Bischöfin„Kriminalisierung von Klimaaktivisten ist moralisch nicht in Ordnung“

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Ein Aktivist der Gruppe „Letzte Generation“ hat sich in Göttingen festgeklebt. (Archivbild)

Ein Aktivist der Gruppe „Letzte Generation“ hat sich in Göttingen festgeklebt. (Archivbild)

Die badische Landesbischöfin Heike Springhart hat sich zu den Protestaktionen der Aktivisten von „Letzte Generation“ geäußert. Sie spricht von „Verzweiflung junger Menschen“.

Die evangelische Theologin Heike Springhart sagte der Zeitung „Mannheimer Morgen“ in einem Interview, sie sehe die Verzweiflung junger Menschen, die hinter den Aktionen der „Letzten Generation“ stehe. Auch wenn einige Aktionen wie die Blockade von Flughafen-Rollbahnen nicht legal seien, sprach sich Sprinhart gegen eine pauschale Verurteilung der Protestierenden aus. „Medial werden Klimaaktivisten häufig auf eine Weise kriminalisiert, die moralisch nicht in Ordnung ist. Wir müssen alle für ein gesellschaftliches Klima sorgen, dass diese Themen nicht in populistischen Schwarz-Weiß-Debatten münden“, so die Bischöfin.

Trotz ihres Verständnisses für die Belange des Klimaschutzes sagte Springhart auch, sie sei gegen das von der EKD-Synode unlängst beschlossene Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen für Bischöfe und leitende Pfarrer. Dies sei nicht zielführend, sondern letztlich Symbolpolitik. „Wir sollten uns nach wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren, und da sind circa 120 oder 130 km/h mit Blick auf die Emissionen das deutlich sinnvollere Tempo“, so Springhart.

Über die Aktionen der sogenannten „Klima-Kleber“ ist in den vergangenen Wochen eine kontroverse Diskussion in Deutschland entbrannt. Die Blockade von Hauptverkehrsachsen und auch Rollbahnen der Flughäfen in Berlin oder München hatte viele Menschen erbost, und auch aus der Politik kamen Rufe nach härteren Strafen. Insbesondere Unionspolitiker fordern dies, und CSU-Politiker Alexander Dobrindt hatte sogar von einer „Klima-RAF“ gesprochen. Er rückte die Klima-Aktivisten damit in die Nähe einer Terrorgruppe. 

Durchsuchungen bei Mitgliedern von „Letzte Generation“

Am Dienstag hatte es dann Razzien bei einigen Mitgliedern der Gruppe „Letzte Generation“ gegeben. Polizei und Staatsanwaltschaft durchsuchten elf Wohnungen und Räume in mindestens sechs Bundesländern. Grund seien mehrere Attacken von Klimaaktivisten auf Anlagen der Raffinerie PCK Schwedt, sagte Staatsanwalt Cyrill Klement im brandenburgischen Neuruppin am Dienstag. Dabei sei unter anderem die Ölzufuhr unterbrochen worden.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Störung öffentlicher Betriebe und des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Brandenburgs Justizministerin Susanne Hoffmann (CDU) erklärte am Dienstag: „Eine Gruppierung, die gemeinschaftlich darauf ausgerichtet ist, planmäßig Straftaten zu begehen, erfüllt den Tatbestand einer kriminellen Vereinigung, auch wenn die Straftaten einem vermeintlich höherwertigen Ziel dienen sollen.“

CDU-Chef Friedrich Merz lobte das Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden und nannte die Aktion gegen die Klima-Aktivisten bei Twitter in einem Atemzug mit den Razzien im „Reichsbürger“-Milieu vor einigen Tagen. Der Rechtsstaat müsse gegen die „Letzte Generation“ „Zähne zeigen“, so Merz. Dies hatte dem CDU-Chef Kritik eingebracht, denn viele sind der Meinung, dass die Verteidigung der Klimaziele nicht mit Umsturzversuchen von Rechtsextremisten zu vergleichen sind.

Linken-Chef Schirdewan gegen Kriminalisierung der „Klima-Kleber“

Auch andere Stimmen aus der Politiker halten das Vorgehen gegen die Klima-Aktivisten für überzogen. Linken-Chef Martin Schirdewan sagte, sich mit zivilem Ungehorsam für die eigene Überzeugung einzusetzen sei noch keine organisierte Kriminalität – selbst wenn er persönlich nicht alle Aktionen gutheiße.

Die „Letzte Generation“ selber sprach von einem „Einschüchterungsversuch“, der sie nicht stoppen werde. „Wir stehen mit Gesicht und Namen für das, was wir tun – wenn der Wunsch nach Informationen besteht, braucht es keine Hausdurchsuchung.“  Die Regierung versuche, den Protest der Gruppe zu kriminalisieren, sagte Carla Hinrichs, Sprecherin der „Letzten Generation“, am Dienstagabend bei einer Solidaritäts-Demonstration in Berlin-Kreuzberg. Auch bei Hinrichs hatte es eine Durchsuchung gegeben. (cme, mit kna und dpa)

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