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US-Strategie löst Politik-Beben aus„Wir brauchen eine EU mit einem großen Arsenal an Atomwaffen“

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US-Präsident Donald Trump und seine US-Regierung haben eine neue Sicherheitsstrategie veröffentlicht – und damit in Europa ein politisches Erdbeben ausgelöst. (Archivbild)

US-Präsident Donald Trump und seine Regierung haben eine neue Sicherheitsstrategie veröffentlicht – und damit in Europa ein politisches Erdbeben ausgelöst. (Archivbild)

Die neue US-Sicherheitsstrategie stößt in Moskau auf viel Gegenliebe. Europa zeigt sich schockiert. Auch in den USA gibt es Kritik an Trump.

Die am vergangenen Freitag veröffentlichte neue Sicherheitsstrategie der USA sorgt für scharfen Gegenwind in Europa. Europa könne die „Androhung einer Einmischung in das politische Leben Europas“ nicht akzeptieren, sagte etwa EU-Ratspräsident Antonia Costa am Montag bei einer Veranstaltung des Jacques-Delors-Instituts in Brüssel. Die USA könnten nicht stellvertretend für die europäischen Bürger entscheiden, „welches die guten Parteien und die schlechten Parteien sind“, fügte Costa hinzu.

Die US-Regierung rund um Präsident Donald Trump hatte zuvor in ihrer neuen nationalen Sicherheitsstrategie eine umfassende außenpolitische Neuausrichtung angekündigt. Mit den europäischen Verbündeten wird in dem Papier hart ins Gericht gegangen, unter anderem wegen ihrer Migrationspolitik und einer angeblichen Unterdrückung der Meinungsfreiheit. Russland wird im Gegensatz zu früheren US-Sicherheitsstrategien kaum erwähnt.

EU äußert scharfe Kritik an neuer US-Sicherheitsstrategie

Die USA wollen demnach künftig den „Widerstand“ etwa durch rechtsgerichtete Parteien gegen den aktuellen politischen Kurs Europas unterstützen. In dem Papier wird vor einer „zivilisatorischen Auslöschung“ Europas, insbesondere durch „Masseneinwanderung“ gewarnt. Somit spiegelt sich in dem Dokument der Trump-Regierung die ideologische Annäherung zwischen der rechten „MAGA“-Bewegung in den USA und rechten und rechtsradikalen Parteien in Europa wider.

Parteien wie die deutsche AfD haben bereits in der Vergangenheit Unterstützung von der US-Regierung erhalten, vornehmlich von Vizepräsident J. D. Vance und dem ehemaligen Regierungsmitarbeiter Elon Musk.

„Wir haben unterschiedliche Anschauungen, aber das geht zu weit“

„Wir haben unterschiedliche Weltanschauungen, aber das geht zu weit“, sagte Costa zu der Europa-Schelte in dem US-Strategiepapier. Unter Verbündeten „respektiert man die Souveränität des jeweils anderen“. Die USA blieben ein wichtiger Verbündeter und Wirtschaftspartner, „aber unser Europa muss souverän sein“.

Deutliche Worte kamen unterdessen auch von CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen. Die neue Sicherheitsstrategie der USA bedroht nach Röttgens Einschätzung die Existenz der EU. „Die neue außenpolitische Positionierung der USA ist eine zweite Zeitenwende“, sagte der Unionsfraktionsvize dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Erstmals seit dem Ende des Zweiten Weltkrieg stehen die USA nicht mehr an der Seite der Europäer“, sagte Röttgen.

Norbert Röttgen sieht EU-Existenz durch US-Strategie bedroht

Die USA definierten es auch als außenpolitisches Ziel, sich in die inneren Angelegenheiten der europäischen Staaten einzumischen. „Ziel ist, unsere innere Verfassung nach den gegenwärtigen ideologischen Vorgaben der ‚MAGA‘-Bewegung zu beeinflussen und zu diesem Zweck mit den inneren Feinden der liberalen Demokratie in Europa zusammenzuarbeiten – in Deutschland ist das die AfD“, erklärte der CDU-Politiker und fügte hinzu: „Wenn diese Strategie Erfolg hätte, würde es die EU nicht mehr geben.“

Auch andere europäische Politiker fanden deutliche Worte für das US-Dokument. Die US-Regierung positioniere sich damit „rechts vom extremen rechten Flügel in Europa“, schrieb etwa der ehemalige schwedische Ministerpräsident Carl Bildt bei X. „Ihre Sprache kennt man sonst nur aus den bizarren Köpfen des Kremls“, fügte er hinzu.

