Umjubelte Premiere im Depot 1Das bringt Stefan Bachmanns letzte Inszenierung in Köln

Lesezeit 3 Minuten
Akıns Traum
vom Osmanischen Reich
von Akın Emanuel Şipal
Regie: Stefan Bachmann
 
Regie: Stefan Bachmann
Bühne: Olaf Altmann
Kostüme: Adriana Braga Peretzki
Musikalische Leitung & Komposition: Sven Kaiser
Choreografie & Körperarbeit: Sabina Perry
Licht: Jan Steinfatt
Dramaturgie: Lea Goebel
 
Foto: Tommy Hetzel

In „Akins Traum vom Osmanischen Reich“ wird inmitten von fahrbaren LED-Leuchten gespielt.

Gelungene letzte Runde: Intendant Stefan Bachmann bringt „Akins Traum“ auf die Bühne des Depot 1.

Gassen aus Licht, in denen das Ensemble agiert. Schnüre, die vom Bühnenhimmel hängen. Rhythmisches Sprechen im Takt der Musik. In seiner letzten Inszenierung im Depot greift Intendant Stefan Bachmann eine Reihe der Elemente auf, die beiden vorangegangenen Arbeiten geprägt haben.

Und wie auch „Im Reich des Todes“ und „Johan Holtrop“ beschäftigt sich „Akins Traum (vom Osmanischen Reich)“ mit einem Stück Geschichte — allerdings einem ziemlich mächtigen: In zwei Stunden geht es im wilden Galopp durch die Jahrhunderte, ausgehend vom Jahr 1299 und dem Gründungsmythos, Osmans Traum.

Der Legende nach wächst dem künftigen Herrscher ein Baum aus dem Bauch, in dessen Schatten sich alle Völker der Erde versammeln und gedeihen können, gleich welcher religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit.

Akıns Traum
vom Osmanischen Reich
von Akın Emanuel Şipal
Regie: Stefan Bachmann
 
Regie: Stefan Bachmann
Bühne: Olaf Altmann
Kostüme: Adriana Braga Peretzki
Musikalische Leitung & Komposition: Sven Kaiser
Choreografie & Körperarbeit: Sabina Perry
Licht: Jan Steinfatt
Dramaturgie: Lea Goebel
 
Foto: Tommy Hetzel

Mehmet Ateşçi spielt das Alter Ego des Autors.

Es folgen die eigentlich üblichen Macht-Scharmützel, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf das „Sultanat der Frauen“gelegt wird, als in direkter Folge drei Sultaninnen ihre schwachen Ehemänner an den Rand drängen.

Rahmenhandlung in Gelsenkirchen

Und auch in der Rahmenhandlung hat eine Frau die sprichwörtlichen Hosen an: Autor Akın Emanuel Șipal stellt eine Figur namens Alter Ego (Mehmet Ateşçi) auf die Bühne: ein Schriftsteller, der sich im Gelsenkirchen der Gegenwart gleichermaßen mit seiner Geschichte, seinen Wurzeln, seiner Stellung im Literaturbetrieb mit diversen Wurzeln sowie der Rolle als Vater, Haus- und Ehemann auseinanderzusetzen versucht – während seine bessere Hälfte (Cennet Rüya Voß) eigene Vorstellungen vom Zusammen- und Familienleben hat. „Ich hatte immer ein Herz für Performancekunst. Aber jetzt ist meine Geduld am Ende“, blafft sie den sinnsuchenden Gatten an.

An der Seite eines sprechenden Halbpferdes (Alexander Angeletta) und der Verkörperung von Osmans Traum (Melanie Kretschmann) versucht der überforderte Autor auf einer Reise durch die Vergangenheit Sinn in das Hier und Jetzt zu bringen – was ihm nur bedingt gelingt.

Ein Vaterland kann man erst lieben, wenn es weg ist.
aus „Akins Traum“

Am Ende trifft er auf die 106-jährige, letzte osmanische Prinzessin (Margot Gödrös in einem berührenden Auftritt im Rollstuhl), die am 3. März 1924, als Atatürk die moderne Türkei begründete, ihre türkische Heimat verlassen musste. „Ein Vaterland kann man erst lieben, wenn es weg ist“, gibt sie dem Autor mit auf den Weg.

Das ist ein ziemlich großer Brocken an Geschichte und Gesellschaftsanalyse, den Șipal mit dieser Auftragsarbeit des Schauspiels dem Publikum vor die Füße rollt. Und während die historischen Sequenzen mit ihrer Kombi aus Fakten und Fun faszinieren, so lassen die sich bisweilen in Tiraden steigernden Reflexionen des Alter Egos des Autors etwas ratlos zurück.

Das Ensemble unter Bachmanns kluger Regie macht daraus einen mitreißenden Theaterabend. Wie auch die bereits Genannten wechseln auch Bruno Cathomas, Stefko Hanushevsky, Seán McDonagh und Kais Setti mehrfach die Rollen.

Jubel und Bravi bei der Premiere

Von Adriana Braga Peretzki in schillernde Kostüme gesteckt, agieren sie mit großer Lust am Spiel, magisch in Szene gesetzt auf Olaf Altmanns ansonsten leerer Bühne von LED-Leuchten, die auf und ab bewegt werden können. Die Live-Musik von Komponist Sven Kaiser und seinen Musikern ist mal Soundtrack, mal Taktgeber, dämpft dabei aber hier und dort die Textverständlichkeit.

Aber an diesem Punkt ist man längst darüber hinaus, die einzelnen Mehmeds, Murads oder Selims auseinanderhalten zu wollen und lässt sich gerne ein auf diesen Wirbel aus Sinn und Sinnlichkeit, den Stefan Bachmann einmal mehr – und leider, leider ein letztes Mal – auf der Bühne des Depot 1 entfacht. Jubel und Bravi des Premierenpublikums, denen man sich mehr als gerne anschließen mag.

Zwei Stunden (ohne Pause). Wieder am 29.2., 3. und 16. März sowie weitere Termine im April.

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