Nächste Debatte läuftKampfjets für die Ukraine? Habeck dagegen, Heusgen dafür

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Zwei belgische F-16 Kampfflugzeuge bei der Luftraumüberwachung. Die Ukraine wünscht sich derartige Kampfjets zur Verteidigung gegen Russland. (Archivbild)

Zwei belgische F-16 Kampfflugzeuge bei der Luftraumüberwachung. Die Ukraine wünscht sich derartige Kampfjets zur Verteidigung gegen Russland. (Archivbild)

Kaum ist die Panzerlieferung beschlossen, wird über Kampfjets diskutiert. Wer ist dafür? Wer dagegen? Und um welche Flugzeuge geht es?

Nachdem sich der Westen durchgerungen hat, die Ukraine mit Kampfpanzern zu versorgen, beginnt prompt die nächste Debatte. Braucht Kiew nun auch Kampfjets, um die russische Invasion erfolgreich zurückzuschlagen? Wie bereits bei vorherigen Waffenlieferungen gibt es auch in dieser Frage klare Ablehnung auf der einen Seite und vage Zustimmung auf der anderen. Ein Überblick über die Positionen.

Kampfjet-Debatte: Was will die Ukraine?

Auch wenn der ehemalige Botschafter der Ukraine in Deutschland, Andrij Melnyk, lauthals Kampfjets und U-Boote für sein Land fordert, hat sein Nachfolger Oleksii Makeiev derzeit andere Prioritäten. „Wir haben Deutschland noch nicht um Kampfjets gebeten“, sagte er am Dienstag der Deutschen Welle. Prioritäten seien für ihn „gepanzerte Fahrzeuge, Kampfpanzer, Luftabwehrsysteme und Artillerieeinheiten“. In diesen Bereichen kämen beide Seiten „sehr gut voran“, sagte Makeiev. „Aber natürlich kann es sein, dass die Situation vor Ort eine andere Ausrüstung erfordert“, fügte Makeiev an.

Mit Blick auf Kampfflugzeuge betonte Makeiev, dass „alle Kampfjets wichtig sind, weil sie Teil unserer Bemühungen sind, russische Raketen abzuschießen“. Sie seien „Teil unserer Luftverteidigungsbemühungen“, um Städte und Infrastruktur vor Angriffen zu schützen. Dass die Ukraine offiziell um Kampfjets ersuchen könnte, ist also nicht ausgeschlossen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte nach den jüngsten Zusagen von Kampfpanzern aus mehreren Ländern direkt auf die zusätzliche Lieferung von „weitreichenden Raketen“, Kampfflugzeugen und mehr Artillerie gepocht. Auch Melnyk wies am Dienstag noch einmal daraufhin, dass die Ukraine bereits im März 2022 um Kampfflugzeuge ersucht habe. 

Was sagt die Bundesregierung zu Kampfjets für die Ukraine?

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) lehnt es ab, sich an der Debatte über die Lieferung von Kampfjets an die Ukraine zu beteiligen. Das seien „hypothetische Fragen“, auf die er nicht antworte, führte Pistorius aus. „Und im Übrigen hat der Bundeskanzler dazu meines Wissens alles gesagt, was zu sagen ist.“ Es sei jetzt „nicht Zeit und Ort, darüber zu sprechen, was wir noch anbieten können“. Olaf Scholz hatte die andauernde Diskussion über die mögliche Lieferung von Kampfjets in die Ukraine zuvor bereits kritisiert und von einem „Überbietungswettbewerb“ gesprochen. Der Kanzler schloss die Lieferung von Kampfjets bereits in der letzten Woche aus.

Am Dienstagabend hat sich zudem auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gegen die Lieferung von Kampfjets ausgesprochen. Nach dem, was er wisse, brauche die Ukraine für die modernen, westlichen Kampfjets die Wartung des Westens, der damit „wahrscheinlich“ dann einen Schritt zu weit gehen könnte, meinte Habeck. Es sei richtig, der Ukraine Kampfpanzer zu liefern. „Aber zwischen den Kriegspanzern und Kampfjets ist ein Unterschied.“

Kampfjets für die Ukraine: Nicht alle sind auf Kanzler-Kurs

Einigkeit besteht in der politischen Arena in Deutschland diesbezüglich allerdings nicht: SPD-Chefin Saskia Esken wollte sich in der Frage von Kampfjet-Lieferungen nicht festlegen. „Es kommt ganz entscheidend darauf an, dass Deutschland und dass auch die Nato nicht Kriegspartei wird“, sagte sie in der ARD. Die Bundesregierung sei in sehr enger Abstimmung gerade mit den USA.

Der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt warnte die Bundesregierung davor, bei der Lieferung von Waffen an die Ukraine rote Linien zu ziehen. „Irgendwelche Dinge auszuschließen, nutzt nur dem Kreml“, sagte Hardt den Zeitungen der Funke Mediengruppe auf die Frage nach einer Lieferung deutscher Kampfjets. „Der militärische Bedarf der Ukraine sollte unser Orientierungspunkt sein.“

Auch der Grünen-Politiker Anton Hofreiter ließ mit seiner Kritik am Vorgehen des Kanzlers nicht locker. Es sei „jeden Tag Krieg in der Ukraine“, sagte er der „Berliner Zeitung“ vom Montag. „Wenn man Entscheidungen monatelang hinauszögert, ist das in einer derart bedrohlichen Situation ein großes Problem.“

Wollen europäische Nachbarländer Kampfjets an die Ukraine liefern?

