45 Jahre arbeitenCDU will individuelles Rentenalter einführen

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Berlin – Die CDU will das einheitliche gesetzliche Rentenalter nach 2030 abschaffen und individuell anpassen. „Gewonnene Lebenszeit muss zur Erhaltung der Generationengerechtigkeit zum Teil in Erwerbstätigkeit verbracht werden“, heißt in einem Beschluss des zuständigen Bundesfachausschusses der CDU zur Rentenpolitik. Zu prüfen sei, wie gewonnene Lebenszeit künftig ausgewogen auf Erwerbs- und Rentenphase aufgeteilt werden könne. Anstatt eines fixen Rentenalters solle abhängig von den „unterschiedlichen sozialen Lebenssituationen“ sowie der weiteren Entwicklung der Lebenserwartung ein „individueller Übergang in die Rente“ ermöglicht werden.
45 Versicherungsjahre sind entscheidend
In dem Beschluss wurden frühere, konkretere Pläne an mehreren Stellen abgeschwächt. So hatte es im Entwurf geheißen, für eine abschlagsfreie Rente nach 2030 sollten 45 Versicherungsjahre maßgeblich sein. Dieses Kriterium nennt die Union nun nicht mehr. Allerdings erklärte Kai Whittaker, einer der beiden Vorsitzenden des Bundesfachausschusses: „Wir wollen das Rentenalter individuell anpassen. Eine Neiddiskussion erwarte ich nicht, weil wir dabei nicht nach Berufen oder Branchen unterscheiden wollen, sondern uns beispielsweise an der Zahl der Versicherungsjahre orientieren wollen. Die Versicherungsdauer soll auch entscheidend für das künftig individuelle Rentenniveau sein.“ Die Pläne sollten die Grundlage für eine große Rentenreform in der kommenden Wahlperiode sein, so Whittaker.
Auch „Doppelrente“ soll geprüft werden
Die Reformpläne sind jedoch höchst umstritten. Sozialverbände und Opposition kritisierten den Beschluss. Viele Bürger tun sich schon schwer damit, die Rente mit 67 zu akzeptieren, die von 2030 an für alle Neu-Rentner gilt. Da sich die Zahl der Rentner im Verhältnis zur Zahl der Beitragszahler jedoch nach 2030 weiter deutlich verschlechtern wird und die Lebenserwartung pro Geburtsjahrzehnt um etwa 1,5 Jahre zunimmt, ist eine Rentenreform nicht nur aus Sicht der Union unerlässlich. Auch Rentenexperten weisen die Regierung immer wieder darauf hin.
Um die Rente langfristig finanzierbar zu machen, will die Union künftig auch auf Kapitalerträge setzen. Die Bundesregierung solle eine „Doppelrente“ prüfen. Neben der beitragsfinanzierten Rente solle es eine weitere Zahlung aus einem neuen Rentenfonds geben, der als Körperschaft öffentlichen Rechts unter den Dach der Rentenversicherung eingerichtet werden soll. Der Fonds soll eine Kapitalanlage aufbauen und betreuen. Im Entwurf hatte die Union noch vorgesehen, dass ein Beitrag von 2,5 Prozent des Bruttolohns für die Kapitalanlage in den Fonds fließen sollen, diese Passage entfiel. Die Idee der „Doppelrente“ ist angelehnt an frühere Vorschläge der Grünen für eine Deutschlandrente.
Einbeziehung der Beamten vom Tisch
Im Beschluss sieht die CDU wieder davon ab, Beamte und Selbstständige ab 2030 in die Rentenversicherung einzubeziehen. „Unsere Aufgabe war, ein Konzept zur langfristigen Finanzierbarkeit der Rente nach 2030 zu entwickeln. Die Einbeziehung der Beamten hätte die Finanzierbarkeit nicht vergrößert“, sagte Whittaker. „Die Versorgungssysteme von Rentenversicherten und Beamten sind so unterschiedlich, dass sich die klare Mehrheit im Ausschuss gegen den Umbau ausgesprochen hat.“
Für Geringverdiener will die Union schon in der kommenden Legislaturperiode eine verbindliche betriebliche und private Altersvorsorge einführen. Mini-Jobber sollen künftig nicht mehr die Option haben, keine Beiträge in die Rentenversicherung zu zahlen. Die Flexi- oder Teilrente will die Union durch nochmals verbesserte Hinzuverdienstmöglichkeiten attraktiver machen. Bezieher der Grundsicherung im Alter sollen „in ihrem Wohneigentum bleiben und eine angemessene Notlagenreserve behalten können“.
Scharfe Kritik an den Plänen
Der Sozialverband VdK kritisierte die Rentenpläne der CDU jedoch scharf. „Die Abschaffung des einheitlichen Rentenalters ist de facto für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nichts anderes als eine Rentenkürzung“, sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele. „Bereits heute schaffen es viele Menschen nicht, bis 67 im Beruf zu bleiben, weil sie sich vorher kaputt gearbeitet haben.“ Auch der Idee, die gesetzliche Rentenversicherung in ein Mischsystem aus Umlage und Kapitalanlage umzubauen, erteilte Bentele eine Absage: „Gerade in der Corona-Krise zeigt sich einmal mehr, dass sich das Umlagesystem bewährt hat - ganz im Gegensatz zu kapitalgedeckten Formen der Alterssicherung wie die Riester-Rente.“
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Auch die Grünen reagierten skeptisch. „Die Einbeziehung weiterer Beschäftigtengruppen in die gesetzliche Rentenversicherung oder die Ermöglichung einer abschlagsfreien Rente nach 45 Versicherungsjahren wären durchaus diskussionswürdige Ansätze gewesen“, sagte Rentenpolitiker Markus Kurth. Er lehnte die Mischversicherung aus Umlage und Kapitaldeckung ab. „Dieser Schritt würde die gesetzliche Rentenversicherung erkennbar gefährden und das Niveau der Rente den Risiken des Aktienmarktes ausliefern.“
FDP-Sozialpolitiker Johannes Vogel forderte die Union auf, zunächst falsche Schritte in der Vergangenheit zu korrigieren. „Jetzt gleichsam mit Krokodilstränen an einen fairen Lastenausgleich zwischen den Generationen zu erinnern ist angesichts der Rentenpolitik von Union und SPD schon ein starkes Stück“, sagte Vogel. Er verwies damit auf die Rente mit 63, die Mütterrente und die Grundrente, die die Ausgaben der Rentenversicherung massiv zu Lasten jüngerer Generationen erhöhen.