Über den Zustand es deutschen Waldes, künftige Planungen und die Wald-Politik der Bundesregierung äußert sich die Präsidentin der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, Ursula Heinen-Esser, im Interview.
Expertin Heinen-Esser„Der Wald ist ein Stück weit Lebensversicherung für uns“

Ursula Heinen-Esser
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Wie wichtig unsere Wälder sind, darüber denken wir häufig nicht intensiv nach. Nun wird das Thema sogar im Koalitionsvertrag der Bundesregierung erwähnt?
Das ist auch gut so. Der Wald hilft uns bei der Bekämpfung des Klimawandels, weil er CO2 speichert. Er ist deshalb auch ein Stück weit Lebensversicherung für uns. Andererseits ist er selbst auch das erste Opfer des Klimawandels. Wenn man sich anschaut, wie kahl manche Hügel hier bei uns in Nordrhein-Westfalen aussehen, weil der Borkenkäfer klimabedingt dort gewütet hat, tut das schon sehr weh. Die Waldbesitzer können das von sich aus nicht stemmen, sie benötigen staatliche Unterstützung, um wieder ihre Wälder aufbauen zu können.
Was bedeutet das konkret?
Es geht darum, dass man nicht mehr auf die Baumarten setzt, die unter dem Klimawandel leiden. Monokulturen wie Fichtenwälder machen keinen Sinn, so praktisch sie auch für Holznutzung und Waldbesitzer sind. Wir brauchen echte klimaangepasste Mischwälder.
Im Koalitionsvertrag ist auch davon die Rede, die „Entwaldungs-Richtlinie“ zu entschärfen?
Im Kern geht es dabei darum, dass für den Anbau bestimmter Produkte keine Waldflächen geopfert werden sollen. Im Amazonasgebiet in Brasilien werden Wälder abgeholzt, um Platz für Soja- oder Palmölpflanzen zu schaffen. Der Sinn dieser EU-Verordnung ist, dass tatsächlich nur solche Produkte eingeführt oder gehandelt werden, für die eben kein Wald geopfert werden muss. Das Ziel unterschreibt jeder. Der Haken ist nur, dass wir in Deutschland eigentlich gar kein Problem damit haben. Bei uns wird Wald nicht in landwirtschaftliche Flächen und andere Flächen umgewandelt. Bei uns wächst sogar tatsächlich die Waldfläche.
Trotzdem müsste das bürokratisch im Einzelfall dokumentiert werden. Wie kann man dieses Problem lösen?
Genau. Stattdessen muss festgeschrieben werden, dass in Deutschland der Wald nicht gefährdet wird, wir kein Risikoland sind. Das heißt, dass hier geerntetes Holz oder andere Produkte problemlos exportiert werden können, ohne ständig neue Nachweise erbringen zu müssen. Aber wie das mit den EU-Richtlinien so ist, fallen solche Details meist viel zu spät auf, oft erst nach ihrer Verabschiedung. Die Bundesregierung muss jetzt versuchen, dieses „Null-Risiko“ für Deutschland zu dokumentieren. Das wird noch ein dickes Brett.
Wenn Monokulturen wegen des Klimawandels zu Mischwald werden sollen, ist das auch eine enorme Herausforderung?
In Kreisen der Waldbesitzer wird schon heftig darüber diskutiert, ob wir Baumarten nach Deutschland importieren oder versuchen, mit unseren heimischen Baumarten auszukommen. Wir dürfen aber nicht mehr zu lange diskutieren, sondern müssen handeln. Der Wald wird dringend gebraucht, um eine weitere Erwärmung der Atmosphäre zu begrenzen.
Der jüngste Waldzustandsbericht zeigt ein ziemlich schlechtes Bild unserer Wälder?
Von einer Erholung sind wir noch weit entfernt Der Wald leidet unter Trockenperioden. Deshalb müssen jetzt auch in der Politik die Rahmenbedingungen so geschaffen werden, dass etwa Kahlflächen schnell wiederaufgeforstet werden oder wir Maßnahmen ergreifen, die Wasser im Wald erhalten.
Mit der Trockenheit steigt auch die Gefahr von Waldbränden?
Ja, und leider werden Waldbrände meistens durch uns Menschen ausgelöst, wenn etwa jemand achtlos mit der Zigarette im trockenen Wald spazieren geht. Zum Glück haben wir inzwischen wirklich gute Systeme der Überwachung, sodass man frühzeitig darauf aufmerksam gemacht wird, wo Waldbrände entstehen. Dann kann man früh handeln.
Es gibt aber nicht nur große, zusammenhängende Waldgebiete, sondern auch kleine Wälder in der Stadt?
Diese Flächen sind sehr wichtig, denn das Grün sorgt dafür, dass die Temperaturen nicht so stark ansteigen. Wo es Grünflächen gibt, ist die Temperatur teilweise um mehr als fünf Grad niedriger. Und wir müssen etwas tun, um die Temperaturen in der Stadt zu senken. Ich bin froh, dass Konrad Adenauer in Köln den Grüngürtel geschaffen hat. Eigentlich war er ja für Freizeitsport und als Erholungsgebiet gedacht. In heutigen Zeiten des Klimawandels ist er fast schon lebensrettend, weil er weit in die Stadt hineinragt und zur Temperaturregulierung beiträgt.
Sie sind Mitglied der CDU. Haben Sie es in Ihrer Partei immer einfach mit dem Thema Umwelt?
Die Bewahrung der Schöpfung ist ein Kernthema der Union. Anders ist es manchmal bei Klimawandel-Themen, die auch zu harten Einschnitten führen können und die Bereitschaft zur Veränderung verlangen. Hier sind schon intensive Diskussionen notwendig.
Auf der Webseite der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald heißt es, jeder könne etwas tun?
Man kann zum Beispiel für Bäume spenden oder sich dort engagieren, wo Bäume gepflanzt werden. Das Allerwichtigste ist, dass jeder sich darüber bewusst sein muss, was so ein Baum tatsächlich für uns leistet, wie viel CO2 er einspart und dass er auch in der Stadt wichtige Funktionen erfüllt.
Ursula Heinen-Esser (CDU) lebt mit Mann und Tochter in Köln. Sie war unter anderem NRW-Umweltministerin. Heute berät sie Institutionen. Ihr Großvater war bei der Stadt Köln beschäftigt und hat sich in der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald engagiert. Seit 2021 ist Heinen-Esser ehrenamtliche Präsidentin der bundesweit tätigen Organisation.