Interview

CDU-Grundsatzprogramm
Welcher Islam gehört (nicht) zu Deutschland, Frau Güler?

Lesezeit 5 Minuten
Serap Güler (CDU), Mitglied des Deutschen Bundestages

Serap Güler (CDU), Mitglied des Deutschen Bundestages

Wie hält es die CDU mit dem Islam? Eine Formulierung im Entwurf zum neuen CDU-Grundsatzprogramm löst Debatten aus, Anfang Mai soll ein CDU-Bundesparteitag das Programm beschließen. Fragen an die Kölner CDU-Politikerin Serap Güler

Frau Güler, im Entwurf zum neuen CDU-Grundsatzprogramm steht der Satz: Ein Islam, der unsere Werte nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland. Sie selbst sind an der Programmarbeit maßgeblich beteiligt – und Sie sind Muslimin. Was macht so ein Satz mit Ihnen?

Zuerst mal ist es mir wichtig, zu betonen, dass der viel kritisierte Absatz jetzt mit dem Satz anfängt, dass Muslime ein Teil unserer Gesellschaft sind und viele von ihnen eine neue Heimat in Deutschland gefunden haben. Dann erst kommt der Satz, den Sie zitieren. Dieser stellt klar, dass es verschiedene Formen des Islams gibt, wie zum Beispiel den politischen Islam. Oder den wahhabitischen Islam, der mit meinem Selbstverständnis als muslimische Frau und mit dem Islam, in dem ich groß geworden bin, nichts zu tun hat. Insofern machen wir mit dem Satz deutlich: Wir erkennen die verschiedenen Formen des Islams an und sprechen uns ganz klar nur gegen die aus, die nicht mit unseren Werten vereinbar sind. Damit kann ich sehr, sehr gut leben.

Ich bin katholisch und weiß, dass auch meine Kirche jedenfalls am Rand Probleme mit völkisch-nationalen Kräften hat. Die Bischöfe haben sich nicht umsonst davon abgegrenzt. Also könnte man auch sagen, ein Katholizismus, der unsere Werte nicht teilt, gehört nicht zu Deutschland. Oder denken Sie an die Probleme mit der russischen Orthodoxie. Warum picken Sie den Islam heraus?

Denken Sie an die Bilder aus Berlin-Neukölln nach dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober. Da müssen wir Muslime ehrlich sein. Mit diesen extremistischen Gruppen wollen wir gerade nicht in eine Schublade gesteckt werden – dagegen hätte ich mich auch mit Händen und Füßen gewehrt.

Wir stellen im Kapitel über Religion auch deutlich heraus, dass Religion nicht über dem Grundgesetz steht. Das sagen wir wirklich für alle. Im Unterschied allerdings zu christlichen Konfessionen und dem Judentum ist der Islam historisch in Deutschland nicht gewachsen. Machen wir uns nichts vor. Ich kenne die Problemfelder auch auf christlicher Seite, die Sie angesprochen haben. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass diese Gruppen einen sehr viel kleineren Anteil ausmachen als bei den Muslimen, wo sie viel deutlicher wahrnehmbar sind. Denken Sie an die Bilder aus Berlin-Neukölln nach dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober. Da müssen wir Muslime ehrlich sein. Mit diesen extremistischen Gruppen wollen wir gerade nicht in eine Schublade gesteckt werden – dagegen hätte ich mich auch mit Händen und Füßen gewehrt.

Mich interessiert auch der zweite Teil der Aussage: Was ist damit gemeint, dass eine bestimmte problematische Form von Islam nicht zu Deutschland gehört? Einen zugereisten Salafistenprediger können wir vielleicht ausweisen, aber viele Extremisten, muslimischer oder anderer Provenienz, leben doch lange hier, haben ein gesichertes Aufenthaltsrecht, sind vielleicht Staatsbürger. Was heißt es dann, sie gehören nicht zu Deutschland?

