Fall LügdeSPD kritisiert Versagen von Ämtern und Politik im Kampf gegen Kindesmissbrauch

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Absperrband der Polizei hängt an einem Bauzaun. Dort hinter befindet sich ein Wohnwagen.

Ende 2018 war der jahrelange Missbrauch auf dem Campingplatz in Lügde bekannt geworden.

SPD-Obmanns Andreas Biala wirft der Polizei, die auf dem Campingplatz „Eichwald“ im ostwestfälischen Lügde ermittelte, eine zum Teil schlampige Arbeit vor.

Fünf Jahre nach Bekanntwerden der Missbrauchsfälle auf einem Campingplatz in Lügde sieht die SPD im Landtag weiter erhebliche Versäumnisse beim Kinderschutz in NRW. Die Antworten der Landesregierung auf eine Große Anfrage zum Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) „Kindesmissbrauch“ sowie dessen bisherige Erkenntnisse zeigen nach Ansicht des SPD-Obmanns Andreas Bialas, wie weit Anspruch und Wirklichkeit beim Kinderschutz auseinanderklafften.

Bialas wirft zum Beispiel der Polizei, die auf dem Campingplatz „Eichwald“ im ostwestfälischen Lügde ermittelte, eine zum Teil schlampige Arbeit vor. Die Beamten hätten „leider an ganz vielen Stellen versagt“, behauptet er. Die Polizei habe zwar der Strafverfolgung gegen die Haupttäter Andreas V., Mario S. und Heiko V. gut zugearbeitet, Verdachtsmomenten gegenüber anderen potenziellen Tätern sei sie aber nicht mit gleicher Aufmerksamkeit nachgegangen. Da habe das „große Besteck“ gefehlt.

Zuständige Polizisten womöglich sehr lange untätig gewesen

So habe es auf dem Campingplatz „Eichwald“ in der Nachbarschaft von Mario S. einen „Familien-Sexclan“ mit einem Großvater als Oberhaupt gegeben. Im engen familiären Umfeld dieses Mannes seien 16 minder- und auch volljährige Opfer von den Haupttätern missbraucht worden. Die Frage, ob dieser Clan Beihilfe zum Missbrauch geleistet oder gar selbst Kinder vergewaltigt habe, sei bisher unbeantwortet geblieben. Ein weiteres Kind, befreundet mit dem Pflegekind des Haupttäters Andreas V., soll trotz eines den Behörden bekannten Verdachtes auf Kindesmissbrauch noch weit über ein Jahr lang von seinem Vater und dessen Freund vergewaltigt worden sein. Die zuständigen Polizisten auch in diesem und in vielen weiteren Fällen womöglich sehr lange untätig gewesen und hätten das Leiden der Opfer dadurch verlängert.

Die Große Anfrage der SPD zum Kindesmissbrauch, die die Landesregierung inzwischen beantwortet hat, lege darüber hinaus landesweite Versäumnisse offen, erklärte Bialas. So hätten von den 186 Jugendämtern in NRW nur 88, also nur knapp jedes zweite Amt, Fragen der Regierung zum Kinderschutz beantwortet. Das Land habe gegenüber diesen eigenständigen kommunalen Ämtern keinen echten Durchgriff. Bialas’ Forderung lautete deshalb: „Wir brauchen für die Jugendämter eine übergreifende Fachaufsicht.“

Zudem wirke das vor einem Jahr verabschiedete NRW-Kinderschutzgesetz bisher nur unzureichend. Es soll unter anderem die Beschäftigung der Jugendämter mit Kindeswohlgefährdungen klarer regeln und in jedem Jugendamtsbezirk „Netzwerke“ für den Kinderschutz etablieren. Dazu sollen etwa Gesundheitsbehörden, Polizei, Pädagogen, Familiengerichte und Staatsanwaltschaften gehören. Laut Anfrage äußerten sich 98 von 186 Jugendämtern gegenüber dem Land nicht zur Frage, ob es dort solche Netzwerke gebe. 44 Jugendämter hätten keine Netzwerke, nur 43 hätten sie.


Hintergrund

Auf einem Campingplatz bei Lügde waren bis Ende 2018 zahlreiche Kinder von mehreren Männern sexuell missbraucht und vergewaltigt worden. Zwei Haupttäter waren 2019 zu hohen Haftstrafen verurteilt worden, ein dritter zu einer Bewährungsstrafe. Der NRW-Landtag hatte 2019 einen Untersuchungsausschuss eingesetzt und in dieser Wahlperiode neu aufgelegt, um die Rolle der Jugendämter und die Arbeit der Polizei zu beleuchten. Zu den Ergebnissen gehört, dass viele von denen, die sich professionell mit dem Schutz von Kindern beschäftigen, nie persönlich Kontakt zu den Betroffenen hatten. (mk)

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