lit.Cologne zum WeltfrauentagLese-Gala strahlte mehr Retro denn Aufbruch aus

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Schauspielerin Marleen Lohse und Moderatorin und Schauspielerin Désirée Nosbusch.

Teil des Lese-Teams bei der lit-Cologne-Gala: (v.l.) Schauspielerin Marleen Lohse und Moderatorin und Schauspielerin Désirée Nosbusch.

Die Lese-Gala in der Philharmonie versprühte in drei Stunden einen eher biederen und langatmigen Charme. Anlässlich das Weltfrauentages wurden ausschließlich Bücher von Frauen aus den vergangenen rund 250 Jahren Literaturgeschichte ausgewählt.

In aufgewühlten Zeiten galt schon immer: „Rote Fahnen sieht man besser!“. Und so war man sich nicht ganz sicher, ob die am Freitagabend vor der Philharmonie in ihre Kampfmontur schlüpfende Polizei dem Schutz der Kulturstaatsministerin Claudia Roth als Gastleserin der lit.Cologne galt, oder ob die gleichzeitige Solidaritätskundgebung zum Weltfrauentag auf der Domplatte das Motto der Gala „Es kann im besten Falle glühen“ zum „lodern“ bringen würde.

Aber diese Hoffnung wurde einem in der fast ausverkauften Philharmonie schnell genommen. Denn als die von Moderatorinnen-Urgestein Bettina Böttinger vorgestellten Vorlesematadorinnen Claudia Roth und die drei Schauspielerinnen Mariele Millowitsch, Desirée Nosbusch und Marleen Lohse zum eher karnevalesken Klatschmarsch des Publikums einmarschierten und sich in Reih und Glied ans Lesepult setzten, war klar, ein Literatur-Event im unterhaltsamen Sinne wird das nicht. Was nicht an den allesamt – außer Marleen Lohse – in Schwarz gekleideten Damen lag. Marleen Lohse musste sich mit ihrem von einem Rosenmuster verzierten, hellen Hosenanzug gleich einen humorigen Tadel von Bettina Boettinger gefallen lassen, die darauf hinwies, dass „Nelken“ die Blume der Frauenbewegung seien. Und mit dieser charmanten Schnippigkeit rettete sie sch über so manches dramaturgische Loch des allzu langen Drei-Stunden-Abends hinweg.

Auch die amerikanische Jazz- und Opernsängerin Jocelyn B. Smith gab sich mit ihrer fünfköpfigen Jungs-Band (!) alle Mühe, die Spannung aufrechtzuerhalten – und animierte das Publikum in „Star Wars“-Manier: „The Power is with you!“.

Die us-amerikanische Jazz-Sängerin Jocelyn B. Smith (* 22. August 1960 in Queens, New York City).

Musikalischer Gast bei der lit.Cologne-Gala war die us-amerikanische Jazz-Sängerin Jocelyn B. Smith.

Leider war hier die Technik der Philharmonie nicht ganz auf der Höhe der Abmischkunst, so dass der eintönig-enervierend sein Instrument behandelnde Drummer Mathis Grossmann bisweilen Jocelyn B. Smiths schöne Stimme „erschlug“. Und auch die Lichtregie setzte mehr auf schummrige Nachtclub-Atmosphäre, als dass sie einem einen Blick in die Gesichter der Künstler gönnte.

Die vorgelesenen Texte waren dann hauptsächlich eine Hommage an die Ikonen der Frauenliteratur von Charlotte Perkins Gilman (1860-1935, „Wenn ich ein Mann wäre“) und die nach Hollywood emigrierte Vicki Baum (1888-1960, „Menschen im Hotel“) über die schnellen Autos und schönen Frauen – „so wie ich“, gesteht Boettinger – zugewandte Erika Mann, bis hin zu den DDR-Schriftstellerinnen Brigitte Reimann (1933-1973, „Franziska Linkerhand“), Irmtraud Morgner (1935-1990, „Kaffee verkehrt“) und einigen neueren Frauenstimmen am Literaturhimmel wie die kämpferische Nigerianerin ChimamandaNgozi Adichie (geb, 1977, „Mein Feminismus! Mein Manifest!“) und die US-Amerikanerin Leslie Jamison (geb.1983, „Splitter“), deren sperrige Texte dagegen eher langweilten, als erhellende Erkenntnisse brachten.

Mein schönstes Gedicht, ich schrieb es nicht. Aus tiefsten Tiefen stieg es, ich schwieg es.
Bettina Boettinger las ihr Lieblingsgedicht von Mascha Kaléko(1907-1975) vor

Zu ihnen gesellte sich noch die hierzulande mittlerweile Kultstatus genießende Margarete Stokowski (geb. 1986, „Untenrum frei“), die in ihrer Familiengeschichte die Regel gelernt hatte: „Pro Penis gab es ein eigenes Zimmer“.

Für Erheiterung sorgt auch ein Gedicht der galizisch-jüdischen Schriftstellerin Mascha Kaléko (1907-1975), dass Bettina Boettinger zum Besten gab, weil es ihr Lieblingsgedicht ist: „Mein schönstes Gedicht, ich schrieb es nicht. Aus tiefsten Tiefen stieg es, ich schwieg es.“ Geheimnisvoll wurde es noch einmal mit einem Text über einen One-Night-Stand mit einem Transvestiten („Enttäuschung“) von „Töppsdrill“, deren Identität bis heute nicht geklärt ist. Solche Überraschungen und auch ein paar junge Frauen-Stimmen hätte man sich mehr gewünscht an diesem doch etwas hausbackenen Abend, der ausgerechnet mit Frank Sinatras (Lebens-)Abschieds-Song „My Way“ endet, der den Frauen singt, wo es langgeht. Das ist dann als Zugabe schon etwas bizarr. Aber immerhin können alle den Refrain mitsingen.

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