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Interview

Martin Walkers neuer Krimi
„Wenn Bruno heiratet, verlierst du die Hälfte deiner Leserschaft“

4 min
Interview mit Martin Walker

Martin Walker zu Gast in Köln. 

Me too, Klimawandel, Krieg gegen die Ukraine: Martin Walkers neuer Bruno-Krimi greift viele aktuelle Themen auf. Wir haben mit ihm gesprochen.

Mit „Déjà-vu“ hat Martin Walker den 17. Fall für seinen Bruno, den charmanten Polizisten aus dem idyllischen Dörfchen Saint-Denis herausgebracht. Mit Axel Hill sprach der 78-jährige Brite über europäische Politik, künstliche Intelligenz und Brunos Liebesleben.

In den Bruno-Krimis kombinieren Sie immer Aktuelles mit einem Kapitel der französischen Geschichte. Welches ist der Ausgangspunkt, wenn Sie die Geschichten entwerfen?

Es ist etwas ganz anderes: die Jahreszeit, in der es spielen soll. Wenn ich das entschieden habe, bekomme ich ein Gefühl dafür, was ich schreiben möchte.

Diesmal ist es Herbst nachdem sich Bruno den Sommer über von seiner Schussverletzung in einer Reha erholen musste.

Es ist Oktober, und die Flut kommt früher als gewohnt. Ich habe das in dem Dorf im Périgord beobachtet, in dem ich wohne: Die Leute parken Autos auf einer Straße, die normalerweise sehr hoch liegt. Ich konntevon der anderen Uferseite zugesehen, wie der Fluss stieg und stieg und die Autos schließlich mit sich fortriss.

Wir hatten vor vier Jahren hier in der direkten Nähe eine Hochwasserkatastrophe mit vielen Toten.

Wir leben mit dieser bequemen Annahme, dass der Mensch die Umwelt beherrscht. Aber solche Erlebnisse machen demütig.

Eine ihrer Figuren, der Journalist Giles, schreibt in „Déjà-vu“ ein Buch über das Verhältnis zwischen der Ukraine und Russland - Ihr Buch spielt kurz, bevor Russland die Ukraine angreift.

Ich habe den Krieg da bewusst noch nicht beginnen lassen: Wenn du erst einmal einen Krieg beginnst, musst du auch wissen, wie du ihn beendest.

Putin scheint das auch noch nicht zu wissen ...

....aber ich bin erstaunt, wie mutig und intelligent die Ukrainer kämpfen. Und enttäuscht, wie wenig wir bislang geholfen haben.

Ihr Protagonist Bruno, seines Zeichens nicht nur Polizist, sondern auch ehemaliger Soldat, sagt, dass wir uns weniger auf die NATO verlassen sollten.

Wenn es zum Krieg kommt, muss sich Europa auf sich selbst verlassen. Grauenhafterweise hat Großbritannien die EU verlassen.

Sie haben noch Ihren britischen Pass?

Ja, aber auch eine permanente Aufenthaltsgenehmigung für die USA und für Frankreich.

Wie empfinden Sie es, dass in Frankreich demnächst ein Mitglied einer rechten Partei Präsident werden könnte?

Genauso, wie ich es finde, dass die AfD in Deutschland teil einer Regierung werden könnte. Oder dass in Großbritannien die Reform-Partei die nächste Regierung stellt. Wir müssen uns daran gewöhnen, dass das, was wir für die Parameter des politischen Lebens gehalten haben, sich verändert hat.

Das ist unsere Schuld, aber auch die Schuld tiefgreifender historischer Kräfte. Als ich jung war, haben in England Millionen als Werftarbeiter, Eisenbahner oder im Bergbau gearbeitet. Durch neue Technologien sind es nur noch Drittel, und die traditionelle Arbeiterklasse ist verschwunden. Und mit ihr ihr politisches Sprachrohr, die Labour Party.

Dem deutschen Pendant ergeht es ebenso.

Aber als sie die Regierung stellten, ermöglichte ihre Politik jemandem wie mir als Erster aus der Familie zur Universität zu gehen.

Das war bei mir genauso.

Aber eine noch größere Veränderung wird KI mit sich bringen. Und damit geht es dann an die Jobs von Menschen wie Sie und ich. Wie sehen ja schon, was vielen Zeitungen passiert ist.

Ich gebe zu, dass ich gewisse Aspekte der KI schätze: Während ich früher endlos gebraucht habe, um ein Gespräch wie unseres abzutippen, erledigt das nun ein Programm in Minuten.

Aber als Autor bin ich entsetzt, dass meine Bücher und die vieler anderer Autoren ohne Erlaubnis verwendet wurden, um Programme aufzubauen. Sie hätten zumindest fragen können. So wird es zum Diebstahl.

Die Landschaft, in denen ihre Bücher spielen, ist wunderschön, Bruno ist ein attraktiver Hauptdarsteller - das schreit doch geradezu nach einer TV-Serie.

Im Moment habe ich einen Vertrag mit einer Produktionsfirma in Hollywood. Sie schrieben mir letztens ...

Sagen Sie es nicht...

... wie ich es finden würde, wenn Bruno Amerikaner wäre. Aber ich habe direkt gesagt, das sei nicht möglich. Doch: Bruno ist ja ein Waisenkind, das vor einer Kirche gefunden wurde. Wir wissen zwar, wer seine Mutter, aber nicht, wer sein Vater ist. Und er könnte vielleicht Amerikaner sein. Aber es ist schwer vorstellbar, wie dieser Mann nach seinem lange verschollenen Sohn suchen könnte.

Es gibt Krimi-Autoren, die alle paar Jahre eine neue Serie beginnen, andere wie Donna Leon und Sie bleiben ihr Schriftstellerleben einem Helden treu.

Es ist bei mir und Donna ähnlich: Brunetti hat sein Venedig, Bruno das Périgord. Und es ist so ein außergewöhnlicher Landstrich für mich als Autor: Ich habe 70.000 Jahre Menschheitsgeschichte, auf die ich zugreifen kann mehr als Donna in Venedig.

Und Sie erweitern Brunos polizeiliches Aufgabenfeld und damit auch das Gebiet, für das er verantwortlich ist.

Er hat jetzt das komplette Tal!

Auf Englisch ist bereits der 18. Band erschienen ...

Nächstes Jahr erscheint der 19. auf Englisch, ich schreibe schon am 20..

Mit 78 könnten Sie, mit Verlaub, auch sagen, es reicht.

Ich würde mich zu Tode langweilen. Nein, ich liebe es zu schreiben. Und auch das Reisen und die Lesungen. Laut vorzulesen und direkt die Reaktionen zu erleben: Das ist toll!

An mehreren Stellen werden Bruno von verschiedenen anderen Figuren Fähigkeiten als Diplomat oder Politiker attestiert. Ist das seine Zukunft?

Ich weiß es noch nicht. Es wird sicher der Punkt kommen, wenn sein Bürgermeister in Ruhestand geht. Aber ich glaube eher, dass er Polizist bleibt, bis er mit 60 oder so in Rente geht. Aber weiß, was danach passiert. Andererseits: Bruno altert ja nicht. (lacht)

Die wichtigste Frage zum Schluss: Wird Bruno irgendwann die wahre Liebe finden?

Er findet ja immer wieder die wahre Liebe, die aber nicht anhält. Ich hatte die Idee, dass Francesca und ihre beiden Kinder das Richtige wären. Aber meine Frau sagte: Wenn Bruno heiratet, verlierst du die Hälfte deiner Leserschaft. Und ich höre immer auf meine Frau. (lacht)