Lit.Cologne spezial in KölnKarl Ove Knausgård präsentiert Neues unterm Himmelskörper

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Der norwegische Autor Karl Ove Knausgård in der Flora.

Der norwegische Autor Karl Ove Knausgård in der Flora.

Der norwegische Erfolgsautor Karl Ove Knausgård stellt sein Buch „Das dritte Königreich“ in der Flora vor

Thomas Loibl verzieht das Gesicht und liest: „Einer der Schneidezähne war kurz davor abzubrechen, wenn ich ihn mit der Zunge anstieß, wackelte er.“ Der norwegische Polizist Geir Jacobsen, in dessen Haut sich der Schauspieler auf der Bühne der Flora in seiner Lesung da gerade so schmerzensreich versetzt, hat aber noch ganz andere Probleme: Drei junge Männer liegen tot auf der Lichtung. Es sieht nach einem Ritualmord aus.

Postkarte mit 1. FC Köln

Loibl zieht das Publikum der lit.Cologne spezial bei der Buchvorstellung von Karl Ove Knausgårds „Das dritte Königreich“ sofort in den Bann. Der neue Band ist Teil der weit verästelten Romanreihe „Der Morgenstern“. Ein Himmelskörper taucht darin plötzlich auf, unter dem die Menschen ihr gewohntes Leben leben, während sich die Welt langsam verändert.

Seine Romane legt Knausgård mit Gespür fürs Psychologische an, sie sind mittlerweile in 30 Sprachen übersetzt. Das eigene Leben macht er zum Gegenstand des Schreibens. Ein Mammutprojekt. Die präzise ausgearbeiteten Figuren bieten den Lesern Anknüpfungspunkte.

Moderator Andreas Platthaus, Chef des Ressorts Literatur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, gelang es, einen persönlichen Bezug des Autors zu Köln herauszukitzeln. Als Zehnjähriger hatte dieser eine Postkarte mit der damaligen Mannschaft des 1. FC über seinem Bett hängen. Post von einer Rheinfahrt, die seine Eltern 1978 unternahmen.

Das schuf in der Flora sofort Nähe zum Norweger, der mit seinem autobiografisch geprägten, äußerst detailreichen Erzählduktus seine Fangemeinde problemlos erreicht. Dass er in seinem Buch jedoch eine Ehe zwischen einem Kölner und einer Düsseldorferin geschlossen hat, stieß dann doch auf Unverständnis im Saal. Offenbar war das aber aus Unkenntnis geschehen.

Der Teufel ist im neuen Buch mit im Spiel. Knausgård erzählt den Mord an drei Black-Metal-Musikern der Band Kvitekrist (weißer Jesus). Sie suchen Bezug zu einer Gestalt aus der Wikingerzeit, wie auch zu Satan und der Runenschrift.

Verstörende Welt

Als Student in Bergen hatte der Autor Metalkonzerte besucht. „Diese Musik ist so extrem, woher kommt das?“, fragte Knausgård. Platthaus hakte nach und erhielt bald „Einblick in die Keimzelle“ der Geschichte: Anfang der 1990er Jahre verloren sich die Mitglieder der norwegischen Black-Metal-Band Mayhem in ihrer gesellschaftsverachtenden Ideologie, was in Selbstmord und Mord endete.

In Knausgårds Buch wird die neunzehnjährige Line in eine verstörende Welt hineingezogen, als sie sich in den charismatischen Metal-Sänger Valdemar verliebt. Der Autor erklärte, dass er damit noch einmal seine Gefühle als junger Mensch aufleben ließ: „Da ist etwas Gefährliches. Aber wenn man sich verliebt, ist man bereit, darauf einzugehen.“ Eine zweite weibliche Figur, der er sich ganz nahe fühle, sei Tove, Malerin und Mutter, die Stimmen hört und eine gespaltene Persönlichkeit hat.

Sie sucht in ihren Zeichnungen nach untergründigen Strömungen aus Sexualität und Tod, die von Volksmärchen inspiriertsind. Gerhard Munthe, zu dessen Schriften sie greift, hatte da als Wegbereiter der Art nouveau bereits Vorarbeit geleistet. Der norwegische Landschaftsmaler und Kunstschriftsteller (1849 bis 1929) war während seiner Station in Düsseldorf Mitglied des dortigen Künstlervereins Malkasten.

Historische Bezüge gibt es bei Knausgård hier und da, aber nie mit dem Anspruch, die Welt zu erklären. Wichtig sei ihm die Multiperspektivität, sagt er. So greift er Erzählstränge aus früheren Büchern neu auf, indem er sie von anderen Personen schildern lässt.

Bewunderung zollt er der britischen Schriftstellerin Virginia Woolf. In ihrem Buch „Die Fahrt zum Leuchtturm“ geschieht wenig. Es kommen vor allem die Gedanken der Protagonisten zum Ausdruck. Und je nachdem, wer gerade wann etwas erzählt, erhält alles eine neue, andere Gewichtung.

Terminologisch böse

Woolfs Ehemann bezeichnete es als „ein psychologisches Gedicht.“ Das inspirierte Knausgård. Dass er mit Absicht toxischen Titel wie „Mein Kampf“ wählte, löste jedoch Kontroversen aus, die auch um eine gewisse „Besessenheit vom Gebrauch des terminologisch Bösen“ kreisten, so Platthaus.

Aus dem Norwegischen übersetzt hätte der Titel des nun vorgestellten Buchs „Das dritte Reich“ heißen, müssen, was der Verlag Luchterhand mit „Königreich“ umging. Der Autor erklärte, an eine theologische Theorie aus dem 12. Jahrhundert angeknüpft zu haben. Polizist Geir Jacobsen liest denn auch seinen Philipp Melanchthon. Knausgård ließ durchblicken, dass der Weggefährte Martin Luthers und Autor der Wittenberger Reformation auch im nächsten auf Deutsch erscheinenden Roman eine Rolle spielt.

Karl Ove Knausgård: "Das dritte Königreich", Luchterhand, 651 S., 28,80 Euro.

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