Ohne PrunkDie etwas andere lit.Cologne-Gala setzte einige Höhepunkte

Lesezeit 2 Minuten
Bela B

Hatte Spaß bei der lit.­Co­lo­gne-​Ga­la: Sänger Bela B. 

Köln – Vor der digitalen Veranstaltung, so Bettina Böttinger, habe sie ganz analog in Meyers Enzyklopädie nachgeschaut. „Da steht: Für eine Gala trägt man Prunkkleidung.“ Eigentlich. „Prunk“ war indes nicht die erste Assoziation, die das schlichte, schwarz-weiße Ensemble der Moderatorin hervorrief. Aber auch die prominenten Gäste auf der Bühne trugen – wie vermutlich der größte Teil der Zuschauer am heimischen Bildschirm – Alltagskleidung. 2021 ist eben alles etwas anders.

Ausgerechnet im zwanzigsten Jahr muss die lit.Cologne ohne ihre wichtigste Zutat auskommen: All die persönlichen Begegnungen zwischen Top-Autoren, Sprechern, Moderatoren und Publikum. Damit steht das Festival nicht alleine da. Überall mussten in den letzten 15 Monaten Veranstaltungen und Feste Corona-konform gemacht oder gleich ganz abgesagt werden. Doch was, wenn man letzteres mal von einem ganz anderen Standpunkt aus betrachten würde?

Immer wieder gab es und gibt es Feste und Veranstaltungen, die man sich im Nachhinein hätte schenken können. Das gilt nicht nur im privaten Umfeld. Auch die Literatur ist voll mit höchst unterhaltsamen Beispielen – und um diese ging es an diesem Abend.

Ein Glanzlicht jagt das andere

„Hier gibt es nichts zu sehen“, so das Motto der „großen (digitalen) lit.Cologne-Gala“, bei der Katharina Thalbach und Bela B. als Sprecher ein Glanzlicht nach dem anderen setzten. Da ging es um vergleichsweise kleine Dramen wie die Entscheidung „Tee oder Kaffee“, einem Text von Slavomir Mrozek, oder Fanny Müllers genüsslich-sarkastische Beschreibung der Trauerfeier der ledigen „Fräulein Kleinschmidt“, inklusive Verabschiedung am offenen Sarg mit Begutachtung der Frisur („Hier wäre weniger mehr gewesen – aber schließlich muss es ja lange halten.“) – beides in unverwechselbarem Thalbach-Duktus vorgetragen. Ein weiteres Highlight des Abends war ihre Interpretation eines bitterbösen Briefes von Thomas Bernhard an seinen Verleger Siegfried Unseld, in dem der Autor sich über die vermeintlich misslungene Theater-Aufführung eines seiner Werke echauffiert.

Auch Bela B. trug seine Texte mit großem Vergnügen vor. Darunter die Schilderung einer laut Titel „schrecklich amüsanten“ Kreuzfahrt (David Foster Wallace), die Sorgen und Nöte eines Hochzeitsfotografen (Mark Watson) oder Thomas Wolfes „The Oktoberfest almost killed me“ betitelte Beschreibung eines Deutschlandbesuchs von 1928.

Chilly Gonzalez glänzte mit seinen Improvisationen

Was wäre eine Gala ohne Musik? Hier zeigte sich einmal mehr das Ausnahmetalent von Chilly Gonzalez, dessen Improvisationen einen kongenialen Rahmen bildeten – und der nebenbei die Home-Office-kompatible Arbeitskleidung schon einführte, als man bei „Corona“ noch an mexikanisches Bier dachte.

Rundschau abonnieren