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Interview mit Stefan CharlesSo sehen die Pläne des Kölner Kulturdezernenten aus

Lesezeit 5 Minuten
Stefan Charles Interview Kölnische Rundschau

Stefan Charles beim Gespräch mit der Rundschau.

Ein Gespräch über die nächsten Pläne fürs Depot, die Suche nach einem Schauspielintendanten und die Belastungen des Privatlebens.  

Am 16. August 2021 präsentierte die Stadt Sie als nächsten Kulturdezernenten. Wenn Sie die vergangenen zwei Jahre in einem Satz zusammenfassen müssten...

Stefan Charles: (denkt kurz nach) Wir sind auf dem Weg — es liegt aber noch vieles vor uns in der Kultur. Es hat sich für mich etwas gedreht: Ich hatte das Gefühl, Köln ist die Kulturstadt, die Kunststadt. Jetzt sehe ich sie als die Stadt der Künstlerinnen und Künstler. Wir haben hier von der Seite der Kreativen eine ungeheure Energie.

Hatten Sie sich den Job so vorgestellt? Am Anfang sagte man ja, Sie hätten „mangelnde Verwaltungserfahrung“.

Ich kenne es von der Arbeitsbelastung an der Spitze eines Medienunternehmens, dass es noch etwas enger getaktet ist als hier. Die Vielschichtigkeit der Arbeit ist immens, die Musik spielt auf sehr vielen verschiedenen Ebenen: Kulturpolitik, das Zuhören bei den Kulturschaffenden und die großen Projekte, die wie die Bauprojekte schon lange in Arbeit sind.

Hätten Sie sich vorstellen können, dass manche Vorgänge so lange dauern?

Es gibt Dinge, da ist viel Tempo drauf, und andere, bei denen es Geduld braucht. Der Umbau des Atelierhauses an der Delmenhorster Straße soll tatsächlich schon im Oktober abgeschlossen sein. Dadurch haben wir in zwei Jahren die Anzahl der Atelierräume praktisch verdoppelt.

Egal, mit wem man spricht, alle finden toll, wie viel Sie unterwegs sind. Sieht Ihre Frau das auch so?

(lacht) Sie hat mich kennengelernt als jemand, der keine Büroarbeitszeiten kennt. Sie wusste, was da auf uns zu kommt. Es ist ein Job, wo man vieles Privates hintenanstellen muss. Da sie Künstlerin ist, ist sie selber viel in der Kunstwelt unterwegs.

Sie haben viel Zeit in die Vorlage für das Depot gesteckt, nun ist sie durch den Rat — was ist jetzt konkret der nächste Schritt?

Wir werden im September ein repräsentatives Team zusammenstellen mit einer Projektleitung, das dann erarbeitet, wie das Betriebsmodell für das Depot aufgesetzt werden soll — also wie das Miteinander des Schauspiels, der Tanzsparte der Bühnen und der freien Tanzszene miteinander organisiert wird.

Und die Ausschreibung für die inhaltliche Gestaltung der Tanzsparte?

Wir machen — ebenfalls jetzt — einen europaweiten Opencall, für ein „Grob-Konzept“.

Es wird ja nicht mehr Tanzgastspiele als jetzt geben, und auch nicht viel mehr Aufführungen der hauseigenen Tanzcompagnie. Findet der Tanz dann nur noch im Depot statt, dessen Betrieb durch eine Mindestanzahl an Aufführungstagen gerechtfertigt ist?

Der Ratsbeschluss geht ja von einem Musterspielplan aus, welcher 40 Vorstellungen der neuen Tanzsparte, 32 Vorstellungen der freien Szene, 22 Tanzgastspiele und rund 20 weitere Veranstaltungen vorsieht. Wo die einzelnen Aufführungen stattfinden, ist dann der jeweiligen Intendanz überlassen.

Das Depot ist wesentlich größer als etablierte Tanzorte wie die TanzFaktur oder Barnes Crossing. Gibt es Kölner Ensembles, die das Depot füllen könnten — in Sachen Zuschauer, aber auch in Sachen Füllen der Bühne? Oder bräuchten die Ensembles dafür auch mehr Geld — wie es einige zur Verfügung hatten für die Produktionen, die für die Oper im Staatenhaus entstanden sind?

Depot 1 und 2 werden spielfertig bereitgestellt — von der Technik bis zur Kasse und Security. Und es wird ein zusätzliches künstlerisches Budget für Produktionen für freie Gruppen geben – bislang sind dafür grob 500.000 Euro eingeplant. Aber es wird für die freien Ensembles auf jeden Fall eine Herausforderung.

Was sagen all denen, die meinen, wenn Richard Siegal und das Ballet of Difference nicht verlängert würden, gäbe es für den Tanz keine Kontinuität?

Die Idee hinter dem Neustart ist weniger die Kontinuität, sondern ein Quantensprung. Ich stelle mir ein Kompetenzzentrum Tanz vor, an dem sich viele Akteurinnen und Akteure beteiligen.

Und reicht es nicht für eine Kontinuität, wenn eine Spielzeit lang anstelle Abende eines eigenen Ensembles nur Gastspiele angeboten werden?

Ich führe schon Gespräche mit Hanna Koller und Rafael Sanchez, was wir in der Zeit machen können.

Was konkret soll in der Spielzeit 2024/25 im Depot stattfinden, wenn das Schauspiel wieder am Offenbachplatz ist?

Das Schauspiel soll auf jeden Fall im Depot 2 spielen — als rechtsrheinischer Aufführungsort. Aber wir werden in dieser Zeit Umbauten vornehmen, auch in den nicht-öffentlichen Räumen. Das sind ja riesige Flächen, die wir sicher besser nutzen können. Bis Ende Oktober werden wir wissen, was wir alles machen müssen und wie lange wir dafür brauchen.

Wie weit ist die Suche nach einer neuen Intendanz fürs Schauspiel gediehen?

(lacht) Ich darf ja über diese laufenden Verfahren nicht öffentlich sprechen. Aber ich glaube, ich kann sagen, dass es gut läuft, dass wir demnächst eine neue Intendanz dem Hauptausschuss vorschlagen können. Vielleicht schon in der Sitzung am 14. August — oder in der danach.

Gab es eigentlich Reaktionen von außerhalb auf die Depotvorlage?

Kollegen aus Hamburg, Berlin oder München finden es absolut sensationell, dass der Rat in schwierigen Zeiten und nach einem problematischen Bauprojekt das, was Stefan Bachmann und sein Team in Mülheim erreicht haben, weiterführt und weiterentwickelt — obwohl parallel der Offenbachplatz neu gestartet werden soll.

Der Dachverband Tanz begrüßt, dass wir gleichzeitig die Tanzsparte etablieren und die freie Szene mitnehmen wollen. Für mich persönlich ist es sicher eine der wichtigsten kulturpolitischen Entscheidungen meiner Amtszeit. Und das nach knapp zwei Jahren. Das macht mich sehr glücklich und zuversichtlich, dass wir hier in der Kultur noch vieles aufbauen können. So muss es jetzt weitergehen!