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Tanz Köln„Firmamento“-Aufführung des spanischen Ensembles „La Veronal“

Lesezeit 4 Minuten
Szene aus dem Stück von Choreograf Marcos Morau und seinem Ensemble „La Veronal“ im Depot 1.

Szene aus dem Stück von Choreograf Marcos Morau und seinem Ensemble "La Veronal" im Depot 1.

Tanz Köln-Aufführung am Wochenende - Der spanische Choreograf Marcos Morau und Ensemble zeigen im Depot 1 das Stück „Firmamento“.

Hektische, zuckende Bewegungen – manchmal irritierend, manchmal auch komisch garniert mit Slapstick-Einlagen hüpfender und spielender Körper. Die Szene zu Beginn der Aufführung „Firmamento“ des spanischen Erfolgschoreografen Marcos Morau erinnert an ein Setup eines DJ-Konzertes, das für sechs Jugendliche gleichzeitig als „Spielwiese“ dient. Überdreht und lebenslustig tanzen, trommeln und tollen sie um das Elektro-Musik-Equipment herum und lassen „den lieben Gott einen guten Mann sein“.

Morau lässt seine Zuschauer im Depot 1 des Schauspiels Köln lange mitzappeln im Ungewissen darüber, worum es ihm und seinem außergewöhnlich talentierten Ensemble „La Veronal" eigentlich geht. Die Jugend, ja, natürlich, aber was noch? Erst langsam wird dem Betrachter dieser langen ersten Szene bewusst: Es geht um das Leben an sich, um die Evolution der Zigtausenden Generationen, seitdem alles begann, um die Welt und das unvorstellbar große Universum seit dem Big Bang vor 13,7 Milliarden Jahren.

Eine Puppe fliegt durch die Zeit

Wie wäre es, wenn man als älterer Mensch – im Stück eine grandios bewegte Puppe – abheben würde ins Universum und so auf sein Leben und seine persönliche Welt schauen könnte? Welche Schlüsse würde der Mensch ziehen? Und wie sähe all das aus, wenn man wieder zurückkehren würde in sein privates Umfeld? Am Ende hätte sich womöglich für einen selbst nichts verändert, außer der Erkenntnis, dass die Träume der Jugend sich nicht in Gänze verwirklichen lassen. Und dennoch richte sich der Blick und die Hoffnung auf eine neue junge Generation, die eine Chance hat, di e Dinge vielleicht anders und auch besser zu gestalten.

Ein gezeichneter wilder Comic-Strip lässt die Zuschauer nochmals durch die Dimensionen des Betrachterstandpunktes sausen, indem er die anfängliche Szene eines Sohnes, der auf dem Schoß seines Vaters sitzt, immer weiter, quasi bis ins Unendliche aufzieht. Weiter geht der Trip: Szenische und musikalische Anspielungen auf berühmte Filme wie Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“, Coppolas „Apocalypse Now“ und Ridley Scotts „Bladerunner“ lassen die Zuschauer immer tiefer in die phantastische, zum Teil absurde Welt des Morau-Stücks eintauchen. Es sind überzeichnete realistische und auch visionäre Szenen, die er und seine Tänzer präsentieren, die immer wieder auch die Welt unserer Tage streifen. Unterstrichen wird diese Sicht durch ein am Anfang präsentiertes Zitat des „Alice im Wunderland“-Autors Lewis Carroll: „Es braucht eine Menge Wahnsinn, um so viel Realität ertragen zu können.“

Bühne öffnet sich und bekommt Tiefe

Der augenscheinliche Wahnsinn unserer Welt beruhigt sich im zweiten Teil des Stücks. Die Bühne öffnet sich und bekommt Tiefe. Das Leben sieht neben der jugendlichen Unbekümmertheit eben noch andere Bereiche vor. Der Tanz des Älterwerdens durchschreitet zwar immer wieder neue Welten und Kontinente und setzt neue Herausforderungen der Anpassungen für die Protagonisten auf der grandios, mit ständig wechselnden Lichteffekten ausgeleuchteten Bühne. Aber das Tempo ändert sich, wird langsamer. Das Älterwerden zeigt seine Wirkung.

Auf dieser emotionalen Achterbahnfahrt durch die Welten ist man am Ende schlauer, was Morau und sein Ensemble „La Veronal“ in ihrer Bühnensprache ausdrücken wollen: „Das Leben ist immer in Bewegung“ – und auch, wenn die Generationen jeweils anders ticken, andere Wünsche und Träume haben, Stillstand gibt es nie. Diese Veränderung zeigen die Tänzerinnen und Tänzer am Ende. Es sind nicht mehr die zuckenden, hektischen Bewegungen, die vorherrschen, sondern fließende Tanz-Einlagen und verschmelzende Szenen. Alles gehört zusammen, aus dem Alten wird etwas Neues.

Herauszuheben ist noch die Musik von Laurie Anderson und das Sounddesign von Juan Cristobal Saavedra, die das Stück und die Tänzer virtuos über die Spielzeit von 75 Minuten auf ihren Noten tragen.


Das Stück

"Firmamento", Tanz-Performance, 75 Minuten; Konzept und Regie: Marcos Morau; Choreografie in Zusammenarbeit mit: Angela Boix, Jon López, Núria Navarra, Lorena Nagel, Marina Rodriguez, Shay Partush; Text: Carmina S. Belda und Pablo Gisbert; Musik und Sounddesign: Juan Cristobal Saavedra; Musik: Laurie Anderson; Bühne: Max Glaenzel; Kostüme: Silvia Delagneau; Licht: Design Bernat Jansá