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„Aus der Toilette getrunken“Schwere Vorwürfe von Gaza-Aktivisten um Thunberg – Israel weist „Lügen“ zurück

4 min
Klimaaktivistin Greta Thunberg befindet sich derzeit in Israel in Haft. (Archivbild)

Klimaaktivistin Greta Thunberg befindet sich derzeit in Israel in Haft. (Archivbild)

Nachdem ihre „Flotilla“ gestoppt wurde, berichten Aktivisten von Misshandlungen. Ein israelischer Minister sorgt für Aufsehen.

Nach der Klimaaktivistin Greta Thunberg haben auch weitere propalästinensische Aktivisten der „Global Sumud Flotilla“ schwere Misshandlungsvorwürfe gegen Israel erhoben. Die israelische Marine hatte am Freitag das letzte der insgesamt 42 Boote der „Global Sumud Flotilla“ abgefangen. Mehr als 400 Besatzungsmitglieder aus Dutzenden Ländern wurden in Gewahrsam genommen, darunter auch Thunberg.

International gab es daraufhin Proteste und Demonstrationen gegen das israelische Vorgehen. In Rom gingen am Wochenende nach Angaben der Polizei mehrere Hunderttausend Menschen auf die Straße. Zehntausende Menschen demonstrierten auch in den spanischen Großstädten Madrid und Barcelona. Proteste gab es unter anderem auch in Dublin und Paris.

„Guardian“-Bericht: Greta Thunberg beklagt harsche Haftbedingungen

Israel hat unterdessen damit begonnen, die Aktivisten in ihre Heimat zurückzuschicken. Die Vorwürfe der Aktivisten hat das Land derweil als „dreiste Lügen“ zurückgewiesen. Der „Guardian“ hatte zuvor berichtet, Thunberg habe gegenüber schwedischen Repräsentanten über eine harsche Behandlung in israelischer Haft gesprochen. Sie habe sowohl zu wenig Wasser als auch zu wenig Essen bekommen.

Außerdem habe sie gesagt, dass sie Hautausschläge bekommen habe, die vermutlich von Bettwanzen verursacht worden seien. Sie habe lange Zeit „auf harten Oberflächen“ gesessen, beklagte die Aktivistin demnach obendrein. Die Zeitung berief sich dabei auf eine E-Mail des schwedischen Außenministeriums an Thunberg nahestehende Personen.

Aktivisten erheben Vorwürfe: „Wir wurden schrecklich behandelt“

Andere Aktivisten gaben dem Bericht zufolge an, Thunberg sei an den Haaren geschleift und geschlagen worden. Man habe sie auch gezwungen, eine israelische Flagge zu küssen. Ähnliche Vorwürfe wurden auch von weiteren propalästinensischen Aktivisten geäußert.

So berichtete nun auch eine Gruppe von 26 Italienern, die Israel am Samstag verlassen hatte, von einer „erniedrigenden“ Behandlung durch die israelischen Sicherheitskräfte. „Wir wurden schrecklich behandelt“, zitierte die Agentur Ansa einen der Aktivisten. „Sie zwangen uns, vier Stunden lang auf den Knien zu bleiben“, berichtete ein anderer zuvor festgenommener Aktivist.  Die Inhaftierten seien „ständigem Stress und Demütigung“ ausgesetzt gewesen, sagte ein weiterer Aktivist.

Der italienische Journalist Saverio Tommasi sagt der Associated Press derweil, israelische Soldaten hätten den Aktivisten nach ihrer Festnahme Medikamente vorenthalten und sie „wie Affen“ behandelt.

„Drei Tage lang habe ich nichts gegessen“

Ähnlich äußerten sich die Angehörigen von neuseeländischen Aktivisten, die ebenfalls festgenommen worden waren. Sein Sohn werde in „einem Käfig, zusammengepfercht mit vielen anderen Menschen“ festgehalten und habe weder Wasser noch Rechtsbeistand bekommen, berichtete etwa der Neuseeländer Adrian Leason dem „Guardian“ am Montag.

Die Vorwürfe einiger malaysischer Aktivisten fallen noch drastischer aus: „Drei Tage lang habe ich nichts gegessen – nur aus der Toilette getrunken“, zitierte die türkische Nachrichtenagentur Anadolu eine Teilnehmerin der „Flotilla“ aus dem asiatischen Land. 

