LVR-LandesmuseumMitmachausstellung „Ritter & Burgen“ in Bonn

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Mittelalter LVR Bonn

Wie man sich bei Hofe zu kleiden hatte, kann mit Hilfe des digitalen Kleiderschrankes erfahren werden.

Bonn – Hart sei es damals wirklich gewesen, mit einer Lebenserwartung für Männer von 40 Jahren und einer für Frauen, die mitunter weit darunter lag. Aber so düster, wie es immer wieder geschildert wird, sei das Leben im Mittelalter nicht abgelaufen. Es sei Zeit, das Mittelalter mit modernen Augen zu sehen, meint Lothar Altringer, Stellvertretender Direktor des LVR-Landesmuseums Bonn. „Ritter & Burgen. Zeitreise ins Mittelalter“ heißt die aktuelle „Mitmachausstellung“, die am Mittwoch eröffnet wurde und, dafür muss man kein Prophet sein, dem Museum in der Colmantstraße in der Nähe des Bonner Hauptbahnhofes viele, besonders junge Besucher ins Haus bringen wird.

Der Etikette-Test hat es in sich

200.000 Mittelalterfreunde sahen die erste Station der mit dem Museon in Den Haag und weiteren Häusern produzierten Multimediaschau. Sie knüpft an die Bonner Erfolgsausstellung „Hightech Römer“ an, die seit 2012 an neun Orten bereits eine Million Menschen besucht haben.

„Wir wollten kein Disney machen“, sagt Altringer. Deswegen hielt sich die Inszenierung der Gestalter NorthernLight Amsterdam zurück: Wenig atmosphärisches Mittelalterklimbim, dafür sieben moderne, multimedial aufgebaute Themeninseln, die wie Zeitmaschinen wirken und die Epoche nicht als düstere Zeit der Ritter, sondern als eine Phase der Erneuerung und Veränderung zeigen. „Es war eine spannende Zeit mit Menschen, die uns sehr ähnlich waren“, erzählt Altringer.

Das Landesmuseum feiert mit der Ritter-Schau eine Premiere: Erstmals bespielt eine Wechselausstellung die beiden oberen Geschosse. Eine gute Entscheidung, führte dieser Teil des Neubaus doch meist ein Schattendasein. Jetzt wird er zur großzügigen Arena für wechselnde Inszenierungen. Das sieht das neue Raumkonzept des Museums vor. Die Ritter-Ausstellung mit ihren sieben Themeninseln zieht sich bis kurz vor der Museumsterrasse mit dem traumhaften Blick über Bonn hin.

Mitte November wird die Ritter-Schau sinnvoll durch eine weitere Ausstellung ergänzt: „Europa in Bewegung. Lebenswelten im frühen Mittelalter“. Unter dem Ansturm der Völkerwanderung endete 476 nach Christus das Weströmische Reich. Ein weltgeschichtlicher Epochenbruch, der in einem EU-geförderten Projekt von einer Reihe europäischer Museen gemeinsam präsentiert wird. Da werden aktuelle Forschung und hehre Wissenschaft auf die quirlige Mitmachausstellung „Ritter & Burgen“ treffen. Eine exzellente Mischung.

LVR-Landesmuseum Bonn, Colmantstraße, bis 25. August. Di-Fr, So 11-18, Sa 13-18 Uhr. Eintritt acht Euro, Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre frei (eintrittsfreier Tag immer am ersten Freitag im Monat).

www.landesmuseum-bonn.lvr.de

32 INTERAKTIVE ANGEBOTE

Sieben Protagonisten, allesamt moderne Zeitgenossen, aber in mittelalterlichen Rollen steckend, führen durch die Schau: Der Ritter und die Edelfrau, der Bauer, der Mönch, die Händlerin, der Handwerker und der Liedermacher.

Sieben Lebensfelder tun sich auf, sieben Stationen mit insgesamt 32 interaktiven Angeboten, in denen Wissenswertes spielerisch vermittelt wird, man vieles ausprobieren kann. Zum Beispiel, wie viel eine Ritterrüstung wiegt (25 bis 30 Kilogramm), wie das Gesichtsfeld durch den Helm aussieht (eng), wie sich ein Ritterhandschuh anfühlt (unkomfortabel) und wie es ist, ein Turnier zu bestehen (gar nicht so einfach).

Irgendwie enttäuschend fällt der Speisezettel des Bauern aus, den man auf einem Touchscreen zusammenstellen kann: Roggen, Hering, Kohl, Birne und Senf stehen zur Verfügung, beim Ritter ist die Palette viel größer. Immerhin wirft der Computer ein Bauernrezept aus – Zwiebel-Bier-Suppe mit Brot serviert – das man sich per E-Mail schicken lassen kann.

In der Abteilung Musik kann man sich als Komponist versuchen und ein Stück für die violinenähnliche Rebec, Harfe, Fidel, Flöte, Organetto, Männer- und Frauenstimmen arrangieren – und sich ebenfalls per E-Mail zusenden. Vor einem Bildschirm wird man zum höfischen Tanz, „Bransle des chevaux“, aufgefordert – und kritisch begutachtet. Mancher Besucher fällt beim Etikette-Test durch.

Das kann auch in der Abteilung Burgen passieren, wo geprüft wird, wie man sich bei Hof zu kleiden hat. Der digitale Kleiderschrank hat einiges zu bieten. In Guckkästen verfolgt man außerdem das höfische Leben, das in Gestalt von Hologrammen inszeniert wird. Burgenbauen mit Schaumstoffteilen ist hier für die kleinen Besucher angesagt. Einige Schritte weiter im weiträumigen Workshop-Bereich stehen für die Jugend mehrere Burgen von Playmobil bereit zur Montage. Die Eltern können derweil schmökern.

Der Mönch steht für Wissenschaft und Bildung. In der Themeninsel darf der Besucher unter anderem das Faksimile einer Prachthandschrift durchblättern, virtuell durch ein Kloster spazieren und in einem Wissensspiel lernen, dass Fenchel gut für Magen und Darm ist. Äußerst beliebt ist die Abteilung Handwerk: Hier kann ein buntes Kirchenfenster gepuzzelt werden und interaktiv ein Ritterschwert mit Blasebalg, Hammer und Schwertrohling geschmiedet werden.

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