Polen führt Regierungsangaben zufolge keine Gespräche über die Lieferung von F-16-Kampfjets an die Ukraine. „Es gibt derzeit keine offiziellen Diskussionen über die Überführung von F-16“, sagte Wojciech Skurkiewicz, Staatssekretär im polnischen Verteidigungsministerium, der Nachrichtenagentur AFP am Dienstag. Polen hatte sich zuvor offen für eine derartige Lieferung gezeigt.

Ein MiG-29-Kampfjet der polnischen Luftwaffe fliegt bei einer Luftfahrt-Schau.

Ein MiG-29-Kampfjet der polnischen Luftwaffe fliegt bei einer Luftfahrt-Schau. (Archivbild)

Im Baltikum, das zu den größten Unterstützern der Ukraine gehört, sieht man das anders: Der Westen sollte sich im Ukraine-Krieg nach Ansicht von Litauens Staatspräsident Gitanas Nauseda bei Waffenlieferungen alle Optionen offen halten. „Diese roten Linien müssen überschritten werden“, sagte Nauseda am Montagabend mit Blick auf Vorbehalte zu der von Ukraine geforderten Kampfflugzeugen und Raketen mit größerer Reichweite. Diese Waffensysteme seien eine „unverzichtbare militärische Hilfe“.

Auch Frankreich und die Niederlande haben eine Lieferung bisher nicht grundsätzlich ausgeschlossen. „Grundsätzlich ist nichts verboten“, erklärte der französische Präsident Emmanuel Macron. Er nannte auch Kriterien, die erfüllt sein müssten: Bisher habe die Ukraine noch keine offizielle „Anfrage“ gestellt. Zudem dürften die Waffen „nicht eskalierend“ sein und „keinen russischen Boden berühren, sondern ausschließlich die Abwehrfähigkeit unterstützen“. Der niederländische Außenminister Wopke Hoekstra hatte bereits im Januar erklärt, seine Regierung würde eine solche Anfrage „unvoreingenommen prüfen“.

Was sagt das Weiße Haus zur Kampfjet-Debatte?

US-Präsident Joe Biden lehnt die Lieferung von Kampfjets vom Typ F-16 an die Ukraine ab. Auf die Frage von Journalisten, ob er für eine Lieferung dieser Flugzeuge durch die USA sei, antwortete Biden am Montag in Washington mit „Nein“. Der stellvertretende nationale Sicherheitsberater Jon Finer hatte eine Lieferung zuvor nicht kategorisch ausgeschlossen. Biden rückte davon nun ab.

Was sagen Experten?

Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, befürwortet die Lieferung von Kampfflugzeugen an die Ukraine, um sich gegen Russland zu verteidigen. In der ARD-Sendung „Europamagazin“ vom Sonntag sagte Heusgen: „Ich glaube, dass die Lieferung von Kampfjets adäquat ist, um die Ukraine besser zu schützen gegen die Angriffe der Russen.“ Ausländische Kräfte dürften der Ukraine gemäß dem Völkerrecht Waffen liefern. Das schließe Kampfpanzer ebenso ein wie Kampfflugzeuge, fügte Heusgen hinzu.

Am Mittwoch legte Heusgen nach: „Wir schließen ständig etwas aus, das wir dann am Ende doch bereit sind zu tun. Das macht uns unglaubwürdig. Dieses Vorpreschen beim Nein-Sagen sollte endlich aufhören, es ist schädlich“, sagte Heusgen den Zeitungen der Mediengruppe Bayern.

Politikwissenschaftler Carlo Masala erklärte unterdessen: „Nach den Erfahrungen der letzten elf Monate würde ich ja nur eine rote Linie definieren: Nato-Truppen in der Ukraine.“ Er habe allerdings auch nicht die Aufgabe, erklären zu müssen, „warum aus Rot plötzlich Grün wird“. Grundsätzlich müsse aber vor allem über „Munition, Ersatzteile, Artillerie und Luftverteidigungssysteme“ für die Ukraine gesprochen werden. Sollte es zur Kampfjet-Lieferung kommen, wäre das laut Masala jedoch kein offizieller Eintritt der Nato in den Krieg. 

Um welche Kampfjets geht es überhaupt – und welche könnte die Bundeswehr liefern?

Die Luftwaffe hat nach eigenen Angaben 138 Eurofighter im Bestand. Hinzu kommen rund 85 Tornado-Kampfflugzeuge. Ihnen kommt eine besondere Rolle bei der „nuklearen Teilhabe“ Deutschlands zu. Sie würden im Kriegsfall auch mit Atomwaffen der USA ausgerüstet.

Der FDP-Verteidigungspolitiker Marcus Faber verwies am Montag allerdings darauf, dass es in der Debatte eher nicht um die Eurofighter und die alternden Tornados der Bundeswehr gehe. „Im Gespräch“ seien MiG-29 sowjetischer Bauart und die F-16 des US-Konzerns Lockheed Martin, sagte er den Sendern RTL und ntv. „Gerade die MiG-29 als sowjetische Modelle sind etwas, was die Ukraine auch schon kennt.“ Mehere Nato-Länder sind zudem im Besitz von F-16-Jets. (mit dpa/afp)

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