Die Parade in Peking liefert seltene Einblicke in die Gespräche der beiden Autokraten, die ihren Machterhalt bereits vorbereitet haben. Insbesondere Moskau setzt auf Forschung für ein ewiges Leben.
Forever young?Wie Putin und Xi vor laufenden Mikrofonen über Unsterblichkeit plauderten

Kremlchef Wladimir Putin und Chinas Präsident Xi Jinping gehen in Begleitung von Dolmetschern zur Militärparade in Peking. Auf dem Weg zeichneten Mikrofone ein Gespräch der beiden Autokraten auf. (Archivbild)
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Der Wunsch nach einem ewigen Leben ist wahrlich keine Neuheit in der Menschheitsgeschichte – da waren Sagen über magische Brunnen, deren Wasser ewige Jugend und Gesundheit verleihen. Oder Gilgamesch, der sich auf die Suche nach dem Kraut der Jugend gemacht haben soll. „I want to be forever young“, ließen auch Alphaville wissen und Queen fragten weniger später zurück: „Who Wants To Live Forever?“
Wladimir Putin und Xi Jinping offenbar schon.
Darauf deutet nun zumindest eine zufällig von Journalisten mitgeschnittene Plauderei zwischen dem Kremlchef und dem chinesischen Präsidenten hin. Bei der in englischsprachigen Blättern als „Hot-Mic-Moment“ bezeichneten „Mikrofon-Panne“ bekam die Welt die Hoffnungen der beiden Staatschefs auf ein möglichst langes, wenn nicht sogar gleich ewiges Leben mehr oder weniger brühwarm zu hören.
„Hot-Mic-Moment“: Putin und Xi sagen Ja zum ewigen Leben
Die Aufnahmen mit den entscheidenden Wortfetzen entstanden, als Xi, Putin, der nordkoreanische Diktator Kim Jong-un und ihre Dolmetscher sich auf den Weg machten, um der Parade zum 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs beizuwohnen, mit der China die Kapitulation Japans feiert. „Die Leute wurden selten älter als 70, aber heutzutage ist man mit 70 noch ein Kind“, hört man übereinstimmenden Berichten zufolge zunächst den Übersetzer von Xi auf Russisch sagen. Auch Putins Antwort übersetzt der Dolmetscher auf für Xi auf Mandarin.
„Die Biotechnologie macht Fortschritte“, entgegnete der Kremlchef demnach. „Es wird ständig menschliche Organtransplantationen geben, und vielleicht werden die Menschen mit zunehmendem Alter sogar jünger – und erlangen sogar Unsterblichkeit.“ Der chinesische Präsident stimmte zu. „Es könnte sein, dass die Menschheit in diesem Jahrhundert 150 Jahre alt wird“, hört man Xi sagen, bevor die Aufnahme endet.
Kremlchef bestätigt Gespräch über „moderne Gesundheitsmethoden“
Bei einer Pressekonferenz bestätigte Putin später das Gespräch auf Nachfrage von Reportern. „Moderne Gesundheitsmethoden“ machten der Menschheit Hoffnung darauf, dass „die Lebenserwartung deutlich steigen wird“, erklärte der Kremlchef. Dazu müssten auch „medizinische Mittel, auch chirurgische, im Zusammenhang mit Organtransplantationen“ gezählt werden, sagte Putin einem Reporter.

