Standpunkt unmissverständlich klar. Und hat den kräftigen Applaus, der darauf folgt, unbedingt verdient.

Durchbruch mit „Zur Sache, Schätzchen“

Die Biografie der am 2. März 1944 in Landau an der Isar Geborenen dient als Gerüst des mitunter sehr um Harmonie bemühten Abends. Es geht um starke Frauen, die für sie Vorbilder waren, allen voran die immer fröhliche, herzliche, tatkräftige Mutter, den „sehr strengen“ Vater oder den Wunsch, Schauspielerin zu werden: „Ich hab’ das aber immer in mir als mein kleines Geheimnis bewahrt.“

Die Anfänge der Karriere, der Durchbruch mit „Zur Sache, Schätzchen“, die anschließende Ächtung durch die linke Szene für eine, die sich weigert, die DDR zu glorifizieren und sagt: „Der Doktor, der war wirklich ein gescheiter Mann.“ Und Franz Josef Strauß damit meint. Auch dass sie Nacktheit vor der Kamera ablehnt, wird ihr angekreidet: „Ich zeige als Schauspielerin schon meine Seele. Warum muss ich auch noch meinen Körper zeigen?“ Auch da kennt sie keine Kompromisse. All das, mitsamt der Zeit als Deutschlands großer Serien-Star, will ab- und durchgearbeitet werden. Bis hin zur Gründung von „brotZeit e.V.“, um bedürftigen Kindern an Schulen ein Frühstück zu ermöglichen, der Freundschaft mit den Klitschko-Brüdern und die neu gewonnene Popularität durch „Fuck ju Göhte“.

Uschi Glas ist sehr lustig, wenn sie Leute imitiert. Sie kann aber auch sehr ernst sein: „Ich hätte nie gedacht, dass wir wieder so einen starken Antisemitismus in Deutschland haben.“ Aus ihrer Autobiografie liest sie nur wenige, sehr kurze Passagen. Das tut sie, für eine Schauspielerin, überraschend schlecht. Immer wieder verspricht sie sich, verliert den Anschluss, findet die Seite nicht. Am Ende steht das Publikum trotzdem auf. Und fürs Signieren lange an.

Uschi Glas: Ein Schätzchen war ich nie. Mosaik, 224 S., 24 Euro.


Die Sache mit dem Schätzchen

Der Film, der am 4. Januar 1968 in München uraufgeführt wird, dauert nur 80 Minuten. Aber es schafft es in dieser kurzen Zeit, das Lebensgefühl der Jugend in den 1960ern auf die Leinwand zu bringen.

„Die Geschichte habe ich der Wirklichkeit entnommen, der Wirklichkeit des heutigen Schwabing mit seinen Gammlern, Trinkern, mehr kleinen als großen Genies, seinen miniberockten Mädchen und maxiverkorksten Revoluzzern“, schreibt Regisseurin May Spils im Programmheft. „Zur Sache, Schätzchen“ war eine Low-Budget-Produktion, die aus Kostengründen in Schwarzweiß gedreht wurde, was später als besonders innovativ galt.

Der Film spielt an nur einem Tag im Sommer, an dem die junge Barbara (Uschi Glas) den jungen Martin (Werner Enke) im Freibad kennenlernt. Seinen Titel verdankt er einem parodistischen Gedichtanfang von Martin: „Zur Sache, Schätzchen, mach keine Mätzchen, komm ins Bettchen, rauch noch’n Zigarettchen.“ In 18 Monaten sahen den Film in Deutschland mindestens drei Millionen Zuschauer. Und Uschi Glas hatte, fürs Leben, den Spitznamen „Schätzchen“ weg. (sus)

Rundschau abonnieren