Das Live Aid-Konzert am 13. Juli vor vierzig Jahren mobilisierte 1,5 Milliarden Zuschauer und brachte 50 Millionen Pfund ein.
Vor 40 Jahren„Live Aid“ lieferte das größte Konzertspektakel der Musikgeschichte

Bono von der irischen Rockband U2 (l-r), Paul McCartney und Freddy Mercury von der britischen Rockband Queen, treten am 13.07.1985 in London (Großbritannien) im Wembley Stadion bei dem Live Aid Konzert auf.
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Vorsicht! Dieser Text kann Spuren von Superlativen enthalten, denn er führt 40 Jahre zurück zu einem bis heute in dieser Form einmaligen Ereignis in der Musikgeschichte, das Helden feiert – und ikonische Momente, die es nicht gegeben hätte, wenn es auf der anderen Seite des Erdballs, in Äthiopien, nicht eine so verheerende Hungersnot und unermessliches Leid gegeben hätte.
Sammeln für die Äthiopienhilfe
Am 13. Juli, genau vor 40 Jahren, kamen auf zwei Kontinenten 45 Musikacts zusammen, um beim Live Aid-Doppelkonzert Spenden zu sammeln für die Äthiopienhilfe, die die Sänger Bob Geldof (Boomtown Rats) und Midge Ure (Ultravox) im Jahr zuvor mit dem Projekt Band Aid und dem Nummer-1-Weihnachtshit „Do they know it’s Christmas“ initiiert hatten. 16 Stunden Rock und PopDas Mega-Spektakel startete um 12 Uhr britischer Zeit im Londoner Wembley-Stadion – und die erste Musik, die ertönte, war mitnichten Pop oder Rock, sondern „The Royal Salute“ zu Ehren von Prince Charles und Lady Diana, die auf der Ehrentribüne, eingerahmt von den später auftretenden Initiatoren und Künstlern, Platz nahmen.
Dem feierlichen Augenblick entsprechend folgte die englische Nationalhymne, bevor Status Quo mit „Rocking all over the World“ den Startschuss zur 16-stündigen globalen Show gaben. 150 Länder waren über Satelliten zugeschaltet. Mit geschätzten 1,5 Milliarden Zuschauern an den Bildschirmen war das damals knapp ein Drittel der Weltbevölkerung. Zeitversetzt, ab 13 Uhr Ortszeit, kam Philadelphia dazu. Die Idee der Initiatoren: einen möglichst langen weltweiten Livestream zu ermöglichen – unter Berücksichtigung der Zeitverschiebung. Ab 17 Uhr mitteleuropäischer Zeit liefen dann beide Konzerte parallel.
Rekord-Spendensumme
Laut „Guinness Buch der Rekorde“ war Live Aid die größte simultane Fernsehübertragung eines Live-Musikereignisses in der Geschichte, gemessen an Reichweite und Aufwand. Mehr als 80 Rundfunkanstalten weltweit schalteten sich ein. In Deutschland sorgte das ZDF für die Übertragung. Den technischen Pionierakt verantworteten die Sender BBC und MTV. Sie koordinierten zusammen 30 Satellitenverbindungen: eine bis dahin nie vollbrachte logistische Leistung. Und noch etwas war historisch: Laut BBC spielte Live Aid an diesem Tag rund 50 Millionen Pfund (damals etwa 100 Millionen Dollar) ein – eine bis dahin nie dagewesene Spendensumme in so kurzer Zeit.
Geldof hielt diese Marke in seiner Autobiografie so fest: „It was unbelievable. I had no idea people would respond like that.“ Wenn das Konzert ethisch-moralisch heute auch anders bewertet werden kann (siehe Kasten),die Größe des Ereignisses war es, die die Menschen in die beiden Stadien, an die Bildschirme und letztlich an die Spendentelefone trieb.
