„Gehört auf die EU-Terrorliste“Baerbock will nach Hinrichtungen im Iran „Druck erhöhen“ – Röttgen reicht das nicht

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Mohammad Mahdi Karami und Seyyed Mohammad Hosseini, die am Samstagmorgen hingerichtet wurden, bei einer Gerichtsverhandlung in Karadsch am 5. Dezember.

Mohammad Mahdi Karami (l.) und Seyyed Mohammad Hosseini, die am Samstagmorgen hingerichtet wurden, bei einer Gerichtsverhandlung in Karadsch am 5. Dezember.

Nach zwei weiteren Hinrichtungen im Iran reagiert Annalena Baerbock bestürzt. Andere Politiker fordern harte Maßnahmen gegen das Regime in Teheran. 

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat bestürzt auf die jüngsten Hinrichtungen im Zusammenhang mit den seit Monaten andauernden Protesten im Iran reagiert. Mohammed Mahdi Karami und Sejed Mohammed Hosseini seien erhängt worden, „weil sie sich dem brutalen und menschenverachtenden Handeln nicht unterwerfen wollten“, schrieb Baerbock am Samstag im Onlinedienst Twitter.

„Zwei weitere schreckliche Schicksale, die uns bestärken, mit der EU den Druck auf Teheran weiter zu erhöhen“, fügte die Ministerin hinzu. Welche Maßnahmen sie sich konkret dafür vorstelle, führte Baerbock unterdessen nicht aus.

Neben der Außenministerin meldeten sich weitere deutsche Politiker zu Wort – und verurteilten die erneuten Hinrichtungen im Iran. Es wurde jedoch auch Kritik an Baerbock geäußert. So erklärte Hanna Neumann, Grünen-Abgeordnete im Europaparlament, dass die Exekutionen mit „weiteren Gesprächen“ und „roten Teppichen“ nicht aufhören würden. „Wir müssen ein klares Signal senden und das Regime als das behandeln, was sie sind: Terroristen“, schrieb sie auf Twitter.

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Hinrichtungen im Iran: „Das Regime in Teheran ist ein Terrorregime“

Unterstützung bekam Neumann prompt von CDU-Außenexperte Norbert Röttgen, der sich bereits in den letzten Wochen für härtere Maßnahmen gegen den Iran ausgesprochen hatte. „Hannah Neumann sagt klar, wie es ist: Das Regime in Teheran mit der Revolutionsgarde als Machtzentrum ist ein Terrorregime. Es gehört auf die EU-Terrorliste“, schrieb Röttgen bei Twitter. „Das muss jetzt endlich auch bei der Außenministerin und im Kanzleramt ankommen.“

Auch FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai forderte härtere Maßnahmen. „Die Verbrechen des Regimes gehen weiter. Die Islamische Republik exekutiert Mohammad Mahdi Karami (22) und Seyyed Mohammad Hosseini (39). Wann handelt endlich die EU? Wann werden endlich die Revolutionsgarden auf die Terrorliste der EU gesetzt?“, schrieb Djir-Sarai auf Twitter.

Mohammed Mahdi Karami: „Mein Urteil ist die Hinrichtung, Papa, erzähl‘ Mama nichts davon“

Karami und Hosseini waren nach Angaben der iranischen Justizbehörde am Samstagmorgen gehängt worden. Sie waren im Dezember laut der Internetseite der Justizbehörden als „Hauptverantwortliche“ für den Tod eines Mitglieds der paramilitärischen Bassidsch-Miliz bei Demonstrationen in der Stadt Karadsch westlich von Teheran schuldig gesprochen worden. Am Dienstag hatte der Oberste Gerichtshof das Urteil gegen die beiden bestätigt.

Menschenrechtsorganisationen werten die Prozesse gegen die Demonstranten als Scheinprozesse. Die Gefangenen würden zu falschen Geständnissen gedrängt und gefoltert, berichteten mehrere Menschenrechtsorganisationen in den letzten Wochen unabhängig voneinander.

Der Aktivistengruppe 1500tasvir zufolge wurde Karami bereits wenige Stunden nach seiner Hinrichtung beigesetzt. Die Aktivisten veröffentlichten Aufnahmen, die sein mit Blumen geschmücktes Grab zeigen sollen. Der 22-Jährige war bereits seit Wochen inhaftiert. Er habe sich zuvor im Hungerstreik befunden, um einen rechtlichen Beistand zu erzwingen. Ein letztes Treffen mit seinen Angehörigen sei ihm verwehrt worden, berichteten die Aktivisten außerdem. 

Ein Interview seines Vaters mit der Zeitung Etemad hatte Ende Dezember viel Aufmerksamkeit bekommen. „Mein Urteil ist die Hinrichtung, Papa, erzähl‘ Mama nichts davon“, habe sein Sohn ihn in einem Telefonat gebeten, hatte der Vater im Interview erklärt. „Wenn Mehdi etwas zustößt, endet auch unser Leben“, fügte der Vater an.

Iran: Mehr als 500 Menschen bei Protesten ums Leben gekommen

Insgesamt wurden im Iran bislang 14 Demonstranten zum Tode verurteilt. Vier von ihnen wurden bereits hingerichtet, zwei weitere Todesurteile wurden vom Obersten Gericht bestätigt, sechs Verurteilte warten auf ein neues Verfahren und zwei weitere können Berufung einlegen. Der Iran wird seit dem Tod der Kurdin Jina Mahsa Amini Mitte September von einer Protestwelle erschüttert. Die 22-Jährige war nach der Festnahme durch die Sittenpolizei wegen eines Verstoßes gegen die strikte islamische Kleiderordnung gestorben.

Nach jüngsten Schätzungen der in den USA ansässigen Organisation Human Rights Activists News Agency (HRANA) sind bei den Protesten bereits mehr als 500 Menschen ums Leben gekommen, unter ihnen 70 Minderjährige sowie knapp 70 Polizei- und Sicherheitskräfte. Mehr als 19.000 Demonstranten seien verhaftet worden. (mit afp)

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