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Bürgergeld für UkrainerForscher warnen vor integrationspolitischem Rückschritt

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Experten warnen: Eine Kürzung des Bürgergelds für Ukraine-Geflüchtete könnte deren Integration erschweren. Studien zeigen klare Risiken auf. (Archivbild)

Experten warnen: Eine Kürzung des Bürgergelds für Ukraine-Geflüchtete könnte deren Integration erschweren. Studien zeigen klare Risiken auf. (Archivbild)

Arbeitsmarktforscher und das Ifo-Institut warnen: Kürzungen beim Bürgergeld könnten die Integration von Geflüchteten aus der Ukraine gefährden.

Geflüchtete aus der Ukraine sollten nach Ansicht führender Arbeitsmarktforscher weiterhin Anspruch auf Bürgergeld haben. Wenn sie in die Förder- und Forderstruktur der Jobcenter eingebunden seien, helfe das bei der Integration in den Arbeitsmarkt, sagte Herbert Brücker, Leiter des Forschungsbereichs Migration, Integration und internationale Arbeitsmarktforschung am Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung dem Bayerischen Rundfunk laut Mitteilung des Senders am Dienstag. Auch eine Studie des Münchner Ifo-Institut warnt vor langfristigen Auswirkungen, sollte staatliche Hilfe gekürzt werden.

Den Vorschlag des Bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), Ukrainern das Bürgergeld zu entziehen, bezeichnete Brücker demnach als „Schnellschuss, der nicht zum Ziel führen wird“. Söder hatte gefordert, dass Geflüchtete stattdessen Geld nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten sollten.

Keine Neiddebatte entstehen lassen

„Wenn die Menschen in die Jobcenter integriert sind, dann müssen sie sich zu Sprachkursen melden, daran teilnehmen, an Qualifizierungsmaßnahmen teilnehmen, sich der Arbeitsvermittlung stellen, Bewerbungen schreiben“, so Brücker. „Und wenn sie das nicht tun, kann es auch sanktioniert werden.“ Wenn sie hingegen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz unterstützt würden, seien sie bei den Kommunen angesiedelt und müssten von sich aus zu den Arbeitsagenturen finden. „Nach unserer Forschung passiert das sehr selten“, so Brücker.

Besonderes Augenmerk müsse auch auf die Betreuungssituation gelegt werden, so Brücker weiter – viele der geflüchteten Ukrainer seien Frauen mit Kindern. Zudem warnte Brücker vor einer Neiddebatte, wenn die Diskussion um das Bürgergeld auf dem Rücken der Ukrainer ausgetragen werde. Die Forschung habe gezeigt, dass deren große Mehrheit in Deutschland sehr motiviert sei, zu arbeiten.

Ifo-Institut: Arbeit ist wichtiger

Auch das Münchner Ifo-Institut warnt vor einer Kürzung staatlicher Leistungen. In einer Studie mit rund 3.300 Befragten zeige sich, dass Arbeitschancen und passende Löhne für Geflüchtete aus der Ukraine deutlich wichtiger seien als die Höhe staatlicher Unterstützung. „Die Aussicht auf einen Arbeitsplatz, der zur eigenen Qualifikation passt, und ein höheres Lohnniveau haben einen deutlich stärkeren Effekt auf die Entscheidung der Geflüchteten, in welches Land sie gehen, als Sozialhilfen oder andere staatliche Leistungen“, sagte Panu Poutvaara, Leiter des Ifo Zentrums für Migration und Entwicklungsökonomik. Lohnunterschiede wirkten viermal stärker als solche bei Sozialleistungen.

Staatliche Hilfe zu kürzen, könne sich langfristig negativ auf die Integration auswirken, so das Institut. Durch geringere Sozialleistungen die Flucht in bestimmte Länder unattraktiver zu machen, habe wenig Wirkung. „Passende politische Maßnahmen auf nationaler und internationaler Ebene lassen sich nur planen, wenn die Politik die Motive der Geflüchteten, bestimmte Länder auszuwählen, zur Kenntnis nimmt.“

Über 700.000 Anspruchsberechtigte

Wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland unter Berufung auf Zahlen der Bundesagentur für Arbeit am Dienstag berichtete, hatten zum März rund 701.000 Menschen ukrainischer Staatsbürgerschaft in Deutschland Anspruch auf Bürgergeld. Darunter seien 502.000 Erwerbsfähige Ukrainer von 15 Jahren bis zum Renteneintrittsalter, hieß es. Arbeitslos gemeldet sind demnach aktuell 217.000 Ukrainer, etwa 24.000 besuchten einen vom Jobcenter geförderten Berufssprachkurs. (kna)