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Regierung macht TempoKabinett beschließt weitere Reformen zur Migrationspolitik

Lesezeit 5 Minuten
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat diese Woche erneut eine Reform ins Kabinett gebracht.

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat diese Woche erneut eine Reform ins Kabinett gebracht.

Im Wochentakt präsentiert die Bundesregierung neue Vorhaben zur Migrationspolitik. Die Opposition hält einige für fragwürdig. Das Kabinett hat nun einen Beschluss zu sicheren Herkunftsländern gefasst.

Das schwarz-rote Kabinett hat eine weitere Reform auf den Weg gebracht, um den von der Union angekündigten Kurswechsel in der Migrationspolitik zu vollziehen. Es entschied nach Angaben des Regierungssprechers über eine Formulierungshilfe des Innenministeriums für die Koalitionsfraktionen zur Benennung von Staaten als sichere Herkunftsländer: Demnach kann die Bundesregierung diese Einstufung künftig per Rechtsverordnung vornehmen - also ohne Zustimmung des Bundesrats. 

Denn dort haben Länder mit Regierungsbeteiligung von Grünen und Linken in der Vergangenheit entsprechende Vorhaben blockiert. Die nun beschlossene Änderung, über die der Bundestag noch entscheiden muss, soll Asylentscheidungen für Menschen aus diesen Staaten beschleunigen und Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber erleichtern.

Es gehe darum, die „Asylwende“ zu vollziehen, sagte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU), der sich nach der Kabinettssitzung im Innenausschuss den Fragen der Abgeordneten zu den von ihm angeordneten Zurückweisungen Asylsuchender an den Grenzen stellte. Von Deutschlands Nachbarstaaten werde dieser Kurswechsel insgesamt positiv aufgenommen. Politiker der Linken und der Grünen kritisierten, dass der Minister vor seiner Befragung im Ausschuss erst mit Pressevertretern sprach.

Sichere Herkunftsländer: Maghreb-Staaten

Die vom Kabinett jetzt beschlossene Reform soll Asylentscheidungen für Menschen aus diesen Staaten beschleunigen und Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber erleichtern. Möglich wird die Einstufung zusätzlicher Länder per Verordnung, weil sie sich nicht auf das im Grundgesetz verankerte Recht auf Asyl für politisch Verfolgte erstrecken soll, das ohnehin nur sehr wenige Schutzsuchende zugesprochen bekommen. Bei den meisten Asylbewerbern, die in Deutschland einen Schutzstatus erhalten, greift der Flüchtlingsschutz oder der sogenannte subsidiäre Schutz für Menschen, denen im Herkunftsland ernsthafter Schaden droht. 

Die Einstufung sicherer Herkunftsstaaten sei kein Verwaltungsakt, sondern ein Eingriff in individuelle Schutzrechte, kritisierte die Grünen-Abgeordnete, Filiz Polat. „Wer so handelt, rüttelt an den Grundpfeilern unseres Rechtsstaatsprinzips.“ 

Im Koalitionsvertrag war vereinbart worden, zuerst Algerien, Indien, Marokko und Tunesien neu als sichere Herkunftsstaaten einzustufen. 

Kein Anwalt mehr vom Staat

Gestrichen werden soll laut Kabinettsbeschluss zudem eine Vorschrift, wonach Menschen, die von Abschiebungshaft oder Ausreisegewahrsam betroffen sind, einen vom Staat bestellten Anwalt bekommen. Diese Verpflichtung war erst in der Zeit der Ampel-Regierung auf Drängen der Grünen ins Aufenthaltsrecht aufgenommen worden. Sie gilt auch für Asylbewerber, die im sogenannten Dublin-Verfahren in einen anderen EU-Staat überstellt werden sollen und für die eine sogenannte Überstellungshaft angeordnet wurde.

Wer in Ausreisegewahrsam oder Abschiebehaft kommt, soll von Amts wegen keinen Rechtsbeistand mehr erhalten. Es steht diesen Menschen aber frei, sich selbst einen Anwalt zu suchen. (Archivbild)

Wer in Ausreisegewahrsam oder Abschiebehaft kommt, soll von Amts wegen keinen Rechtsbeistand mehr erhalten. Es steht diesen Menschen aber frei, sich selbst einen Anwalt zu suchen. (Archivbild)

Weniger Familiennachzug, keine Einbürgerung mehr nach drei Jahren

Nach bisheriger Planung wird sich der Bundestag an diesem Freitag in erster Lesung mit der geplanten Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten beschäftigen. Der ist - anders als bei Flüchtlingen, die keinen eingeschränkten Schutzstatus haben - jetzt schon beschränkt auf 1.000 Angehörige pro Monat.