Global Sumud Flotilla: Israel nennt Vorwürfe „dreiste Lügen“

Das israelische Außenministerium wies die Vorwürfe unterdessen am Sonntag mit deutlichen Worten zurück. „Die Behauptungen über die Misshandlung von Greta Thunberg und anderen Inhaftierten der Hamas–Sumud-Flottille sind dreiste Lügen.“ Alle Rechte der Inhaftierten seien „vollständig gewahrt“ worden, erklärte das Ministerium auf der Plattform X.

„Interessanterweise haben Greta selbst und andere Inhaftierte sich geweigert, ihre Abschiebung zu beschleunigen, und darauf bestanden, ihren Aufenthalt in Gewahrsam zu verlängern“, hieß es weiter. Thunberg habe sich außerdem bei den israelischen Behörden „über keine dieser absurden und haltlosen Anschuldigungen beschwert – weil sie nie stattgefunden haben.“ 

Israels rechtsextremer Polizeiminister sorgt für Aufsehen

Für Zweifel an dieser Darstellung sorgte derweil Israels rechtsextremer Polizeiminister Itamar Ben-Gvir. Er sei „stolz, dass wir die ‚Flotten-Aktivisten‘ wie Terrorunterstützer behandeln“, sagte Ben-Gvir am Sonntag. In einer Mitteilung Ben-Gvirs hieß es außerdem: „Wer Terror unterstützt, ist ein Terrorist und verdient die Bedingungen, die Terroristen zustehen.“

Schiffe der „Global Sumud Flotilla“ im Mittelmeer. Israel hat insgesamt 42 Boote in der letzten Woche gestoppt und die Aktivisten an Bord festgenommen. (Archivbild)

Schiffe der „Global Sumud Flotilla“ im Mittelmeer. Israel hat insgesamt 42 Boote in der letzten Woche gestoppt und die Aktivisten an Bord festgenommen. (Archivbild)

Die Aktivisten und Aktivistinnen sollten die Haftbedingungen „deutlich zu spüren bekommen und sich zweimal überlegen, bevor sie sich wieder Israel nähern“, erklärte der für radikale Aussagen bekannte Minister. „Wer geglaubt hat, hierherzukommen und einen roten Teppich und Fanfaren zu bekommen – der irrt sich“, fügte Ben-Gvir an.

Ben-Gvir: Aktivisten sind „gekommen, um den Terror zu unterstützen“

Er habe die Schiffe der Gaza-Flotte besucht und dort „keine Hilfe und keine Humanität gesehen“, hieß es weiter von Ben-Gvir. Stattdessen habe er „eine Packung Babynahrung gesehen und ein ganzes Schiff voller Menschen, die sich als Menschenrechtsaktivisten ausgaben, in Wirklichkeit aber gekommen waren, um den Terror zu unterstützen und sich auf unsere Kosten zu amüsieren“.

Auch deutsche Aktivistinnen und Aktivisten sind Berichten zufolge derzeit in Israel inhaftiert. „Wir rufen die Bundesregierung und das Auswärtige Amt dazu auf, unverzüglich für die Freilassung und den Schutz der deutschen Friedensaktivisten der Global Sumud Flotilla zu sorgen, die derzeit im israelischen Gefängnis Ktzi’ot inhaftiert sind“, schrieb die deutsche Delegation der Aktivisten am Sonntag bei Instagram.

Diplomatie in Ägypten: Israel und Hamas verhandeln indirekt

Einige der Inhaftierten seien mittlerweile in den Hungerstreik getreten, berichtete unterdessen der Account der „Global Sumud Flotilla“ in dem sozialen Netzwerk. 

Gleichzeitig gibt es weiter Hoffnung auf einen Frieden in Nahost. Unterhändler Israels und der islamistischen Hamas führen am Montag in Ägypten indirekte Gespräche über die Umsetzung des Gaza-Friedensplans von US-Präsident Donald Trump.

Dabei soll es zunächst um die Freilassung der verbliebenen 48 Geiseln im Gegenzug für eine Waffenruhe im Gaza-Krieg und die Entlassung Hunderter palästinensischer Häftlinge gehen. Weitere Fragen, darunter die Entwaffnung der Hamas und ein israelischer Truppenrückzug aus dem Küstenstreifen, sind allerdings noch umstritten. (mit afp/dpa)