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„Sollen zittern wie Tiere“Moskau attackiert Europa und Merz – Militärexperten sehen „Phase 0“ erreicht

6 min
Kremlchef Wladimir Putin. Der russische Präsident setzt in der Ukraine weiter auf einen Konfrontationskurs gegenüber dem Westen. (Archivbild)

Kremlchef Wladimir Putin. Der russische Präsident setzt in der Ukraine weiter auf einen Konfrontationskurs gegenüber dem Westen. (Archivbild)

Laut einer US-Analyse beschleunigt Moskau die Vorbereitungen auf einen möglichen Konflikt. Auch gegenüber Kanzler Merz wird der Ton rauer.

Die Signale aus Moskau scheinen eindeutig: Russland könnte sich nach Einschätzung von US-Militäranalysten auf einen zukünftigen Konflikt mit der Nato vorbereiten. Zwar könne man derzeit keine konkreten Maßnahmen beobachten, jedoch scheine Moskau die „informationellen und psychologischen Voraussetzungen“ für einen zukünftigen Konflikt zuletzt deutlich zu forcieren, berichteten nun die Analysten des amerikanischen Instituts für Kriegsstudien (ISW).

„Russland scheint die Phase 0 seiner Kampagne zur Vorbereitung auf einen möglichen künftigen Krieg zwischen der NATO und Russland zu beschleunigen“, erklärten die Analysten der US-Denkfabrik mit Blick auf die jüngsten Wortmeldungen aus Moskau – aber auch angesichts der zahlreichen Zwischenfälle, die es zuletzt in Europa gegeben hatte.

US-Analysten: Russland beschleunigt „Phase 0“

Dass es immer mehr Vorfälle wie Drohnen im Nato-Luftraum, Sabotageakte, GPS-Störungen und Brandstiftungen gebe, deute darauf hin, dass Moskau in eine erste Vorbereitungsphase für einen Konflikt mit der Nato eingetreten sei. Eine Bewertung darüber, ob der Kreml tatsächlich einen Krieg gegen das westliche Verteidigungsbündnis plant, gaben die US-Analysten jedoch nicht ab.

Angst in der europäischen Bevölkerung zu verbreiten, sei jedoch derzeit eindeutig das Ziel Moskaus, berichtete das ISW. Damit sollen zum einen Zugeständnisse im Krieg gegen die Ukraine erreicht werden. Zum anderen solle Europa aus Furcht vor der Provokation russischer Angriffe aber auch davon abgehalten werden, seine eigenen Verteidigungsfähigkeiten weiter auszubauen, erklärten die Analysten.

ISW: Kreml will Rechtfertigung für mögliche Aggression schaffen

Zusätzlich werden in Russland vermehrt Vorwürfe gegen europäische Staaten laut, sie würden sogenannte False-Flag-Angriffe durchführen – also selbst Angriffe inszenieren, um sie anschließend Moskau zuschreiben zu können. Auf diese Weise solle nicht nur in Europa Angst geschürt, sondern auch die eigene Bevölkerung beeinflusst werden, heißt es dazu im aktuellen Lagebericht des ISW.

Der Kreml wolle mit seinem derzeitigen Kurs die Rechtfertigung für eine mögliche zukünftige Aggression gegen die Nato schaffen und sich bereits jetzt die öffentliche Unterstützung der russischen Bevölkerung dafür sichern, so die Analyse aus den USA.

Europäische Geheimdienste halten Angriff für denkbar

Auch die Umstrukturierung russischer Militärbezirke an der Westgrenze sowie der Aufbau von Militärstützpunkten nahe der finnischen Grenze könnte der Denkfabrik zufolge Teil der Vorbereitungen auf einen künftigen Krieg mit der Nato sein. Bereits zu Beginn des Jahres hatten europäische Geheimdienste vor einem möglichen russischen Angriff gewarnt, darunter auch der deutsche Bundesnachrichtendienst.