Das ist als politische Aussage zu verstehen. Wir als CDU sagen: Das ist etwas, was wir nicht als ein Teil Deutschlands sehen wollen. Und natürlich müssen wir im Rahmen des Rechtsstaats handeln. Niemand will den Rechtsstaat außer Kraft setzen. Unter den Salafisten sind Staatsbürger, zum Teil Konvertiten wie Pierre Vogel. Trotzdem finde ich, so jemand gehört hier eigentlich nicht hin. Und es gibt unter den Extremisten auch Leute, die noch nicht so lange im Lande sind. Gegen die müssen wir unsere rechtsstaatlichen Instrumente einsetzen. Aber auch bei den anderen kann ich doch politisch sagen, okay, das mögen deutsche Staatsbürger sein, aber ich bin trotzdem der Meinung, das gehört hier nicht hin.

Aber können Sie mit so einer Argumentation gegen Extremisten wie Martin Sellner mit seinen Remigrations-Phantasien gewinnen? Die sagen ja, wer hier nicht hingehört, soll gehen.

Das kann man doch überhaupt nicht vergleichen. Sellner spricht über alle Leute mit Migrationsgeschichte. Was er in seinen Büchern schreibt, was auf der Potsdamer Konferenz Thema war, das betrifft 25 bis 30 Prozent der Gesellschaft. Ich konzentriere mich auf diejenigen, wo ich sage, okay, da gibt es echt ein Problem. Salafistische Gruppen sind viel in Schulen unterwegs. Sie versuchen unsere Jugendlichen durch Brainwashing und über die sozialen Medien zu erreichen. Sie wollen einen Keim des Hasses in unserer Gesellschaft legen. Dagegen müssen wir uns wehren und zugleich deutlich machen: dabei geht es nicht um den Islam an sich, sondern um einen bestimmten Teil, um eine extremistische Richtung, die nicht dazugehört. So wie auch Rassismus nicht dazugehört.

Die Aussagen über Leitkultur richten sich nicht nur an eine Gruppe in dem Sinne, dass sich die Leute, die neu dazugekommen sind, haben, daran zu halten hätten. Sondern an die Gesamtgesellschaft.

Andersrum: Wer oder was gehört dann zu Deutschland? Sie setzen ja auf den Begriff der Leitkultur – der war ja früher, ich denke an die Zeiten von Heiner Geißler, in der CDU recht umstritten. Was ist damit jetzt gemeint?

Die Aussagen über Leitkultur richten sich nicht nur an eine Gruppe in dem Sinne, dass sich die Leute, die neu dazugekommen sind, daran zu halten hätten. Sondern an die Gesamtgesellschaft. Wir machen uns Gedanken darüber: Was macht uns eigentlich als Deutschland aus? Was macht uns als Deutsche aus? Dazu gehört die Sprache. Dazu gehört übrigens auch das Ehrenamt. Beim ehrenamtlichen Engagement stehen die Deutschen weltweit ganz vorn. Wenn man etwas typisch Deutsches definieren will, gehört es sicher dazu. Ferner: das Existenzrecht Israels, von dem wir sagen, das ist deutsche Staatsräson. Wir möchten mit dem Begriff Leitkultur aber auch eine gesamtgesellschaftliche Debatte anstoßen. Eine Kultur ist nie etwas Geschlossenes. Da kommt immer etwas dazu.

Nun gibt es ja das Grundgesetz, genügt das nicht als Basis?

Es wird oft gesagt: Das Grundgesetz ist doch schon die Leitkultur. Das Grundgesetz ist das Versprechen eines Staates gegenüber seinen Bürgerinnen und Bürger, aber nicht eben ein Regelwerk für ein mittlerweile so vielfältiges Einwanderungsland, wie wir sind. Da muss es ein paar Grundregeln geben, die nicht in Frage gestellt werden. Es geht ausdrücklich nicht darum, ob man in den eigenen vier Wänden Deutsch spricht. Aber wir müssen uns einig sind, das ist die Amtssprache, und diese Sprache muss jeder sprechen, der in diesem Land lebt und auch wirklich ankommen möchte.

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