„Kristina“ im Theater Koblenz: Deutsche Erstaufführung des düsteren Musicals der ABBA-Männer Benny Andersson und Björn Ulvaeus.
Musical-Premiere in Koblenz„Kristina“ aus der Feder der ABBA-Stars als deutsche Erstaufführung

Paula Schindler als Kristina und Tobias Bieri als Karl Oskar.
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Auch andernorts werden Theaterhäuser saniert und Zeitpläne über den Haufen geworfen, nicht nur in Köln. In Koblenz wurde im Frühjahr klar, dass man für eine weitere Spielzeit im Interim bleiben muss. Das hatte natürlich Auswirkungen auf den gesamten Spielplan, aber vor allem für einen Coup, den das Dreispartenhaus landen konnte.
Schon länger bringt Intendant Markus Dietze nicht nur allseits bekannte Mainstream-Musicals auf seine Bühne, sondern auch Überraschendes wie etwa „The Last Ship“ von Sting. Nun konnte man sich die Rechte für die deutsche Uraufführung von „Kristina“ sichern, die zweite Theaterarbeit aus der Feder von Benny Andersson und Björn Ulvaeus, die beiden Bs von ABBA.
Auf rund 90 Minuten eingedampft
Da das im Interim genutzte Zelt an der Festung Ehrenbreitstein nicht die Möglichkeit bot, die große Produktion angemessen zu realisieren, entschied man sich für eine konzertante und auf rund 90 Minuten komprimierte Voraufführung, die jetzt ihre „zwar nicht tarifrechtliche, aber emotionale Premiere“ feierte, wie Intendant Dietze es ausdrückte.
Während in ihrem ersten Musical „Chess“ 1984 die ABBA-Anleihen noch klar zu hören sind, vollziehen Andersson und Ulvaeus mit „Kristina“ 1995 einen Bruch mit dem, wofür die beiden bis dahin musikalisch standen.
Auf der Suche nach Glück
Es basiert auf einer Roman-Tetralogie von Vilhelm Moberg, die von schwedischen Bauern erzählt, die Ende des 19. Jahrhunderts von Småland nach Nord-Amerika auswandern, um ihr Glück zu machen - es letztlich aber auch dort nicht finden. Im Mittelpunkt stehen die Titelfigur (Paula Schindler), ihr Mann Karl Oskar (Tobias Bieri) und dessen jüngerer Bruder Robert (Til Ormeloh).
Während bei ABBA die zuweilen komplexen Songs mit einer Leichtigkeit präsentiert wurden, gehen Andersson/Ulvaeus hier ans Eingemachte, orientieren sich an Kollegen wie Boublil/Schönberg („Les Miserables“), oder Frank Wildhorn („Jekyll & Hyde“). Die Einflüsse aus der schwedischen Folklore und das schwelgerisch Musicalhafte werden von atonalen Schatten verdunkelt und machen aus „Kristina“ keine leichte Kost. Auch verabschiedet sich das Schöpfer-Duo für die Songs von der gewohnten Strophe-Refrain-Struktur, geht in Richtung Rezitativ, Lied oder auch Volkslied. Dem passen sich Udo Brinkmanns Übertragungen ins Deutsche an.
Melodien, die ins Ohr gehen
Dennoch finden sich viele Melodien, die ins Ohr gehen. Wenn auch nicht als Ohrwurm, so doch von einer Qualität, wie man sie von Benny Andersson gewohnt ist, vor allem „Hin zum Meer“ („Ut mot ett hav“), „Gold wird zu Sand“ („Guldet blev till sand“) oder „Wer kann mir helfen“ („Du måste finnas“). Keine auf Hit getrimmten Nummern à la „Memory“, nichts, was dich direkt anspringt. Hits hatten Björn und Benny genügend, für „Kristina“ setzen sie auf die Dramatik der Geschichte.
Und der werden in Koblenz Orchester, Chor und Ensemble gerecht. Sieht man bei dem einen oder anderen Solisten von Erkältungswetter oder Premierenfieber geschuldeten Unsauberkeiten ab, hört und sie man hier großartige Leistungen, allen voran von Paula Schindler als Kristina und der exzellente Til Ormeloh als Robert.
130 Minuten (inkl. Pause), wieder am 14. und 20.12. (Restkarten). Die szenische Premiere findet am 31.10.2026 statt. www.theater-koblenz.de
