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Nachruf auf ArchitektenMeinhard von Gerkan als Kämpfer gegen banale Zirkusdekoration

Lesezeit 3 Minuten
Der Architekt Meinhard von Gerkan vor dem Berliner Hauptbahnhof. Er starb 87-jährig.

Der Architekt Meinhard von Gerkan ist tot.

Meinhard von Gerkan galt als bester deutscher Architekt und einer der einflussreichsten Baumeister weltweit. Er war streitbar und kämpfte dafür, dass ihm niemand ins Handwerk pfuschte. Nun starb er 87-jährig.

Womöglich zeigt ein Schrittzähler weitaus mehr Strecke an, aber gefühlt erfahren Reisende im Berliner Hauptbahnhof aufgrund der luftigen Transparenz, dass Großbauten nicht ermüden müssen, gar erfrischend sein können. Sein Baumeister, Meinhard von Gerkan galt weltweit als einer der einflussreichsten Architekten.

Gegen banale Zirkusarchitektur

Nun ist er im Alter von 87 Jahren gestorben. Unermüdlich kämpfte der im lettischen Riga geborene von Gerkan dafür, dass man ihm nicht ins Handwerk pfuschte. Der bekannteste deutsche Architekt forderte bei dem Berliner Hauptbahnhof, einem der umstrittensten Bauwerke des Landes, energisch, dass das Dach verlängert wird. Eigenmächtig hatte es der damalige Bahnchef Hartmut Mehdorn verkürzt. Er wurde nie verlängert.

Als der Berliner Hauptbahnhof 2006, pünktlich zur Fußball-WM, eröffnet wurde, geißelte von Gerkan die „banale Zirkusdekoration“, welche die ursprüngliche Planung der innovativen Außenbeleuchtung ersetzte. Heimlich war ein weiterer Architekt beauftragt worden. Solch ein Schildbürgerstreich passte nicht zum Perfektionismus des Planers, der Funktionalität von Sportstadien, Flughäfen, Museen oder Bahnhöfen mit einer tänzerischen Leichtigkeit verband.

„Ich wurde Architekt aus Leidenschaft und bin es geblieben“, lautete das Credo des Professors an der TU Braunschweig. Meinhard von Gerkan stammte aus einer deutsch-baltischen Familie, war verwandt mit dem Bauforscher und Archäologen Armin von Gerkan.

Besuch der Waldorfschule 

Der Vater starb 1942 an der Ostfront, die Mutter kurz nach der Flucht aus Posen. Der Junge wuchs als Pflegekind in einer Hamburger Pfarrersfamilie auf. Nach dem Besuch der Waldorfschule machte er 1955 Abitur am Abendgymnasium und studierte erst Jura und Physik in Hamburg, dann Architektur in Berlin.

Die Stadt prägte er später durch Bauten wie den Hauptbahnhof, das neue Tempodrom, eine Veranstaltungsarena mit einem zeltförmigen Faltdach wie aus Papier, oder den Flughafen Tegel. Sein zweiter Berliner Flughafen BER, war von Pleiten, Pech und Pannen begleitet.

Im Entwurf der kubistischen Villa Guna in einem Kiefernwald in Jurmala am Rigaischen Meerbusen der Ostsee in Lettland zeigte von Gerkan sein Gespür für den Gleichklang von Natur und Gebäuden. Einer seiner Buchtitel lautet: „Die Verantwortung des Architekten. Bedingungen für die gebaute Umwelt.“

Rheinenergiestadion trägt Handschrift

Das Rheinenergiestadion in Müngersdorf trägt seine Handschrift, und von Licht durchflutet ist auch die einem großen Dampfer nachempfundene Stadthalle in Bielefeld. Gefragt war sein städtebauliches Gespür auch im Ausland, unter anderem in der Lingang New City bei Shanghai in China oder dem Museum Hanoi in Vietnam. Und wer mit dem Metropolitan-Zug fuhr, konnte sich anhand des Innendesigns ein Bild von seiner Formensprache machen.

Sein langjähriger Partner Volkwin Marg würdigte Meinhard von Gerkan für seinen offenen Blick auf die Zukunft: „Ich bin stolz darauf, was Meinhard und ich gemeinsam mit unseren Partnern und Mitstreitern in mehr als einem halben Jahrhundert geschaffen haben. Auf unsere Bauten, die in Deutschland und weltweit anerkannt und gewürdigt werden.“ (mit dpa)

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