Das Stück „Collateral Dammage“ zeigt den Zerfall einer Familie im Chaos eines krisengeschüttelten Deutschlands - packende Dialoge inklusive.
Premiere im Schauspiel Köln„Collateral Dammage“ zeigt den Sprung in die Katastrophe

Das Bühnenbild stiehlt dem großartigen Ensemble fast die Show.
Copyright: Ivan Kravtsov
Manchmal wird die Fiktion auf bizarre Weise von der Wirklichkeit eingeholt. Vor der Premiere von „Collateral Dammage“ sieht man überall im Foyer des Depots Menschen, die sich auf ihren Smartphones Bilder des neuen Papstes anschauen und sich darüber informieren, wer denn dieser Leo XIV. ist.
Der Beginn der Familienkonflikte
Und dann legt Yuri Englert in seiner Rolle als Edi vor dem Vorhang los: „Sie haben sicherlich alle die erschütternden Nachrichten gehört. Mir fehlen die Worte. Ich bin traurig, geschockt, ich bin wütend.“ Und obwohl man es als Theaterzuschauer besser wissen müsste, wartet man gespannt, ob jetzt gleich ein Satz zu den Geschehnissen in Rom kommt.
Doch stattdessen die Auflösung: Der Vater von Edi, ein bekannter, ja berüchtigter Schiffsreeder liegt im Sterben während rundherum Deutschland im Chaos versinkt: Flughäfen und Bahnhöfe sind gesperrt, man erfährt nie genau warum, aber die Situation ist bedrohlich und scheint aus dem Ruder zu laufen.
Edi und sein Bruder Manuel (Nikolaus Benda) sowie ihre Halbgeschwister Uma (Orit Nahmias) und Fred (Kelvin Kilonzo) treffen sich auf dem burgähnlichen Familienanwesen und beginnen, während der Vater noch lebt, das Fell zu verteilen. Wie immer in solchen Situationen: Es geht ums Geld, um neue Schuld, und Schulden und um alte Wunden, die die Beziehungen der ungleichen Halbgeschwister von je her geprägt haben.
Kunsthistoriker Edi und Manu, der in der väterlichen Firma mitgearbeitet hat, stammen aus der Ehe mit einer ersten Frau. Fred, Tänzer und Choreograph, ist der Sohn von der zweiten Frau. Uma, als das Resultat eines Seitensprungs, wurde lange nicht anerkannt, weshalb sie sich bis heute als Außenseiterin fühlt und umso stärker pocht sie auf ihre Rechte.
Das geheimnisvolle Gemälde von Goya
Inmitten dieser geschwisterlichen Scharmützel taucht der zwielichtige Francesco (Sinan Güleç) auf, der ein Bild im Gepäck hat. Dabei handelt es ich um ein verschollenes Gemälde von Francisco de Goya, das auf verschlungenen, illegalen, von Waffenlieferungen gesäumten Wegen, die zum Teil durch Russland führten, in die Hände der Familie gelangt ist.
Für den Kunstexperten Edi ist das Auftauchen des Werks nichts anderes als eine kulturelle Sensation, er hat sogar ein Buch darüber verfasst. Die anderen sind eher daran interessiert, wie man es zu Geld machen kann, nachdem klar ist, dass es vom Vater nichts zu erben gibt. Denn sogar das Haus, in dem man zusammengekommen ist, gehört der Bank. Doch als man Edi mit der Tatsache konfrontiert, dass er viel Geld brauchen wird, um einen MeToo-Prozess zu verhindern, kann auch er sich damit anfreunden, das Bild nicht einem Museum zu übergeben.
„Collateral Dammage“ (Kollateralschaden) stammt aus der Feder der israelischen Autorin und Regisseurin Yael Ronen, die seit mehr als 15 Jahren in Deutschland arbeitet und nun erstmals am Schauspiel Köln inszeniert.
Ein Theaterabend mit Spannung und Humor
Das Resultat ist ein Theaterabend, wie man ihn sich nur wünschen kann: Ein Stück, pendelnd zwischen boulevardesker Komödie und Drama, das schlicht und ergreifend gut geschrieben ist. Die Figuren sind klar umrissen, die Karikatur wird nicht gescheut. Es gibt Wendungen, die überraschen, andere sind vielleicht vorhersehbar, tun dem Vergnügen jedoch keinen Abbruch. Dazu sind die Dialoge knackig, man merkt förmlich, wie viel Spaß das Ensemble an diesem bisweilen verbalen Tennismatch hat.
Kleines Manko für all jene, deren Englisch nicht so flüssig ist: Es wird munter zwischen beiden Sprachen hin- und hergewechselt, manchmal auch innerhalb eines Satzes. Das trägt auf jeden Fall zur Lässigkeit und zum Tempo bei, darf aber als Besucherschranke nicht unterschätzt werden. Doch ein Platz in einer eher hinteren Reihe ermöglicht den entspannten Blick auf die Übertitel am Bühnenrand.
Ein Bühnenbild, das beeindruckt
Von dort hat man auch den besten Blick auf das großartige Bühnenbild von Wolfgang Menardi: eine Mischung aus Sprungtürmen im Freibad und Ozeandampfer, ein Gestänge ganz in Weiß mit Podien und Sprungbrettern das sich immer wieder und die eigene Achse bewegt. Den halbrunden Hintergrund bilden zwei Projektionsflächen, durch einen Spiegel voneinander getrennt.
Und während links und rechts bewegte Meeresbilder flimmern, aus denen immer wieder Goya-Figuren auftauchen, sieht man im mittleren Teil die Reflexion der Bühnenaufbauten, auf denen sich das Darsteller-Quintett fortwährend auf und ab bewegt. So entstehen Bilder, die vergessen lassen, dass man sich in einer ehemaligen Werkshalle befindet und nicht in einem frisch sanierten Theatergebäude.
90 Minuten (ohne Pause). Wieder am 13. bis 15.5., 23. und 24.5. sowie 23. und 24.6., jeweils 19.30 Uhr, außerdem 25.5., 16 Uhr und 1.6., 18 Uhr.