Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

„Problematisch und nicht vertretbar“Scharfe Kritik an zwei Passagen – „Die Zeit“ löscht Kolumne von Maxim Biller

Lesezeit 4 Minuten
Der Berliner Schriftsteller Maxim Biller. (Archivbild)

Der Berliner Schriftsteller Maxim Biller. (Archivbild)

Der Berliner Schriftsteller kritisierte den Umgang der deutschen Öffentlichkeit mit Israel. Kritik gibt es nun jedoch auch an der „Zeit“. 

Die Wochenzeitung „Die Zeit“ hat eine Kolumne des Berliner Schriftstellers Maxim Biller aus ihrem Onlineangebot gelöscht. Der Text mit dem Titel „Morbus Israel“ wurde zunächst sowohl in der Zeitung gedruckt als auch auf der Webseite der „Zeit“ veröffentlicht – dort ist die Kolumne mittlerweile jedoch nicht mehr abrufbar.

„Der an dieser Stelle erschienene Beitrag enthielt mehrere Formulierungen, die nicht den Standards der ZEIT entsprechen. Unsere aufwendige redaktionelle Qualitätssicherung hat leider nicht gegriffen. Wir haben den Text deshalb nachträglich depubliziert“, ist dort nun statt Billers Kolumne nur noch zu lesen. 

„Zeit“ löscht Kolumne von Maxim Biller: Zwei Passagen im Fokus

Zuvor hatte es scharfe Kritik an Billers Text gegeben, in dem der Schriftsteller den Umgang der deutschen Öffentlichkeit mit Israel und dessen Kriegsführung kritisiert hat. Eine Formulierung und ein in der Kolumne enthaltener Witz standen bei Billers Kritikern im Fokus, wie auch eine Verlagssprecherin der „Zeit“ gegenüber dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ bestätigte.

Demnach haben vor allem ein Halbsatz, in dem Biller von einer „strategisch richtigen, aber unmenschlichen Hungerblockade von Gaza“ schreibt als auch der letzte Absatz der Kolumne für die Entscheidung zur Löschung geführt. Der Artikel hätte „so nicht erscheinen dürfen“, betonte die Sprecherin. 

„Zeit“-Sprecherin über Formulierung: „Problematisch und nicht vertretbar“

Insbesondere die Formulierung zur Hungerblockade halte man für „problematisch und nicht vertretbar“, erklärte sie demnach. Ähnlich fällt offenbar auch die Einschätzung zu dem Witz ein, mit dem Biller seinen Text enden ließ und bei dem der Schriftsteller einen Israeli zum Arzt kommen ließ: „Herr Doktor, ich war gerade vierzig Tage mit meiner Einheit in Gaza und hab keine Lust mehr, auf Araber zu schießen. Was soll ich tun?“ „Sie könnten damit natürlich sofort aufhören, wenn Sie wollten“, sage der Arzt, „aber raten würde ich es Ihnen nicht. Auch nicht nach unserer Therapie.“

Zur Reaktion Billers wollte die „Zeit“-Sprecherin derweil keine Auskunft geben, berichtete der „Spiegel“. Man äußere sich nicht zu internen Abläufen und Gesprächen, erklärte sie zum Umgang mit der Kolumne, der Löschung und dem Autor.

Scharfe Kritik an „Morbus Israel“-Kolumne von Maxim Biller

„Es bleibt aber ganz allein unser Fehler, dass wir mit Maxim Biller vor Veröffentlichung nicht über mögliche Änderungen gesprochen haben. Dies war eine schwere Panne in unserem redaktionellen Prozess, die wir sehr bedauern“, zitierte die „Berliner Zeitung“ außerdem die Verlagssprecherin. 

Vorwiegend in den sozialen Netzwerken hatte Billers Text für zahlreiche kritische Reaktionen gesorgt, mitunter auch aus der Politik. „Darf ich vorstellen, eine ganz gewöhnliche Kolumne von Maxim Biller in der liberalen Wochenzeitung Die Zeit. Schlechte Witze über das Grauen in Gaza“, kommentierte etwa BSW-Politiker Fabio De Masi auf der Plattform X.

„Menschen sind Menschen, lieber Maxim“

Auch andere Schriftsteller und Autoren äußerten Kritik an Biller: „Menschen sind Menschen, lieber Maxim, Menschen als Vieh darzustellen widerspricht allen Werten, die ich in meinem Elternhaus, später auf meiner eigenen Reise gelernt habe“, schrieb etwa der Autor und Verleger Dinçer Güçyeter auf Instagram. 

Kritik gibt es nun jedoch auch an der Entscheidung der „Zeit“, die Kolumne nach ihrer Veröffentlichung wieder aus dem Onlineangebot zu löschen. Der Journalist Deniz Yücel, Sprecher der Schriftstellervereinigung PEN Berlin, bezeichnete das Vorgehen der Zeitung gegenüber der „Berliner Zeitung“ als „hilflos und unsouverän“.

Kritik an Löschung von Billers Kolumne: „Hilflos und unsouverän“

Grundsätzlich sei kein Medium dazu verpflichtet, das komplette Meinungsspektrum abzubilden, die „Zeit“ hätte Billers Text also schlichtweg ablehnen können, betonte Yücel. „Es wäre kein Eingriff in die Meinungsfreiheit gewesen, hätte die Redaktion zu Maxim Biller gesagt: Du kannst schreiben, was du willst, aber das nicht bei uns.“

Das sei jedoch versäumt worden, habe er aus der Redaktion der „Zeit“ erfahren, führte Yücel aus. „Das kann passieren, aber es ist höchst bedauerlich. Jeder Autor hat das Recht, redigiert zu werden“, kommentierte der PEN-Sprecher den von der Wochenzeitung eingeräumten Fehler.

Den Text jedoch zu löschen, sei wiederum ebenfalls „kein guter Stil“, führte Yücel aus. „Selbst wenn man den Text für einen Fehler hält, muss man dazu stehen.“ Statt der Löschung hätte man mit Repliken auf den Text reagieren oder die weitere Zusammenarbeit mit Biller überdenken können, erklärte der PEN-Sprecher weiter. (das)