Die große Zahl an Stars aus den Aufnahmen zu „Do they know it’s Christmas“ und „We are the World“, die sich dank Videozeitalter im kollektiven Gedächtnis festgebrannt hatte, wiederholte sich auf den Bühnen in London und Philadelphia: Queen, David Bowie, Eric Clapton, Elton John, The Who, Paul McCartney, Joan Baez, Paul Simon, Bob Dylan, Led Zeppelin, Tina Turner, Mick Jagger, Phil Collins: So viele Musikikonen aus den 1960er und 70er Jahren versammelt – das war einmalig.
Und nicht zuletzt wurden an diesem Tag auch viele Künstler der 1980er Jahre zur nächsten Star-Generation. U2 mit Frontmann Bono setzten Maßstäbe für das Jahrzehnt. George Michael schälte sich als hochtalentierter Sänger und Solokünstler aus dem Wham-Korsett. Die Fans feierten das vielfältige Musikjahrzehnt mit Madonna, Sade, Boy George, Sting, Alison Moyet, Billy Joel, Paul Young, Bryan Adams, Style Council, Spandau Ballet, Simple Minds, Duran Duran und vielen mehr.
Phil Collins’ Glanzstück
Ein logistisch kaum fassbares Kunststück gelang Phil Collins: Er spielte mittags in London, stieg in die Concorde und stand am selben Abend in Philadelphia wieder auf der Bühne – mit Eric Clapton und als Schlagzeuger für Led Zeppelin und machte so die globale Dimension des Projektes deutlich. Wohl keine Band wird so mit diesem Tag in Wembley in Verbindung gebracht wie Queen.
Die Szenen, in denen ein ekstatischer Freddie Mercury das Publikum mit seiner Animation, Bühnenpräsenz und seinen „ey-oh“-Rufen euphorisierte, sind legendär. Ähnlich elektrisierend ging es jenseits des Atlantiks zu: Mick Jagger, teilweise oberkörperfrei, und Tina Tuner im sexy Lederbody, in einer wilden, und – so ist es überliefert – ungeprobten Performance schickten die Botschaft „It’s only Rock’n’Roll (but I like it)“ rund um den Planeten.
In London sang David Bowie im stylischen blauen Zweireiher seine Hymne „Heroes“, die bis heute als Motto für die Fortschreibung des Projekts taugt: Die Liedzeile „Just for one day“ ist genau vier Jahrzehnte später der Titel des Live Aid-Musicals, das seit Mai 2025 im Shaftesbury Theatre in London Hits und Ereignisse rund um das Benefizkonzert in einer Story bündelt.
Die schönsten AnekdotenAuch ohne Musical werden die schönsten Anekdoten, alle vielfach beschrieben, über den 40. Jahrestag lebendig bleiben: Dass es bei Live Aid wegen technischer Probleme nicht zu einem virtuellen gemeinsamen Auftritt Jaggers mit Bowie über den Atlantik hinweg kam, zum Beispiel.
Dass wiederum Jagger auch nicht mit seinen Stones-Kollegen Keith Richards und Ron Wood auftrat, weil er lieber solo singen wollte, die beiden dann den eher uninspirierten Sidekick für Bob Dylan gaben. Oder dass U2 ihre Hymne „Pride“ aus Zeitgründen nicht mehr spielen konnten, weil Sänger Bono von der Bühne sprang und minutenlang mit Fan-Umarmungen (oder war es sogar eine Fan-Rettung aus dem Gedränge?) beschäftigt war.
Dass Paul McCartney bei seinem ersten Auftritt nach sechs Jahren Abstinenz bei „Let it be“ minutenlang nicht zu hören war, bevor dann alle auf der Bühne versammelten Musiker und das ganze Stadion einstimmten und einen Kult-Moment zelebrierten: Lass es geschehen! Und lasst uns gemeinsam den Planeten ein bisschen besser machen! Mutmaßlich haben über den Tag hinweg Milliarden Menschen überall auf der Welt vereint mitgesungen – und an diese Botschaften geglaubt.