Das Wort zum SonntagWarum? Von der Begegnung mit einem Ukrainer in meiner Kirche

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Kerze in der Kirche

Symbolbild 

Kann ich Ihnen helfen?“ Ein junger Mann rüttelt an der Tür der Kirche. Ich sehe ihn am frühen Abend auf dem Nachhauseweg. Die Kirche in der Bonner Südstadt ist schon geschlossen. Er wohne um die Ecke und wollte einfach mal hineinschauen, sagt er freundlich und in etwas gebrochenem Deutsch. Und bitte keine Umstände. „Bitte herein“, sage ich und schließe auf.

„Eine der alten evangelischen Kirchen in Bonn“, erkläre ich. „Darf ich eine Kerze anzünden?“, fragt er. Klar doch. Dafür sind sie da. „Ich bin orthodox“, ergänzt er fast so, als müsse er sich erklären. „Das ist doch der Kerze egal“, sage ich, „und Gott sicher auch.“

„Warum Krieg? Warum säen Menschen immer wieder Hass und Zerstörung?“

Für einen Augenblick schweigt er und sieht mich an: „Das hoffe ich.“ – „Ich komme aus der Ukraine.“ Mit einem Moment ist die bedrückende Weltpolitik mitten auch in meiner Kirche. „Die Kerze brennt für meine Familie.“ Bei ihnen könne keiner verstehen, was da gerade passiert. „Ich habe Angst, wir haben alle Angst.“ Er erzählt von seinen Eltern in der Nähe von Kiew und dass sie auch russische Freunde haben, immer schon. „Warum Krieg? Warum säen Menschen immer wieder Hass und Zerstörung?“

Die Kerze flackert zu seinen Worten. Er möchte am Sonntag zum Gottesdienst wiederkommen. „Es ist Karnevalssonntag“, sage ich, nicht ganz sicher, ob das der Stimmung entspricht. „Gut so“, sagt er und nickt bedächtig: „Lachen und Weinen ist nah beieinander. Auch bei Gott. Und ich glaube fest, dass es nur einen Gott gibt, für uns alle.“

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„Und der wünscht, dass wir versöhnlich zusammen leben, und zwar trotz allem“, sagt er noch, dankt und geht. Ach ja, eine Bitte habe er noch: „Können Sie die Kerze ein wenig brennen lassen.“ – Ich habe sie inzwischen zwei Mal erneuert. Sie brennt bis heute.

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