Der Filmemacher starb am 17. Dezember, eine Woche nach der Hochzeit mit seinem langjährigen Lebensgefährten. Mit über 150 Filmen prägte er das deutsche Kino und die LGBT-Bewegung wie kein anderer.
Nachruf auf KünstlerRosa von Praunheim – Ein Leben für Film und Aufklärung

Rosa von Praunheim
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Man möchte sich die deutsche Filmlandschaft nicht ohne Rosa von Praunheim vorstellen, und doch muss man es seit heute tun. Er war derjenige, der einfach Filme machte als andere noch umständlich ihre Förderanträge ausfüllten. Kein Wunder, dass es ihm in New York zeitweilig am besten gefiel, da wo das unabhängige Filmemachen, zu Hause war. Avantgarde und Unterhaltung, Aufklärung und Bezauberung waren in seinem immensen Filmwerk keine Gegensätze. Über 150 Filme sind es am Ende gewesen. Nun ist er doch gestorben, am 17. Dezember, 83-jährig, erst vergangene Woche hatte er seinen langjährigen Lebensgefährten Oliver Sechting geheiratet.
Rosa von Praunheim: Pionier der LGBT-Bewegung
Sein Einsatz für die LGBT-Bewegung, lange bevor sie diesen Namen trug, erwuchs aus der intuitiven menschlichen Mitteilsamkeit des Künstlers. In der Glanzzeit des Talkshow-TVs war er der bekannteste schwule Aktivist Deutschlands. Wie nur wenige Künstler, vergleichbar vielleicht nur dem älteren Joseph Beuys und dem jüngeren Christoph Schlingensief, erreichte er als Künstlerpersönlichkeit sogar Menschen, die sich sonst wenig für Kultur interessieren. Dazu gehörte auch der aktionistische Gebrauch des Mediums, am bekanntesten durch das inszenierte Outing prominenter Personen, die ihre Homosexualität bis dahin vor der Öffentlichkeit geheim gehalten hatten wie Alfred Biolek und Hape Kerkeling.
Der letzte Film: Ein beeindruckendes Vermächtnis
Mit einem seiner späten Filme, „Rex Gildo – Der letzte Tanz“ gelang ihm noch einmal, was wohl niemand besser konnte: Geschichte und Gegenwart, Dokumentarisches und Erspieltes zu verbinden und dabei Lichter anzuknipsen in den versteckten und verdunkelten Ecken eines doch niemals wirklich inklusiven Museums namens Deutschland.
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17.01.1973, Berlin: Der Autor und Filmemacher Rosa von Praunheim.
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Geboren 1942 wurde er während der deutschen Besatzung im Zentralgefängnis von Riga. Zur Adoption freigegeben und aufgewachsen in Ost-Berlin, kam er 1953 in den Westen, nach Frankfurt am Main. Nach einem abgebrochenen Kunststudium fand er zum Experimentalfilm.
Sein Dokumentarfilm „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“, brachte ihn 1972 zur Documenta 5. Die vorausgegangene WDR-Fernsehausstrahlung führte zu einem Skandal und war entscheidend für die Entstehung einer modernen Schwulenbewegung. Praunheims filmischer Appell an die Homosexuellen, sich auf kein Versteckspiel mit einer restriktiven Gesellschaft einzulassen, überzeugte nicht nur politisch.
Einzigartiger Stil in Rosa von Praunheims Werk
Heute bewundert man seine ungewöhnliche Form: Als nachvertonter Stummfilm konterkariert das Werk seine politische Aufklärungsleistung mit künstlerischer Distanz. Wie leicht und spielerisch dagegen der Nachfolgefilm „Die Bettwurst“, der Praunheim auch als großen Humoristen zeigte. Auch heute finden wir kein Haar in dieser Wurst und erst recht kein graues.

Berlin: Filmemacher Rosa von Praunheim (l) mit Begleitung bei der Eröffnung der 41. Berlinale.
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Über Rosa von Praunheims Ruhm als Aufklärer und Dokumentarist darf man seinen Rang als Künstler nicht vergessen. Weltweit wird er als Pionier des unabhängigen Films verehrt. Längst ist der „Reiz des Privaten“ ein geflügeltes Wort in der Kunstwelt geworden. Seine Filmkunst balancierte von Anfang auf dieser magischen Grenze und war seiner Zeit darin manchmal weit voraus: Wie wird die Beobachtung von Privatheit der Peinlichkeit enthoben? Und wie wird, umgekehrt, die Inszenierung von Intimität nicht ins Überhöhende verfälscht?
Authentizität und kreative Einschränkungen
Rosa von Praunheim hat früh erlebt, was mit der Spontaneität des privaten Ausdrucks passieren kann, wenn man sie in großzügige Dekors stellt. Sein aufwändiger Fortsetzungsfilm „Berliner Bettwurst“ in teuren Kulissen war nicht annähernd so erfolgreich wie die originale Bettwurst. Für seine weitere Arbeit aber muss das eine wichtige Erfahrung gewesen sein, dem Ausdruck des Echten, das seine Darsteller in die Filme brachten, nichts entgegenzustellen. Das hieß manchmal sogar die eigene Phantasie, wenn es sein musste, zu bremsen.
Denn bei aller ästhetischen Durchdringung, die Praunheims Filme nicht zuletzt durch ihre unverwechselbare Farbigkeit ausstrahlen, bei aller dramatischen Führung, die zu all den großen Gefühlen führt, ist er ja im Grunde ein Verist. Er liebte Menschen, die sich finden, in dem sie sich erfinden, und er feierte die Wahrhaftigkeit dieser Selbsterfindungen.
Erst im Herbst wurden die Dreharbeiten seines letzten Films abgeschlossen, dessen Fertigstellung er nun nicht mehr erleben kann, der Titel: „Sex und Tod“.
