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Kommentar zur GrundrenteAuf die Einigung folgt der Teufel mit den Details

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akk, dreyer, söder

Annegret Kramp-Karrenbauer (l), CDU-Vorsitzende, Malu Dreyer (M), kommissarische SPD-Vorsitzende, und Markus Söder, CSU-Vorsitzender, kommen nach der Sitzung des Koalitionsausschusses zum Statement.

  1. Bis zu 1,5 Millionen Menschen können künftig eine Grundrente erhalten, die höher liegt als die Grundsicherung.
  2. Die Gesamtkosten für diese Leistungen belaufen sich auf bis zu bis 1,5 Milliarden Euro.
  3. Geplant ist eine umfassende Einkommensprüfung.

Die Stoßrichtung beim Kompromiss für die Grundrente stimmt: Es wird eine Bedarfsprüfung geben, für die Betroffene nicht beim Sozialamt vorstellig werden müssen. Die Größenordnung ist so gewählt, dass auch Menschen, die heute geringfügig über der Grundsicherung liegen, profitieren können. Zudem hat die Koalition Impulse für Wirtschaft, Arbeitnehmer und Zukunftstechnologie gesetzt. Das macht alles Sinn.

Der Teufel aber steckt wie immer im Detail. Es muss einen misstrauisch stimmen, dass die Koalitionsspitzen weder die genaue Zahl der Nutznießer einer Grundrente noch die exakten Kosten benennen konnten. Für das Gesetzgebungsverfahren ist neuer Streit programmiert.

Zudem ist völlig unklar, ob die Rentenversicherung tatsächlich die Einkommensprüfung übernehmen kann. Bislang gibt es keinen Datenaustausch zwischen Finanzämtern und der Rentenversicherung. Wie ein solches Großprojekt der Einkommensprüfung von Millionen Senioren mit kleinen Renten in gut einem Jahr realisiert werden soll, ist völlig schleierhaft. Die Kuh ist also noch nicht vom Eis.

Denkbar schlechter Start für Neuwahlen

Die große Koalition hat in einem erneuten Kraftakt bewiesen, dass sie regieren kann und will. Allerdings ist das Vorgehen, wonach eine Koalition erst einmal existenziell am Abgrund stehen muss, bevor eine Einigung möglich ist, zermürbend nach innen und schädlich im Bild nach außen. Die Grundrente war zum Faustpfand jener Kräfte in den Parteien geworden, die das Regierungsbündnis lieber früher als später beenden wollten. In der SPD sind das jene Funktionäre, die von Anfang an Stimmung gegen die Koalition mit der Union gemacht haben. In der Union sind es jene Politiker, die schon seit Jahren einen Groll hegen gegen Merkels Euro-, Flüchtlings- und Sozialpolitik.

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Am Ende erweisen sich Union und SPD mit der Einigung auch selbst einen Gefallen. Wäre die Koalition an der Grundrente zerschellt, hätten beide Parteien von einer denkbar schlechten Startposition aus in Neuwahlen gehen müssen. Beide Parteien liegen auf einem historischen Tiefpunkt in den Umfragewerten und bei beiden Parteien ist nicht geklärt, wer als Kanzlerkandidat in einen Wahlkampf starten sollte.

Im Prinzip ist die Grundrente eine sinnvolle Investition des Sozialstaats. Sie kann Menschen vor Altersarmut schützen und folgt dem Grundsatz, dass sich Anstrengung im Leben lohnt. Die wechselnden Bundesregierungen hätten diese Sozialleistung auch schon viel früher verabschieden können. Stattdessen wurde zweimal die Mütterrente erhöht und eine Rente ab 63 Jahren eingeführt. Für beide Maßnahmen mag es gute Argumente geben. Gezielte Maßnahmen gegen Altersarmut sind sie nicht.