Hartmut Kriege von der katholischen Kirchengemeinde St. Nikolaus in Bonn hat sich Gedanken gemacht über einen kirchlichen Strafgerichtshof und übt Kritik am Vorgehen in der Missbrauchsaufklärung.
Das Wort zum SonntagDie Perspektive der Opfer einnehmen, statt die der Täter

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Die französische Bischofskonferenz hat einen nationalen kirchlichen Strafgerichtshof eingerichtet, mit dem Ziel, interne Delikte, für die das Kirchenrecht keine eigenen Prärogativen aufstellt, zu untersuchen und abzuurteilen.
Mit Beginn des kommenden Jahres soll dieses Gericht, das „Tribunal Pénal Canonique National“ (TPCN), das im Kern ausschließlich aus Klerikern besteht, seine Arbeit aufnehmen. Berufungsinstanz soll das zweithöchste Gericht des Vatikans: die „Rota“ sein. Die Verhandlungen des Gerichts sind nicht öffentlich. Über eine Publikation der Urteile entscheidet das jeweils rechtsprechende Organ.
Möglich wurde die Errichtung dieses interdiözesanen Gerichts durch einen Erlass des Papstes vom 1. Juni 2021, in dem dieser den Bischöfen das Vorgehen gegen Sexual- und Wirtschaftsdelikte innerhalb ihrer Bistümer zur pastoralen Pflicht macht.
Seit 2019 planen auch die deutschen Bischöfe den Aufbau eines solchen, bistumsübergreifenden Gerichtshofes. Derzeit noch ohne konkrete Ergebnisse. Gott sei Dank, möchte man sagen. Die Erinnerung an kirchliche Verfahren vor vatikanischen Dikasterien in den 50er und 60er Jahren, vor allem vor dem „Heiligen Offizium“ beziehungsweise später „Glaubenskongregation“, die damals noch stark an das Prozedere mittelalterlicher Inquisitionstribunale denken ließen, leben wieder auf, will man der Kritik Gehör schenken. Eine große Enttäuschung offenbar für all jene, die in der Folge der Missbrauchsdelikte von kirchlichem Denken und Handeln eine stärker aufklärende „Transparenz“ und „Teilhabe“ erwartet hatten.
Es scheint, dass die „Institution zur Gnadenvermittlung“ (Augustinus), deren Schutz weiter höchste Priorität hat, wieder einmal mehr Opfer ihres eigenen Selbstverständnisses geworden ist: über Kleriker befinden nur Kleriker, niemand sonst. Und damit kann man sich auch noch auf das „Grundgesetz“ berufen.
Da verwundert es nicht, dass, wenn auch flexibel, weiter versucht wird, die Opferperspektive bei der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals möglichst elegant unter den Teppich zu schieben und die Täterperspektive beharrlich zu entschärfen. Dass die Kirche sich damit langfristig nur ihr eigenes gesellschaftliches Grab schaufelt, kommt offenbar niemandem in den Sinn.