„Brandbeschleuniger“Kretschmer gerät nach „charakterlosen“ Aussagen zu Asylrecht unter Druck

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Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) richtet bei einer Pressekonferenz sein Mikrofon.

Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) bekommt viel Kritik für seine Vorschläge zu einer anderen Asylpolitik. Kretschmer hatte unter anderem eine Grundgesetzänderung ins Spiel gebracht.

Der sächsische Ministerpräsident will das deutsche Asylrecht reformieren – und erntet deutliche Kritik. Ein Ex-Minister springt ihm zur Seite.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) ist für seine Äußerungen in Bezug auf die deutsche Asylpolitik scharf kritisiert worden. Vor allem Grüne, SPD und Linke kritisierten Kretschmers Aussagen in einem Interview mit der „Welt“. Der CDU-Politiker hatte grundlegende Reformen in der Migrationspolitik gefordert, die Zahl der Menschen, die nach Deutschland kommen würden, sei „einfach zu groß“.

Kretschmer sprach sich dabei für eine neue Kommission aus, in der alle „gesellschaftlichen und politischen Gruppen“ vertreten seien sollen, um einen möglichst „breiten gesellschaftlichen Konsens“ in Migrationsfragen zu erzielen. Der 48-Jährige warb für einen harten Kurs bei der Rückführung abgelehnter Asylbewerber und illegaler Einwanderer. „Das wird nicht gut gehen, wenn die Dinge so weiterlaufen“, erklärte Kretschmer weiter.

Michael Kretschmer: Linke nennt CDU-Politiker „rhetorischen Brandbeschleuniger“

Kretschmers Interview, das am 30. Jahrestag des rassistischen Brandanschlags in Solingen erschien, löste teilweise starkes Entsetzen aus. „Du kannst als Politiker heute entweder dem Mord in Solingen gedenken oder ‚das Boot ist voll‘ schreien. Kretschmer hat sich entschieden – absolut charakterlos“, twitterte SPD-Mitglied Matheus Berg.

Die Linken-Bundestagsabgeordnete Clara Anne Bünger zeigte sich ebenfalls entsetzt über Kretschmers Forderungen: „Kretschmers Worte sind rhetorische Brandbeschleuniger in einer ohnehin überhitzt geführten Debatte.“ Der Ministerpräsident der CDU steht in Sachsen unter Druck, zuletzt waren die Christdemokraten in Umfragen hinter die AfD zurückgefallen.

Michael Kretschmer: AfD setzt sächsischen Ministerpräsident unter Druck

Die jüngsten Aussagen Kretschmers könnten daher auch Wahlkampf-Taktik sein, vermutet SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese: „Herr Kretschmer scheint massiv unter Druck zu stehen, da Teile seiner CDU in Sachsen offen mit der AfD koalieren wollen.“

In einigen sächsischen Kommunen hatten CDU-Politiker laut darüber nachgedacht, mit der AfD zusammenzuarbeiten, im sächsischen Landtag koaliert Kretschmer mit SPD und Grünen. Eine Zusammenarbeit mit der rechtspopulistischen Partei hat der Ministerpräsident bisher stets abgelehnt. Die nächste Landtagswahl in Sachsen steht 2024 an.

Kretschmer hatte im Rahmen seiner Forderungen auch erklärt, die Kommission könnte Artikel 16a des Grundgesetzes ändern, der das Asylrecht in Deutschland teilweise regelt. Im ersten Absatz heißt es „politisch Verfolgte genießen Asylrecht“, in den weiteren Absätzen werden dafür Bedingungen genannt.

Stephan Thomae von der FDP erklärte gegenüber der „Welt“, dass eine Änderung nur minimale Auswirkungen auf die Entscheidung über Asylanträge in Deutschland haben würde. Von 228.000 Asylentscheidungen im Jahr 2022 seien nur in 0,8 Prozent der Fälle Asyl nach Artikel 16a Grundgesetz gewährt worden. Die weitaus meisten Anerkennungen erfolgten auf Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention. „Die von Kretschmer erwähnte Grundgesetzänderung hätte praktisch keinen Effekt“, resümiert Thomae.

Asylrecht: Jens Spahn verteidigt umstrittene Aussagen von Michael Kretschmer

Trotz deutlichem Gegenwind springt die eigene Partei Kretschmer zur Seite. CDU-Politiker und Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn twitterte zu Spahns Vorschlag: „Michael Kretschmer hat recht. Unser Herz ist weit, aber die Möglichkeiten sind begrenzt – und im ganzen Land überlastet. Wir müssen das Thema Flucht und Migration neu zu denken wagen. Seit 2015 drehen wir uns ohne irgendeinen Fortschritt im Kreis. Während die Probleme immer größer werden“, twitterte Spahn.

Michael Kretschmer regiert seit 2017 in Sachsen, war zuvor lange Mitglied des Deutschen Bundestags. Er gewann 2019 die Landtagswahl in Sachsen mit 32,1 Prozent vor der AfD, fiel aber in den vergangenen Monaten jedoch immer wieder mit sehr konservativen Positionen auf. Kretschmer verurteilte zudem wiederholt Waffenlieferungen an die Ukraine. (shh)

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