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Scharfe Kritik an Wagenknecht und Käßmann„Für mich liest sich der Text wie ein Manifest der Unterwerfung“

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Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer stehen im Rheinauhafen am Rhein. Wagenknecht und Schwarzer stehen für ihr „Manifest für Frieden“ in der Kritik. (Archivbild)

Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer stehen im Kölner Rheinauhafen am Rhein. Wagenknecht und Schwarzer stehen für ihr „Manifest für Frieden“ in der Kritik. (Archivbild)

Kurz vor dem ersten Jahrestag des Angriffs auf die Ukraine wird weiter scharfe Kritik am „Manifest für Frieden“ laut. Unterstützerin Margot Käßmann bekommt Widerspruch aus der eigenen Kirche.

Die Kritik an den Urhebern und Unterstützern des sogenannten „Manifests für Frieden“ reißt nicht ab. Während der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, Initiatorin Sahra Wagenknecht für ihren Vorschlag kritisiert, den Frontverlauf „einzufrieren“ und Friedensverhandlungen mit Russland zu führen, muss sich die ehemalige Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche, Margot Käßmann, scharfe Kritik aus den eigenen Reihen gefallen lassen. Auch der Politologe Herfried Münkler meldet sich erneut mit scharfer Kritik zu Wort.

Regionalbischöfin Petra Bahr wirft Käßmann in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung „Die Zeit“ vor, mit ihrer Unterschrift unter dem von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer initiierten Papier das Leid der Ukrainer zu ignorieren. „Für mich liest sich der Text wie ein Manifest der Unterwerfung“, sagte Bahr im Streitgespräch mit Käßmann. „Die zynische Pointe des Papiers besteht darin, dass sich alles um uns dreht, um die deutsche Angst vor einem Atomkrieg, deutsche Befindlichkeiten.“ Der Aggressor Russland werde nicht adressiert. „Kriegsverbrechen und der Überlebenskampf der Ukrainer werden hintangestellt.“

Scharfe Kritik an Manifest-Unterstützerin Margot Käßmann

Deutschland habe für den Ausgang des Krieges gegen die Ukraine eine „besondere Verantwortung“, erklärte Bahr. Es gebe „Situationen, in denen Waffen im Angesicht des Bösen noch Schlimmeres verhindern“ und der „Wiederherstellung von Recht und Gerechtigkeit“ dienen. Pazifismus sei als Haltung zwar beeindruckend, man könne sie aber niemandem auferlegen. Deshalb brauche es im Ukraine-Konflikt „gegenwärtig auch Waffen.“

Käßmann widersprach der Kritik vehement. „Am Ende können Waffen keinen Frieden schaffen“, sagte die ehemalige Ratsvorsitzende und kritisierte, „dass wir uns jetzt in einer Phase permanenter Aufrüstung befinden.“ Gerade als Deutsche sei sie aber überzeugt, „dass wir immer zuerst diplomatisch handeln sollten.“

Ukrainischer Botschafter kritisiert Sahra Wagenknecht: „Frieden muss erkämpft werden“

Der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev hat Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht unterdessen für ihren Vorschlag kritisiert, den Frontverlauf „einzufrieren“ und Friedensverhandlungen mit Russland zu führen. Makeiev warf Wagenknecht am Mittwoch im ZDF-Morgenmagazin vor, dass sie bei Straftaten auch vorschlagen würde, lieber in Verhandlungen zu gehen, als die Polizei anzurufen. Der Krieg sei etwas weit entfernt – auch von deutschen Fernsehzuschauern, sagte Makeiev. Wer sich für Frieden einsetze, müsse Kremlchef Wladimir Putin sagen: „Raus aus der Ukraine!“.

Im Gespräch mit dem TV-Sender Phoenix präzisierte Makeiev seine Kritik am Manifest von Schwarzer und Wagenknecht – und äußerte sich auch zur geplanten Kundgebung in Berlin. „Es wäre sehr gut, wenn diese Friedensdemonstration ein Stück weiter Unter den Linden geht und vor der russischen Botschaft fordert, dass Russland stoppt, Zivilisten zu töten – das wäre eine gute Botschaft. Wir in der Ukraine haben in den letzten neun Jahren ganz klar verstanden, dass der Frieden nicht vom Himmel fällt. Frieden muss erkämpft werden.“

Herfried Münkler: „Hätte Schwarzer die Polen 1939 beraten, dann hätten die keinen Widerstand geleistet“

Auch der Politologe Herfried Münkler, der in der Vorwoche im „Kölner Stadt-Anzeiger“ bereits scharfe Kritik an dem Manifest von Schwarzer und Wagenknecht geäußert hatte, legte noch einmal nach – und geht mit den beiden Urheberinnen hart ins Gericht. „Einem so ausgewiesenen Zyniker wie Putin mit Moral kommen zu wollen ist schon vermessen. Für mich ist das Selbstsuggestion von deprimierten Intellektuellen“, sagte Münkler im Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Der russische Präsident Wladimir Putin sei bereit, „den Konflikt zu eskalieren, um das Geschehen zu dominieren“. Bloße Moral helfe deshalb nicht weiter.

Münkler kritisierte ausdrücklich den von Schwarzer und Wagenknecht initiierten Friedensaufruf. „Jene, die jetzt wie Alice Schwarzer oder Sahra Wagenknecht laut nach Diplomatie rufen, haben nicht begriffen, was die Voraussetzungen dafür sind, dass die Diplomatie ins Spiel kommt“, sagte Münkler und führte weiter aus: „Dafür müssen die Russen einsehen, dass sie ihre Kriegsziele nicht erreichen können, weil die Ukraine nachhaltigen Widerstand leistet.“

Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer wollen Ukraine weitere Unterstützung verwehren

„Hätte Alice Schwarzer die Polen 1939 beraten, dann hätten die keinen Widerstand geleistet, dann hätte auch der Zweite Weltkrieg nicht am 1. September 1939 begonnen, weil Adolf Hitler seine Ziele ja kampflos erreicht hätte“, führte Münkler aus und fragte: „Was heißt dann: Nie wieder Krieg? Bedeutet das ein Votum für den Unterwerfungspazifismus?“ Militärische Abschreckung sei notwendig, erklärte Münkler zudem.

Schwarzer und Wagenknecht hatten zuvor ein „Manifest für Frieden“ veröffentlicht und darin gefordert, Waffenlieferungen an die Ukraine einzustellen und stattdessen Verhandlungen mit dem Kreml zu führen. Auf eine Verhandlungsbereitschaft Moskaus deutet allerdings nichts hin. Mittlerweile haben sich erste Unterstützer des Manifests distanziert. So nahm der Politikwissenschaftler Johannes Varwick seine Unterschrift unter dem Manifest zurück – und kritisierte die mangelnde Abgrenzung zu Rechtsextremen und die Art und Weise, wie Wagenknecht und Schwarzer in einem gemeinsamen Video ihr Manifest beworben hatten.

Auch Margot Käßmann fand mittlerweile kritische Worte – allerdings nicht für das Manifest an sich, sondern für die geplante Kundgebung am 25. Februar in Berlin, bei der sie nicht mitmachen wolle. Käßmann bemängelte, dass die Veranstalter sich nicht ausreichend von rechtsextremer Unterstützung für ihr Anliegen distanziert hätten.