Museum Morsbroich hinterfragt in der Ausstellung "the good in the pot, the bad in the crop" die eigene Sammlung.
Museum MorsbroichIst das Kunst, oder kann das weg?

Laurenz Berges fotografierte die Dame, die im Depot auf ihn aufpasste.
Copyright: Laurenz Berges
Die Episode ist legendär. Es war im Herbst 1973 als der Ortsverein der SPD in Leverkusen im Schloss Morsbroich eine kleine Feier veranstaltete und zwei zupackende Genossinnen in einem Magazin des Museums eine alte, mit Fett und Mullbinden übersäte Badewanne entdeckten. Prima, dachten sich die beiden praktischen Damen, ideal, um darin Gläser abzuspülen. Wenn das Ding nur nicht so dreckig wäre! Kurz entschlossen scheuerten sie die Wanne blitzeblank. Ohne zu wissen, dass es sich dabei um ein Kunstwerk von Joseph Beuys handelte.
Zwei Jahre prozessierte der Sammler Lothar Schirmer, bis er am Ende eine Entschädigung in Höhe von immerhin 40.000 D-Mark erhielt. Für so manchen mag die Badewanne von Beuys ein alter Hut sein. Aber die Geschichte ist einfach zu schön, um sie nicht ein weiteres Mal zu erzählen. Unweigerlich kommt sie einem in den Sinn, wenn man an das Museum Morsbroich denkt, das seinerzeit das erste neu gegründete Museum für Gegenwartskunst in der damals noch jungen Bundesrepublik war.
Selten gezeigte Werke aus dem Depot
Bevor im kommenden Jahr das 75-jährige Jubiläum des am 27. Januar 1951 eröffneten Museums gefeiert wird, steht jetzt erst mal eine Inventur an. Seit Januar zieht die hauseigene Sammlung in ein externes Depot um. Besser ist das. Entging das Haus beim Hochwasser der Dhünn 2021 doch nur knapp einer Katastrophe. Mit der neuen, von Thekla Zell kuratierten Schau „the good in the pot, the bad in the crop“, die ihren bewusst provokanten Titel dem Aschenputtel-Märchen entlehnt und am Sonntag um 12 Uhr eröffnet wird, stellt das Museum die Hierarchisierung von Kunstwerken zur Diskussion und lotet aus, warum manche Werke oft zu sehen sind, während andere seit Jahren im Depot verborgen bleiben.
Lässt sich „gute“ Kunst von „schlechter“ Kunst unterscheiden? Sind die nicht gezeigten Arbeiten weniger gesellschaftlich relevant? Und last but not least: führt ein fehlender Ankaufsetat zwangsläufig zum Alterungsprozess der Sammlung? Um all diese Fragen zu klären, stellt das Museum in elf Kapiteln den Schaustücken der Sammlung selten gezeigte Werke gegenüber. Im ersten Saal ermöglicht Laurenz Berges’ 16-teilige Fotoserie „Depot“ (2013) Einblicke hinter die Kulissen. Dass auf einem der Bilder die auf einem Stuhl hochgelagerten Füße der Dame zu sehen sind, die den Fotografen bei der Arbeit im Depot beaufsichtigen sollte, darf als ironische Zugabe verstanden werden.
Gerhard Richters "Tiger"
Einen Raum weiter entführen klassische Gemälde von Karl Hofer und Oskar Schlemmer zu den Anfängen der Sammlung, und mit Julius Bretz’ Gemälde „Exotisches Blatt“ ist sogar eine der ersten Arbeiten vertreten, die das Museum 1951 von den Farbenfabriken Bayer geschenkt bekam. Der Ankaufsetat belief sich damals auf 3000 Mark. Dass damit auch noch Carl Barths „Xantener Dom mit Engel“ (nach 1940) erworben werden konnte, den sich der damalige Stadtdirektor für sein Büro wünschte, erscheint bei heutigen Preisen wie ein Wunder. Farbenfrohe Wände strukturieren den Rundgang.
Klassiker von Alexej von Jawlensky, Yves Klein und Lucio Fontana zeugen von den glorreichen frühen Jahren und hängen neben Werken von weniger bekannten Künstlern wie einer Hafenansicht von Xaver Fuhr oder einer Pieta von Jože Cihua. Und auch die beiden an der Wand in horizontaler und vertikaler Richtung verspannten Bindfäden von Ben Vautier fristen in einer Schachtel verpackt sonst im Depot ein eher klägliches Dasein. Ganz anders Gerhard Richters „Tiger“ (1965) ein paar Räume weiter, der immer wieder verliehen wird und jetzt neben Karolus Lodenkämpers frisch restauriertem „Porträtblock G“ hängt, der 1968 mit 6200 Mark der teuerste Ankauf war. Heute kennen nur noch Experten den Künstler.
Ein eigener Raum ist Judit Reigls informellem Gemälde „Komposition Nr. 13“ (1957) gewidmet, das so die Aufmerksamkeit erhält, die es verdient. Die in Ungarn geborene Malerin, die in Partnerschaft mit der britischen Künstlerin Betty Anderson lebte, steht für die „queere Komponente“, die der sonst doch „sehr europäischen, sehr männlichen Sammlung“, wie Thekla Zell es ausdrückt, abgeht. Es ist deswegen kein Zufall, dass die aufschlussreiche Ausstellung mit einem ganz in rosa gehaltenen Raum endet, der eine Zukunftsperspektive eröffnet.
Mehr Diversität gewünscht
Nicht nur mehr Diversität wünscht sich die Kuratorin in der multikulturellen Stadt Leverkusen, in der mehr als 140 Nationen heimisch sind, sondern vor allem auch Geld für einen Ankaufsetat. Rosig sehen die Zeiten weiß Gott nicht aus. Immer wieder wurde das Museum Morsbroich in Frage gestellt. Mit der aktuellen Ausstellung aber beweist es in Zeiten knapper Kassen einmal mehr, wie sich vorbildlich mit der hauseigenen Sammlung arbeiten lässt.
Bis 11. Januar, Di bis So 11-17 Uhr, Gustav-Heinemann-Str. 80 Leverkusen.