EuroparatAnti-Folter-Komitee – Deutschland informiert zu spät über Abschiebung

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Abschiebungen

Ein Flugzeug fliegt über Stacheldraht

Straßburg – Das Anti-Folter-Komitee des Europarats (CPT) hat kritisiert, dass Betroffene in Deutschland häufig zu kurzfristig über ihre Abschiebungen informiert werden. Es sei unerlässlich, dass den Menschen rechtzeitig mitgeteilt werde, dass sie Deutschland verlassen müssten, erklärte das CPT in einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht.

Nur so könnten sich die Menschen psychisch mit der Situation auseinandersetzen. In dem Papier hieß es, deutsche Behörden benachrichtigten die Betroffenen in Abschiebehaft erst spät oder in letzter Minute über ihre bevorstehende Abschiebung.

Bayern klärt nicht über Abschiebedatum auf

Auch in Fällen, bei welchen die Betroffenen nicht in Haft waren, war die Benachrichtigung laut des Komitees nicht immer eine Woche vor dem Ausweisungsdatum erfolgt. Aus der Antwort des Bundesjustizministeriums auf den Report ging hervor, dass die Abschiebung in der Regel eine Woche vor dem Termin angekündigt werden soll, auch Betroffenen in Haft.

Bayern vertrete jedoch die Auffassung, dass den Menschen in Abschiebehaft nicht das genaue Datum genannt werden müsse. Da sie sich in Abschiebehaft befänden, seien sie dadurch über ihre anstehende Ausweisung bereits informiert, hieß es in der Antwort.

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Der Europarat forderte Deutschland außerdem auf, bei der Abschiebung von Migranten auf „unverhältnismäßige und unangemessene“ Gewaltanwendung zu verzichten. Methoden, die bei den Betroffenen ein Erstickungsgefühl auslösten oder ihnen starke Schmerzen zufügten – etwa durch Quetschen der Genitalien – , müssten untersagt werden, forderte das Anti-Folter-Komitees.

Unangemessene Gewaltanwendung von Polizisten bei Abschiebung

Im Bericht schildert das Gremium die Bedingungen, unter denen 46 Afghanen in der Nacht zum 15. August 2018 mit einem Charterflugzeug von München nach Kabul abgeschoben wurden. Zur Überwachung der Migranten waren rund hundert Polizisten an Bord. Auch drei Mitglieder des Anti-Folter-Komitees nahmen an dem Flug teil. Ihrem Bericht zufolge wurden die Afghanen aus verschiedenen Bundesländern nach München gebracht, viele von ihnen befanden sich zuvor in Gefängnissen in Abschiebehaft.

Die meisten Migranten hätten sich auf dem Weg zum Flughafen und beim Besteigen des Flugzeuges ruhig verhalten, stellte die Delegation fest. Zwei Männer hätten sich jedoch heftig zur Wehr gesetzt. Sie seien mit Hand- und Fußschellen sowie Klebeband gefesselt und von mehreren Polizisten gewaltsam in die Maschine befördert worden. Ein Migrant setzte demnach auch im Flugzeug seinen Widerstand fort – unter anderem, indem er seinen Kopf gegen den Sitz schlug. Der Mann sei von sechs Polizisten festgehalten worden, heißt es in dem Bericht.

Mehrmals für längere Zeit die Genitalien gequetscht

Ein Beamter habe ihm einen Arm gegen den Hals gedrückt, was seine Atemfähigkeit eingeschränkt habe. Ein anderer Polizist habe dem am ganzen Körper mit Klebeband Gefesselten mehrmals für längere Zeit die Genitalien gequetscht. Diese Methode „zielt eindeutig darauf ab, durch Zufügung starker Schmerzen kooperatives Verhalten zu erreichen“, kritisierten die Experten des Europarates.

Ein solches Vorgehen sei „unverhältnismäßig und unangemessen“. Deutschland müsse „sofort Maßnahmen ergreifen“, um die Anwendung dieser Techniken zu unterbinden. Das Bundesjustizministerium teilte in einer am gleichen Tag veröffentlichten Stellungnahme mit, die Bundespolizei sei von dieser Empfehlung in Kenntnis gesetzt worden und habe sie „aufgegriffen“. 

Die CPT-Delegation machte ihre Beobachtungen bei der Begleitung einer Abschiebung von München in die afghanische Hauptstadt Kabul im August vergangenen Jahres. Der Ablauf der Ausweisung sei generell gut vorbereitet und professionell gewesen, erklärte das Komitee. Das CPT besteht aus Experten des Europarats und hat seinen Sitz im französischen Straßburg. Die Berichte zu den Besuchen sind keine Ermittlungen gegen einen Staat. Sie dienen lediglich dazu, die Einhaltung der Menschenrechte in Gefängnissen in den 47 Mitgliedsstaaten des Europarats zu überprüfen. (dpa/afp) 

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