ARCHIV - 01.10.2025, Berlin: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), gibt nach der Klausurtagung des Bundeskabinetts von CDU, CSU und SPD eine Pressekonferenz.  (zu dpa: «Merz warnt vor neuer Welle des Antisemitismus in Deutschland») Foto: Kay Nietfeld/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU).

Die jetzige Warnung der US-Analysten wird durch Äußerungen aus Moskau durchaus gestützt – dort nehmen sowohl der Kreml als auch die Propagandamaschinerie zuletzt vor allem Europa ins Visier. Auch Friedrich Merz (CDU) rückt dabei derzeit in den Fokus. Der Bundeskanzler hatte den Verdacht geäußert, dass Russland hinter den jüngsten Drohnen-Vorfällen in Europa stecken könnte.

Dmitri Medwedew befeuert russische Propaganda

Während das russische Außenamt darüber spottete, dass Deutschland wohl „erst im nächsten Jahrhundert“ aufgeklärt haben werde, wer wirklich hinten den Vorfällen stecke, wies Kremlsprecher Dmitri Peskow die Anschuldigungen zurück. „Es gibt viele Politiker in Europa, die mittlerweile dazu neigen, Russland grundlos und wahllos für alles verantwortlich zu machen“, erklärte Peskow und fügte mit Blick auf Merz’ Worte hinzu: „So sehen wir diese Aussagen.“

Andere Töne schlug unterdessen Dmitri Medwedew an. Der ehemalige russische Präsident tritt seit Kriegsbeginn immer wieder mit drastischen Worten, vulgären Beleidigungen und wilden Drohungen an die Öffentlichkeit. Nun äußerte sich der Moskauer Scharfmacher zu den Drohnen-Vorfällen in Europa – und brachte fünf „Theorien“ zu Sprache.

Ex-Kremlchef äußert sich zu Drohnen-Vorfällen

Es könne sich um von der Ukraine durchgeführte Provokationen handeln, aber auch „Aktivitäten des prorussischen Untergrunds“ seien denkbar, schrieb der Ex-Kremlchef bei Telegram. Ebenso sei es möglich, dass westliche Geheimdienste die Verteidigungsfähigkeiten ihrer Luftabwehrsysteme testen wollten. Trittbrettfahrer und „einen direkten Drohneneinsatz aus Russland“ zählte er in seiner Liste ebenfalls auf.

Dmitri Medwedew hält eine Rede vor der Abbildung eines Atompilzes. (Archivbild)

Dmitri Medwedew hält eine Rede vor der Abbildung eines Atompilzes. (Archivbild)

Die letzte Möglichkeit – Moskau als Verursacher – schloss Medwedew jedoch sofort aus und begründete das wenig überzeugend damit, dass Putin eine Verwicklung in die Vorfälle bestritten habe. Für plausibel erklärte Medwedew derweil kaum überraschend, dass die Ukraine oder der Westen hinter den Störmanövern stecken könnten – und äußerte sich damit passend zur US-Analyse hinsichtlich der Absichten des Kremls.

Medwedew: Europäer sollen sich „vor Angst in die Hose machen“

Während Moskau mit derartigen „Theorien“ versucht, die Propagandamaschinerie anzuheizen, ohne sich dabei zu den Drohnen-Vorfällen zu bekennen, macht man in Russland keinen Hehl daraus, dass die Wirkung der Provokationen ganz im Sinne des Kremls ist.

„Das Wichtigste ist, dass die kurzsichtigen Europäer am eigenen Leib spüren, was die Gefahr eines Krieges bedeutet“, schrieb Medwedew freimütig bei Telegram und ließ schließlich derbe Worte folgen. Die Europäer sollten „Angst haben und zittern wie dumme Tiere in einer Herde, die zum Schlachten getrieben wird“, schrieb der ehemalige Kremlchef. Wichtig sei, „dass sie sich vor Angst in die Hose machen, weil sie ihr nahes und qualvolles Ende ahnen“, fügte Medwedew an.

