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Interview

T.C.Boyle zum neuen Roman
„Ich bin doch selbst ein Sklave der Liebe“

4 min
T.C. Boyle

T.C. Boyle hat einen neuen Roman veröffentlicht. 

Ein Gespräch mit T.C. Boyle über seinen neuen Roman „No Way Home“ und die Zukunft seiner amerikanischen Heimat.

Mit „No Way Home“ erscheint jetzt der neueste Roman von T.C. Boyle. Darin erzählt er von einem Liebesgewirr, aus dem keiner der drei Beteiligten herauskommt. Mit Axel Hill sprach der 76-jährige US-Autor über die Entstehungsgeschichte des Buches.

Eine der Figuren im Roman, die zum ersten Mal ein Buch schreibt, reagiert enthusiastisch, als sie hört, dass sich ein Agent dafür interessiert. Können Sie sich erinnern, wie das bei Ihnen war?

Ja! Mein Agent Georges Borchardt, der heute immer noch mein Agent ist, brachte eine meiner Geschichten im „North American Review“ unter. Ich war gerade in Iowa City zu einem Schreibworkshop angekommen und bin auf dem Campus in die Bücherei gegangen: Und da stand mein Name in der Zeitung. Ich habe mich gefühlt, als hätte ich die Welt erobert. Ich bin sofort los, um ein Bier zu trinken. Für die Geschichte habe ich 25 Dollar bekommen und dafür gab’s damals eine Menge Bier.

Ich erinnere mich, wie ich mich fühlte, als ich als Student jemanden beobachtete, der im Kino vor mir saß und einen Artikel von mir las.

Das ist so aufregend, nicht wahr? Das ist mir auch einmal passiert: Im Flugzeug saß auf der anderen Seite des Gangs eine Frau, die „Riven Rock“ las, das gerade erschienen war. Himmlisch!

Wollten Sie sich rüberbeugen und sagen: Das ist von mir?

Nicht unbedingt. Aber ich hätte ihr anbieten können, ihr das Ende zu verraten. Dann hätte sie nicht das ganze Ding lesen müssen. (lacht schallend)

Erneut erscheint Ihr neues Buch zuerst in Deutschland ...

...und mein Verlag Hanser hat auch die Rechte für die englischsprachige Fassung erworben. Es passt besser in ihr Programm, das Buch jetzt herauszubringen und mich im November nach Deutschland zu holen. Ich habe keine Ahnung von Marketing, also ist mir das recht.

Glauben Sie, dass Sie in Deutschland mittlerweile mehr ziehen als in Amerika?

Ich glaube ja. Aber auch hier in den USA warten die Leute auf neue Bücher von mir. Aber es gibt mehr Ablenkung, wie zum Beispiel diese faschistische Diktatur, in der wir hier leben.

Im Mittelpunkt des neuen Buchs steht eine Dreiecksgeschichte zwischen Terry, Bethany und ihrem Ex Jesse.

Der Spaß für mich beim Schreiben war, wie unglaublich diese Geschichte ist: Er hat einen One-Night-Stand in dem Ort, wo seine Mutter lebte, fährt zurück nach L.A. und vergisst das Ganze. Dann bekommt er einen Anruf von einer Nachbarin, dass diese junge Frau nun in seinem Haus lebt.

Es ist schwer Terry zu verstehen: Eigentlich will er Beth loswerden, lässt sich aber immer wieder von ihr bequatschen ...

Ich bin selber ein Sklave der Liebe (lacht). Eigentlich dachte ich, das Buch würde, wie zuvor „Blue Skies“, mehr Umweltthemen behandeln. Darum spielt die Geschichte auch in Boulder City (Nevada), wo der Lake Mead unter immer größerer Wasserverknappung gelitten hat. Aber als die Geschichte weiter fortschritt, haben die Charaktere zu mir gesprochen, und ich bin ihnen gefolgt.

Was hat Sie an den Dreien fasziniert?

Das Schöne daran, ein Schriftsteller zu sein ist, dass du über jede Periode deines Lebens oder des Lebens jeder anderen Person schreiben kannst. Anfang der 1980er Jahre habe ich eines der schönsten Komplimente von einem meiner Mentoren bekommen. Damals war ich jung und habe etwas über Ältere geschrieben. Er meinte, ich weiß nicht, wie du das gemacht hast, aber es ist genau das, was wir Älteren fühlen.

Die Geschichte ist spannend, man bleibt am Ball, aber fragt sich auch: Halt, das ist doch ein T.C. Boyle-Roman, wo ist das große gesellschaftspolitische Thema, die tiefere Bedeutung?

Ich weiß es nicht. Jedes Buch ist anders. Ursprünglich sollte es eine zweite Geschichte geben: Das Buch, das Jesse über den Bau des Hoover Damms schreibt, wie ganze Ortschaften dafür überschwemmt wurden das hat mich fasziniert. Aber irgendwann merkte ich, dass diese Passagen nicht mehr dazu passten, wie die Geschichte sich entwickelte.

Zwischendurch dachte ich, diese Amour-Fou-Geschichte könnte eine Metapher dafür sein, wie die Menschen in den USA und so vielen anderen Ländern auf die falschen Politiker reinfallen, sich nicht von ihnen lösen können, obwohl sie es besser wissen sollten.

Das steckt sicher darin. Ich habe das Buch geschrieben, während der Übernahme unseres Landes. „No way home“, kein Weg nach Hause, ist so etwas wie die Überschrift dazu. Und ich frage mich, was bedeutet es, ein Zuhause zu haben? Gehört eine Liebesbeziehung dazu? Und darf man überall hingehen und sich ein Zuhause schaffen?

Fühlen Sie sich in den USA noch zu Hause?

Wir leben in düsteren Zeiten. Sehr, sehr düsteren Zeiten. Er [Trump] hat noch dreieinhalb Jahre, bis er die nächsten Wahlen absagen kann. Die Leute fangen zwar an, zurückzukämpfen, auch die Legislative und sogar der Oberste Gerichtshof. Aber ich habe nicht viel Hoffnung. Doch was soll ich machen? Ich werde weiterarbeiten, im Moment bereite ich meinen nächsten Roman vor, und ich hoffe, mich in der Arbeit begraben zu können. Und diesen Mist andie Seite zu schieben (and shuttle this crap to the side)

T. C. Boyle: „No Way Home“: Roman, aus dem Englischen von Dirk van Gunsteren. Hanser, 384 S., 28 Euro. Lesung in Düsseldorf am 3. Dezember, Tonhalle.