Die Gesetzliche Krankenversicherung will vor Gericht: Der Bund zahle für Bürgergeld-Empfänger nur ein Drittel der tatsächlichen Kosten, der Rest werde auf andere Beitragszahler abgewälzt.
Milliarden-ForderungKrankenkassen kündigen Klage gegen Bund an

Streit um Beiträge: Die Gesetzliche Krankenversicherung geht in die Offensive
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Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung will die Bundesregierung verklagen, weil diese seit Jahren die Beiträge für Bürgergeldempfänger nicht ausreichend abdecke. Pro Jahr entstehe damit eine Finanzierungslücke von rund zehn Milliarden Euro, die die anderen Beitragszahler übernehmen müssten. Dies sei gesetzwidrig. Die beiden vergangenen Regierungskoalitionen hätten sich eine entsprechende Änderung zwar vorgenommen, aber nicht umgesetzt.
Im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung komme dieses Ziel nicht einmal mehr vor. Daraus müsse man nun Konsequenzen ziehen, hieß es beim GKV-Verband. Dessen Co-Verwaltungsratsvorsitzender Uwe Klemens sagte am Donnerstag in Berlin: „Ich bin gefragt worden, warum wir das jetzt machen. Auf Pfälzisch: Weil's jetzt langt!“ Derzeit zahlt der Bund über die Jobcenter für jeden Bürgergeldempfänger monatlich pauschal rund 133 Euro. Diese Summen könnten „nicht annähernd die Ausgaben der Krankenkassen für diesen Personenkreis decken“. Die Solidargemeinschaft der Gesetzlichen Krankversicherung werde dadurch seit vielen Jahren in Milliardenhöhe belastet.
Pauschale deckt Kosten nur zu 39 Prozent
Der Verband bezieht sich auf ein Gutachten, das schon 2016 eine starke Diskrepanz zwischen Bedarf und Pauschale festgestellt habe. Die Ausgaben der Krankenkassen für die damals noch ALG II-Beziehenden waren demnach nur zu 38 Prozent durch die Pauschalen abgedeckt. 9,6 Milliarden Euro hätten schon damals gefehlt. Bei einer Neuberechnung auf Basis der Daten von 2022 sei dasselbe Institut jetzt zu einer Abdeckung von 39 % und einem Fehlbetrag von 9,2 Milliarden Euro gekommen. Die Pauschale habe im Jahr 2022 rund 108 Euro betragen, hätte aber schon damals bei 311 Euro liegen müssen, um die Kosten zu decken, so die Gutachter.
Die gesetzliche Krankenversicherung erfülle damit eine Aufgabe, „die in die alleinige Verantwortung des Bundes fällt“, teilte der GKV-Spitzenverband am Donnerstag mit. Dies bedeute einen „rechtswidrigen Eingriff in das Recht der Sozialversicherungsträger zu organisatorischer und finanzieller Selbstständigkeit“, die im Grundgesetz verankert sei. Außerdem verstießen die Krankenkassen unfreiwillig gegen das strenge Gebot der Zweckbindung von Sozialversicherungsbeiträgen. Deshalb will der Verband für alle Kassen, die ihn mit der Prozessführung beauftragen, die Bundesrepublik verklagen. Der Staat wird hier vom Bundesamt für Soziale Sicherung vertreten, das im Herbst wieder die entsprechenden Zuwendungsbescheide versenden wird. Zuständig ist gemäß Sozialgerichtsgesetz das Landessozialgericht NRW.