Auch die im Koalitionsvertrag vereinbarte Abschaffung der Einbürgerung von besonders gut integrierten Ausländern bereits nach drei Jahren hat vergangene Woche das Kabinett passiert. Der Union war die von ihr als „Turbo-Einbürgerung“ bezeichnete Regelung, die von der Ampel-Koalition eingeführt worden war, von Anfang an ein Dorn im Auge. Ihr Argument: So schnell könne sich niemand in die deutschen Lebensverhältnisse einfügen. 

Zurückweisung von Asylsuchenden

An den deutschen Grenzen werden auf Anordnung von Dobrindt nun auch Asylsuchende zurückgewiesen. An dieser Praxis hält die Bundesregierung auch nach einer Eilentscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts fest. Das Gericht hatte festgestellt, die Zurückweisung von drei Somaliern bei einer Grenzkontrolle am Bahnhof Frankfurt (Oder) am 9. Mai sei rechtswidrig gewesen. Ohne eine Klärung, welcher EU-Staat für einen Asylantrag der Betroffenen zuständig sei, dürften sie nicht abgewiesen werden. Die drei Betroffenen waren nach Polen zurückgeschickt worden. 

Bundesinnenminister Dobrindt sagte, er befürchte nicht, dass Bundespolizisten für ihr Handeln an der Grenze haftbar gemacht werden können. „Das ist vollkommen abwegig, dass Polizisten belangt werden, wenn sie das tun, was ihr Auftrag ist“, sagte der CSU-Politiker in der ARD-Talkshow „Maischberger“. Der Auftrag sei von der Politik formuliert worden. „Und deswegen finde ich das eine Einschätzung, die schon weit hergeholt ist.“

Mihalic: Polizei ist nicht der Politik verpflichtet

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Irene Mihalic, sagte, es sei bemerkenswert, dass Dobrindt in Abrede stelle, dass er die Polizisten in eine schwierige Situation bringe. „Ich will nur mal daran erinnern, dass Polizeibeamtinnen und -beamte eben nicht der Politik verpflichtet sind, sondern ausschließlich an Recht und Gesetz gebunden sind“, sagte sie.

Wenn Beamte der Auffassung sind, dass eine dienstliche Anweisung rechtswidrig ist, können sie Widerspruch einlegen (remonstrieren). Dies ist dem Vernehmen nach in Bezug auf die verschärften Grenzkontrollen bislang nicht geschehen. 

Linken-Politikerin traf betroffene Somalier

Dobrindts Angaben zufolge hatten die Somalier, die sich mit Unterstützung von Pro Asyl an das Gericht wandten, bereits am 2. und am 3. Mai versucht nach Deutschland einzureisen - jeweils ohne ein Asylgesuch vorzubringen. Dies hätten sie erst beim dritten Versuch am 9. Mai getan. 

Die Linken-Innenpolitikerin Clara Bünger geht allerdings davon aus, dass die drei Migranten auch bei den ersten zwei Einreiseversuchen den Wunsch, einen Asylantrag in Deutschland zu stellen, geäußert haben. Sie sagte: „Ich selbst habe die drei getroffen. Sie haben mir glaubwürdig versichert, dass sie sehr wohl deutlich gesagt haben, dass sie Asyl beantragen wollen.“

Rund 140 zurückgewiesene Asylsuchende

Menschen, die kein Asylgesuch vorbringen und Ausländer mit Wiedereinreisesperre waren schon vor der von Dobrindt am 7. Mai erlassenen Anordnung zurückgewiesen worden. Durch die Änderung gab es nun laut Bundesinnenministerium rund 140 zusätzliche Zurückweisungen. 

An den Grenzkontrollen hat sich nach der Entscheidung des Gerichts nichts geändert.

An den Grenzkontrollen hat sich nach der Entscheidung des Gerichts nichts geändert.

Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Marcel Emmerich, sagte nach einer Sitzung des Innenausschusses, an der Dobrindt teilnahm: „Die Zahlen sprechen für sich und entlarven diesen Grenzblockaden-Zirkus als das, was er ist: teure Symbolpolitik auf Kosten von Wirtschaft, Pendlern, Bundespolizei und Schutzsuchenden.“ (dpa)