„Vielleicht verstehen sie dann, was Krieg bedeutet“

„Vielleicht verstehen sie dann, was Krieg bedeutet und reißen ihren Freaks wie Merz und Macron, die mit Blutvergießen ihr Geld und politische Punkte verdienen, die Köpfe ab“, hieß es weiter vom nunmehrigen Vizechef des russischen Sicherheitsrates, der somit indirekt bestätigte, dass Moskau auf Verwerfungen im Westen hofft.

„Wir sollten politisch aggressiver sein“, forderte auch der Duma-Abgeordnete Andrei Lugowoi kürzlich in einer Talkshow im Staats-TV. So könne man die gesellschaftliche Spaltung in westlichen Ländern zu einem Erfolg für Russland machen, erklärte Lugowoi. „Wir sollten unsere Leute in ihrem täglichen Leben einsetzen. Wir sollten mit Journalisten und Politikern zusammenarbeiten. Wir sollten sie kaufen“, übte sich der russische Politiker nicht in Zurückhaltung.

Duma-Abgeordneter: „Sollten sie in politische Krise treiben“

Russland sollte die politischen Gegner im Westen „gegeneinander ausspielen“, forderte Lugowoi. „Wir sollten sie nicht nur in eine wirtschaftliche, sondern auch in eine politische Krise treiben.“ Dafür müsse Russland seine „Propagandaaktivität“ in Europa und Amerika „intensivieren“, erklärte der Politiker, der ebenso wie Kremlchef Putin früher für den sowjetischen Geheimdienst KGB tätig gewesen ist.

Während Lugowoi sich ausführlich zu Russlands Taktiken hinsichtlich der Beeinflussung der öffentlichen Meinung und Debatten äußerte, versuchte TV-Moderator Wladimir Solowjow die von Medwedew gewünschte Angst im Westen zu schüren.

TV-Propagandisten reden von Angriffen auf Europa

„Wir werden einen exzellenten Grund haben, um Großbritannien niederzubrennen“, erklärte der glühende Kriegsbefürworter mit Blick auf eine mögliche Lieferung amerikanischer Tomahawk-Marschflugkörper an die Ukraine im Staatsfernsehen. Ein Studiogast stimmte zu: Die von Moskau gewünschte neue Weltordnung könne nur „mit Angriffen auf Europa“ geschaffen werden. „Exakt – und warum sollten wir sie im Vorfeld davor warnen?“, erwiderte der Moderator.

Kanzler Merz blieb unterdessen trotz der schrillen Töne aus Moskau bei seinem Kurs. Putin führe einen „Informationskrieg gegen uns“, sagte der CDU-Politiker am Montag in einer ntv-Sendung. Der Kremlchef wolle die politische Ordnung Europas von den Füßen auf den Kopf stellen, erklärte Merz. „Und deswegen unterstützen wir die Ukraine.“

Friedrich Merz: Putin führt „hybriden Krieg gegen uns“

Es liege im deutschen Interesse, die politische Ordnung der offenen, freiheitlichen Gesellschaften in Europa zu verteidigen, führte der Kanzler aus. Auf die Frage, ob Putin Krieg gegen Deutschland führe, sagte Merz: „Er führt einen hybriden Krieg gegen uns.“ Putin wolle einschüchtern und Angst machen. „Wir werden uns gegen diese Bedrohung wirksam zur Wehr setzen“, kündigte der Kanzler schließlich an.

Zweifel an einer überzeugenden europäischen Abschreckung gegenüber Russland werden derweil im Baltikum laut. „Unsere Politiker hoffen, dass Putin aufgibt. Das wird er nicht“, schrieb etwa der ehemalige litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis am Montag bei X.

Wenn der Kremlchef nicht gestoppt werde, „wird seine Eskalation weitergehen, bis uns ein Pearl-Harbour-Moment zwingt, zu erkennen, dass wir im Krieg sind“, warnte Landsbergis. „Dann werden wir halb vorbereitet zurückschlagen und uns wünschen, wir hätten mehr auf die Leute gehört, die all das vorausgesehen haben.“