Wladimir Putin im Gespräch mit Nordkoreas Diktator Kim Jong-un in Peking.
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Dem Kremlchef wird bereits lange ein Interesse für die Steigerung der menschlichen Lebenserwartung nachgesagt. „Die Erhöhung der Lebenserwartung und ein aktives langes Leben sind zentrale Prioritäten der staatlichen Politik“, hatte Putin etwa im April 2024 dem russischen Gesundheitsministerium aufgetragen. „Daher ist es wichtig, der Prävention und Behandlung von Krankheiten weiterhin große Aufmerksamkeit zu schenken, auch unter Einsatz modernster Hightech-Methoden“, forderte Putin, dem sich während der Corona-Pandemie kaum jemand nähern durfte.
Erhöhung der Lebenserwartung ist für Putin eine „zentrale Priorität“
Das Ministerium habe daraufhin drastisch den Druck auf russische Forschungsinstitute erhöht, berichtete das russische Exil-Medium Meduza. Vor allem Forschung zur „Zellalterung“ des „Alterungsprozess“ und „neuer medizinischer Technologien“ sei von den Wissenschaftlern eingefordert worden. „Es kam mir vor, als wäre der Brief erst heute angekommen und die Frist wäre gestern gewesen“, zitierte Meduza einen bei der betroffenen Forscher. „Ehrlich gesagt, habe ich so etwas noch nie erlebt.“
Putin, darauf deutet alles hin, scheint es ernst zu sein mit der Forschung für ein möglichst langes Leben – bis hin zur Unsterblichkeit. Den Recherchen von Meduza zufolge hat der Kremlchef mit Michail Kowaltschuk einen langjährigen Vertrauten mit der Langlebigkeitsforschung betraut.
Der Freund Putins sei „von Unsterblichkeit besessen“, zitierte das Exil-Medium aus Kremlkreisen. Insider bestätigten zudem die Freundschaft zwischen Putin und Kowaltschuk, der in „Organdrucktechnologie“ investiert haben soll.
Auf der Suche nach dem ewigen Leben: Putins Tochter forscht mit
Auch Putins älteste Tochter, Maria Woronzowa, ist in das russische Streben nach Unsterblichkeit eingebunden – und das offenbar schon lange. Die Endokrinologin erhielt millionenschwere Zuschüsse des Kremls, um die Zellerneuerung und Möglichkeiten zur Erhöhung der Lebenserwartung zu erforschen. Als die USA nach Kriegsbeginn Sanktionen gegen sie verhängten, erklärte das Moskauer Außenministerium, Putins Tochter leite vom Kreml finanzierte Genetik-Forschungsprogramme im Wert von mehreren Milliarden US-Dollar.
Im August 2024, wenige Monate nach Putins Drängen auf intensivere Forschung, verkündete der russische Atomkonzern Rosatom schließlich, bis 2030 wolle man „Technologie zum Drucken menschlicher Organe“ beherrschen – ein „Biodrucker“ sei Putin bereits vorgeführt worden, hieß es weiter in einer Pressemitteilung.
Keine Belege für Putins These über Organtransplantationen
Einen Beweis dafür, dass Organtransplantationen das Leben eines Menschen verlängern kann, gibt es unterdessen nicht. Auch das menschliche Gehirn, das ebenfalls altersbedingte Veränderungen durchläuft, ist nicht ersetzbar. Der Kremlchef sieht Transplantationen aber offenbar als einen Schlüssel zu einem langen Leben, wie erst die Wortfetzen im Gespräch mit Xi und die spätere Pressekonferenz belegten.

Xi Jinping bei einem Empfang im Anschluss an eine Militärparade zum 80. Jahrestag der Kapitulation Japans im Zweiten Weltkrieg.
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Während Putins Interesse an einem möglichst langen Leben verbrieft ist, hat Xi bisher öffentlich kaum über eine möglichst hohe Lebenserwartung gesprochen, zumindest nicht direkt. Andeutungen, dass er noch eine Zeit lang an der Macht und somit auch am Leben bleiben möchte, hat es jedoch auch vom chinesischen Machthaber bereits gegeben.
„Wir alle hoffen, dass die älteren Menschen gut versorgt werden, glücklich sind und bei guter Gesundheit ein hohes Alter erreichen“, zitierte die „New York Times“ den chinesischen Staatschef.
Wladimir Putin und Xi Jinping bereiten Machterhalt vor
Beide Präsidenten sind 72 Jahre alt – und beide haben Vorkehrungen getroffen, um sich möglichst lange in ihren Staaten an der Macht halten zu können. Xi beendete die Amtszeitbeschränkung des Präsidenten und könnte somit 2027 eine vierte Amtszeit an der Spitze Chinas antreten.
Putin hat ebenfalls bereits 2020 eine Änderung der russischen Verfassung in die Wege geleitet, die es ihm ermöglichen würde, bis 2036 zu regieren, dann wäre der Kremlchef 83 Jahre alt. Welche Fortschritte die Unsterblichkeitsforschung bis dahin gemacht haben wird, bleibt offen. Alphaville ließen unterdessen bereits 1984 im Text von „Forever Young“ wissen: „The music’s played by the madmen.“