Der Konflikt zwischen Thailand und Kambodscha ist eskaliert. Das hat Folgen für Kambodschas meistbesuchtes Reiseziel.
WeltkulturerbeThailand wirft Bomben über Kambodscha ab – Touristen meiden Angkor Wat

Die Tempelanlagen von Angkor Wat im Sonnenaufgang: Normalerweise strömen die Touristen aus aller Welt scharenweise zum Weltkulturerbe.
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Seit rund zwei Wochen gibt es wieder heftige Kämpfe in der Grenzregion zwischen Thailand und seinem östlichen Nachbarn Kambodscha. Nachdem es im Juli bereits zu bewaffneten Konflikten gekommen war, konnte unter Vermittlung von US-Präsident Donald Trump im Oktober eine Waffenruhe erzielt werden. Aber bereits kurz darauf flammten wieder Gefechte auf.
Im Dezember eskalierte die Situation dann: Rund 800.000 Menschen auf beiden Seiten der Grenze mussten ihre Heimat verlassen, mehr als 30 Menschen wurden getötet, unter ihnen auch Zivilisten. Nun droht insbesondere Kambodscha ein immenser wirtschaftlicher Schaden, da auch unweit der Ruinen von Angkor Wat Operationen des thailändischen Militärs stattfinden. Das Unesco-Weltkulturerbe ist das Ziel von jährlich mehr als einer Million Touristen, die jetzt ausbleiben könnten.
Beide Staaten weisen jeweils der Gegenseite die Schuld an dem Konflikt zu. Ausgangspunkt des bereits seit Jahrzehnten schwelenden Streits ist der Grenzverlauf – in diesem Bereich befinden sich zudem einige für beide Länder kulturell bedeutende architektonische Stätten wie die Tempel Prasat Preah Vihear und Prasat Ta Muen Thom. Die Grenzziehung erfolgte durch Kambodschas ehemalige Kolonialmacht Frankreich im Jahr 1907 und wurde von Thailand niemals anerkannt. Die Grenze zwischen Thailand und Kambodscha ist rund 800 Kilometer lang.
Thailand greift Kambodscha mit Kampfflugzeugen an
Die kambodschanische Regierung rief bereits in den fünfziger Jahren den Internationalen Gerichtshof in Den Haag an und bekam Recht. Darauf beruft sich die Regierung in Phnom Penh bis heute.
Zudem wirft Kambodscha Thailand vor, den Konflikt auch abseits der eigentlichen Grenzregion bewusst eskalieren zu lassen: F-16-Kampfjets warfen offenbar Bomben in den Provinzen Oddar Meanchey und Siem Reap ab, und dies rund 70 Kilometer im Landesinneren. Es wurde Infrastruktur getroffen, es wurde eine Brücke zerstört. Ganz in der Nähe befindet sich ein Camp für Binnengeflüchtete. Videos in den sozialen Medien zeigen auch Schulkinder, die vor nahen Explosionen in der Provinz Banteay Meanchey fliehen.
Thailand bestätigte diesen Einsatz seiner Kampfjets nicht, wohl aber die Bombardierung des Grenzübergangs von Poipet im Westen Kambodschas am Donnerstag (18. Dezember). Bangkok erklärte, ein Raketenarsenal in Poipet zerstört zu haben. Zudem verweist Thailand immer wieder auf angebliche Landminen, die Kambodscha an der Grenze verlegen würde.

Kambodschanische Evakuierte leben in behelfsmäßigen Zelten in der Stadt Serei Saophoan, Provinz Banteay Meanchey.
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Während die Regierungen beider Staaten sich gegenseitig beschuldigen, wächst innerhalb der kambodschanischen Bevölkerung die Angst vor einem weiteren Vorrücken von Thailands Armee, es ist bereits von einer Invasion die Rede. Dafür ist die Unterstützung der Streitkräfte groß und die Solidarität mit den aus der Grenzregion Vertriebenen riesig, überall im Land werden Geld, Lebensmittel und Kleidung gesammelt und zu den Bedürftigen gebracht.
Klar ist: Das wesentlich kleinere und ärmere Kambodscha hat mehr in dem Konflikt zu verlieren als Thailand. Das kambodschanische Militär verfügt über keinerlei Kampfjets, seine Armee ist nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters halb so groß wie die Thailands und nicht annähernd so modern ausgestattet. Thailand wird von den USA als wichtiger Nato-Verbündeter angesehen, sein Verteidigungshaushalt ist mehr als viermal so hoch wie der Kambodschas.
Angkor Wat gilt als sicher
Kambodscha leidet noch immer unter dem Trauma des Genozids der Roten Khmer, deren Terrorregime von 1975 bis 1979 andauerte und dem vermutlich ein Viertel der Bevölkerung zum Opfer fiel. Der sich anschließende Bürgerkrieg endete erst 1998. Langsamer als beispielsweise der östliche Nachbar Vietnam kommt Kambodscha wirtschaftlich voran, und der Konflikt mit Thailand bedroht nun auch den Tourismus.
Thailändische Bomben fielen rund 80 Kilometer von der Stadt Siem Reap und den Tempelanlagen von Angkor Wat entfernt. Für diesen Bereich gibt es bislang keine Reisewarnung, auch nicht des Auswärtigen Amtes. Dennoch ändern viele Asien-Touristen ihre Pläne. Laut „Nikkei Asia“ gibt es einen deutlichen Rückgang der Besucherzahlen seit dem Aufflammen der Spannungen in diesem Jahr. Der Wert lag von Juni bis November um 20 Prozent unter den Zahlen des gleichen Zeitraums im Jahr 2024.
Tourismusministerium und Reiseveranstalter bemühen sich derweil, potenziellen Besuchern zu versichern, der Konflikt sei weit genug von den Sehenswürdigkeiten in Siem Reap, Phnom Penh und anderen wichtigen Zentren entfernt.

