Messerattacke in BrüsselEin Anschlag mit Ansage?

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dpatopbilder - 11.11.2022, Belgien, Brüssel: Belgische Polizeibeamte stehen in einem abgesperrten Bereich, in dem am Donnerstag, 10.11.2022, zwei Polizisten erstochen wurden. Die Behörden erklärten am frühen Freitag, dass der Angreifer einen Polizeibeamten tötete und einen weiteren verletzte. Foto: Geert Vanden Wijngaert/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Belgische Polizeibeamte stehen in einem abgesperrten Bereich, in dem am Donnerstag, 10.11.2022, zwei Polizisten erstochen wurden.

Nach der Messerattacke auf zwei Streifenbeamte in Brüssel muss sich die Polizei viele Fragen gefallen lassen: Der mutmaßliche Täter war nicht nur als Extremist registriert, er hatte sich sogar im Vorfeld bei der Polizei mit einem Anschlag gedroht.

Auch am Tag danach war die Gegend um den Brüsseler Nordbahnhof mit blau-weißen Flatterbändern abgesperrt, Polizisten standen an jeder Ecke. Es herrscht Schock in der belgischen Hauptstadt, nachdem am Donnerstagabend ein Polizist bei einem Messerangriff getötet und ein weiterer Beamter verletzt worden waren. Die beiden hatten in ihrem Streifenwagen an einer roten Ampel gewartet, als ein Mann gegen 19 Uhr erst den 29-jährigen Beamten Thomas M. mit einem Messer attackierte und ihn so schwer am Hals traf, dass dieser kurze Zeit später im Krankenhaus seinen Verletzungen erlag. Dann sei der mutmaßliche Täter laut offiziellen Angaben auf die Beifahrerseite gelaufen und war auf den 23-jährigen Beamten Jason P. losgegangen. Er wurde aufgrund einer Armverletzung notfallmäßig in eine Klinik gebracht und in der Nacht operiert, schwebe aber nicht mehr in Lebensgefahr, bestätigte die Bundesstaatsanwaltschaft am Freitag.

Täter war der Justiz bekannt

Jason P. habe über Funk um Hilfe gerufen und dabei noch erklärt, dass der Angreifer „Allahu Akbar" („Gott ist groß“) gerufen habe. Ein zur Verstärkung herbeigeeilter Kollege schoss auf den Verdächtigen und setzte ihn „außer Gefecht“, wie bekannt wurde. Der zuständige Richter leitete am gestrigen Freitag eine Untersuchung „wegen Mordes und versuchten Mordes in einem terroristischen Kontext“ ein.

Der mutmaßliche Täter ist der 1990 in Belgien geborene Yassine M. Er war den Justizbehörden wegen mehrerer Verstöße gegen allgemeine Gesetze bekannt, wegen denen er zwischen 2013 und 2019 eine Haftstrafe verbüßte. Das prekäre Detail, weshalb sich die Beamten nun viele Fragen gefallen lassen müssen: Der belgische Staatsbürger war auch beim nationalen Anti-Terror-Stab Ocam als „potenziell gewaltbereiter Extremist“ registriert.

„Heute wacht das Polizeikorps an einem besonders traurigen Tag auf“, sagte der Polizeichef des Bezirks, Olivier Slosse, und kondolierte der Familie und den Freunden des Opfers. Der belgische Ministerpräsident Alexander De Croo sprach ebenfalls sein Mitgefühl aus und erklärte: „Unsere Polizeibeamten riskieren täglich ihre Leben, um für die Sicherheit unserer Bürger zu sorgen. Die heutige Tragödie demonstriert dies einmal mehr.“

Angriff weckt düstere Erinnerungen

Wie aber konnte die Tat trotz der Vorgeschichte passieren, noch dazu, nachdem Yassine M. sie am selben Tag angekündigt hatte? Handelte es sich um ein Polizeiversagen? M. hatte nach Angaben des zuständigen Staatsanwalts erst am Donnerstagvormittag auf einer Wache damit gedroht, einen Anschlag auf die Polizei zu verüben, und von Hass auf die Polizei gesprochen. Zudem hatte er um psychologische Betreuung gebeten, woraufhin die Beamten ihn in die psychiatrische Notaufnahme einer Klinik brachten. Als sich die Beamten später in der Einrichtung über den Zustand von Yassine M. erkundigten, habe sich herausgestellt, dass dieser das Krankenhaus wieder verlassen hatte. Die rechtlichen Kriterien für eine Zwangseinweisung seien nicht erfüllt gewesen, der Verdächtige sei dort lediglich in „freiwillige“ Behandlung übergeben worden, betonte ein Sprecher gestern. Warum aber wurde er nicht weiter beobachtet?

Die Tat weckt schreckliche Erinnerungen bei der Bevölkerung. Am 22. März 2016 hatten drei Selbstmordattentäter der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) am Brüsseler Flughafen Zaventeem sowie in der Metro-Station Maelbeek im EU-Viertel 32 Menschen getötet, Hunderte wurden teils schwer verletzt. Doch auch der Tatort dürfte die Diskussionen befeuern. Der Bahnhof Gare du Nord ist einer der drei großen Stationen Brüssels und liegt nicht weit entfernt von Molenbeek, jenem Stadtteil, der seit den Anschlägen in Frankreich 2015 als Dschihadisten-Hochburg in den Schlagzeilen war. Abdelhamid Abaaoud, der Drahtzieher der Anschläge von Paris, stammte wie auch einer seiner Mittäter Salah Abdeslam aus der Brüsseler Gegend.

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