Dänischer Politiker fordert Atomwaffen für Europa

Rasmus Jarlov, der Vorsitzende des dänischen Verteidigungskomitees, brachte unterdessen ein deutliches Umdenken in Europa angesichts der jüngsten Attacken aus den USA und Russland ins Spiel. „Wir brauchen eine Europäische Union mit einem großen Arsenal an Atomwaffen“, schrieb Jarlov bei X, auch mit Blick auf die Angriffe von Tech-Milliardär Elon Musk in Richtung der EU am Wochenende. 

Auch in den USA gibt es unterdessen scharfe Kritik an der neuen Strategie der US-Regierung. „Der glücklichste Mensch auf Welt ist Wladimir Putin angesichts dieser Strategie, weil sie Europa der russischen Einflusssphäre überlässt“, sagte etwa der ehemalige Befehlshaber der US-Armee in Europa, Ben Hodges, im Gespräch mit Channel 4 News.

Ex-US-General spricht von „riesigem Mittelfinger an Europa“

Europa müsse nun alles dafür tun, dass die Ukraine den Krieg nicht verliere, erklärte der ehemalige Top-General. „Wenn die Ukraine fällt, wird es ansonsten bald zu einem Krieg zwischen Russland und Europa kommen“, warnte Hodges, der das US-Dokument als „riesigen Mittelfinger an Europa“ bezeichnete. 

„Unsere neue nationale Sicherheitsstrategie klingt wie unsere Außenpolitik der 1930er Jahre“, schrieb der republikanische Kongressabgeordnete Don Bacon auf der Plattform X. „Die meisten Amerikaner wünschen sich eine starke Rolle der USA in der Nato und wissen, dass China, Russland und Iran unsere Gegner sind.“

Trumps Kurs widerspricht Umfragen in den USA

Tatsächlich zeigen jüngste Umfrageergebnisse, dass die Amerikaner mit großer Mehrheit nicht mit dem Kurs der US-Regierung hinsichtlich Russland und dem Krieg gegen die Ukraine übereinstimmen. Einer Erhebung des Reagan Institutes zufolge betrachten 79 Prozent der Amerikaner Russland als Feind. 64 Prozent sprechen sich zudem für Waffenlieferungen an die Ukraine aus – so viele wie noch nie seit Kriegsbeginn.

Entsprechend deutlich fällt auch bei den Demokraten die Kritik aus. Die neue US-Strategie „stecke voller beunruhigender Ideen, die einen Angriff auf die Freiheit und die individuelle Freiheit im In- und Ausland darstellen würden“, schrieb der Kongressabgeordnete Jason Crow. „Sie wollen, dass Amerika kleiner, schwächer und verletzlicher wird.“

Jubel in Moskau: „Trump ist nicht mehr ihr Daddy“

„Verbündete werden im Stich gelassen, die Ukraine wird geopfert, wichtige strategische Ziele und grundlegende Werte werden aufgegeben“, schrieb auch der demokratische Senator Richard Blumenthal. „Das wird Amerika schwächen, nicht sicherer machen. ‚America first‘ bedeutet ‚America alone‘, und wir werden den Preis dafür zahlen“, fügte Blumenthal hinzu. 

Demonstratives Lob für Washington kam dagegen aus Moskau: Die neue US-Sicherheitsstrategie unterscheide sich „grundlegend von ihren Vorgängern“, sagte Kreml-Sprecher Peskow am Sonntag im staatlichen russischen TV-Sender Rossija. „Die Anpassungen, die wir beobachten, stehen weitgehend in Übereinstimmung mit unserer Vision.“

Auch die russischen Staatsmedien zeigten sich zu Wochenbeginn begeistert von Trumps neuem Strategiepapier. „Die russischen Zeitungen lieben heute die neue nationale Sicherheitsstrategie der USA“, berichtete der BBC-Korrespondent Steve Rosenberg am Montag. Eine russische Zeitung kommentierte die Auswirkungen auf Europa nach Rosenbergs Angaben süffisant: „Trump ist nicht mehr ihr Daddy.“