Schule in Corona-ZeitenWie kann man den verlorenen Unterricht aufholen?

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Klassenzimmer

Berlin – Bereits im vergangenen August hatte das Ifo-Institut eine Studie veröffentlicht wonach die Zeit, in der sich Kinder mit Schule beschäftigten, durch die Pandemie täglich von 7,4 auf 3,6 Stunden gesunken war. Ein Überblick über fünf Szenarien, die aktuell diskutiert werden.

Unterricht in den Ferien

Keine Osterferien, halbierte Sommerferien? Mehrere Politiker und Funktionäre glauben, dass der verpasste Stoff jetzt mit zusätzlichen Angeboten aufgeholt werden sollte. Ein Ansatz: Ferien verkürzen, um elementare Inhalte zu vermitteln. Alternativ könne man sogenannte Ferienakademien anbieten, um Lücken nach Bedarf zu schließen. Mit Blick auf die Lehrer wäre das rein rechtlich möglich – Ferien sind schließlich per Definition nicht automatisch Freizeit, sondern in der Regel sogenannte unterrichtsfreie Zeit. Aber ob dieser bei vielen unpopuläre Vorschlag im Jahr der Bundestagswahl flächendeckend umgesetzt wird?

Samstagsunterricht

Ähnlich populär, wenn nicht sogar noch unbeliebter ist der Vorschlag, Stoff an Samstagen aufzuholen. Lehrerverbände schlagen bereits prophylaktisch Alarm: Schon jetzt arbeiteten die Lehrer am Limit, könnten Überstunden nicht abgebaut werden. Samstagsunterricht, so der Tenor, würde das Fass endgültig zum Überlaufen bringen. Ein Indikator dafür, was aus diesem Vorschlag werden könne: Bayern strich in diesem Jahr die Faschingsferien – und kassierte nicht nur eine Petition gegen den vermeintlich unmenschlichen Eingriff, die Zehntausende unterschrieben – manche Schulen hielten sich schlicht nicht an die Anordnungen und setzten den Unterricht eigenmächtig aus. Andere Bildungsminister führten diese Diskussion erst gar nicht: In NRW etwa waren Rosenmontag und Veilchendienstag trotz Lockdown schulfreie Tage.

Lernstoff zusammenstreichen

Schon im vergangenen Sommer forderte die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung, der Unterricht unter Coronabedingungen möge sich auf seinen Kern konzentrieren. Weniger Kunstunterricht, weniger Lyrik, dafür ein Fokus auf Dreisatz und Textanalyse? Heute greifen Schüler die Forderung wieder auf. Weniger Stoff, insbesondere mit Blick auf Themen, die nicht ganz oben auf der Liste der wesentlichen Fähigkeiten stehen? An weiterführenden Schulen könnte das ein Modell sein – müsste sich dann aber auch in den Prüfungen niederschlagen. Ob das Konzept dagegen ein sinnvoller Weg für Grundschüler ist, die früher oder später vernünftig Lesen, Schreiben und Rechnen lernen müssen, ist die Frage.

Keiner bleibt sitzen

Wenn alle weniger gelernt haben, können auch einfach alle ein Schuljahr aufsteigen, und wirklich Wichtiges wird im nächsten Schuljahr nachgeholt. So könnte man die Idee zusammenfassen, alle Schüler zu versetzen. Das ist zum Beispiel eine Forderung der größten Bildungsgewerkschaft im Land, der GEW. Ginge es nach den Lehrervertretern, darf im Corona-Schuljahr niemand sitzen bleiben. Abschlüsse müssten notfalls ohne Prüfungen abgelegt werden. Für alles andere, so die Gewerkschaft, fehle schlicht das Personal. Dafür könne man sich auf Kernkompetenzen konzentrieren – Lehrpläne sind nämlich heutzutage nicht mehr nach Inhalten aufgebaut, sondern nach Kompetenzen, die Schüler beherrschen sollen. Da gibt es viel Auslegungsspielraum. Für Schüler, die im Homeschooling gerade noch mühsam Aufgaben mit dem Handy abfotografieren und vielleicht nicht einmal eine Rückmeldung bekommen, dürfte das ein schwacher Trost sein. Die Bundesbildungsministerin und der Deutsche Lehrerverband sprachen sich bereits gegen den Vorschlag aus.

Alles auf Anfang – alle bleiben sitzen

Vor allem für viele Eltern scheint das eine überlegenswerte Lösung zu sein. Schließlich fand der Unterricht in den vergangenen Monaten mehr im Notfallmodus als regulär statt. Homeschooling ersetzt den Präsenzunterricht nicht – da sind sich mittlerweile die meisten Experten einig. Folgerichtig wäre also: Alle sollten die gleiche Chance bekommen, das durch Corona zerschossene Schuljahr wieder aufzuholen.

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Klingt gut, birgt aber zahlreiche Probleme: Was ist mit den i-Männchen, die dann nicht aus der Kita in die erste Klasse wechseln können, weil die noch besetzt ist? Was mit den nachrückenden Kita-Kindern, deren Eltern dann ein Jahr länger zu Hause bleiben müssten? Was ist mit Absolventen, die sich auf Abschluss und Ausbildung oder Uni vorbereiten und nun ausgebremst werden; was ist mit Unis, Ausbildungsbetrieben, ja, was bedeutet es am Ende für die deutsche Wirtschaft, wenn in der Bildung alles ein weiteres Jahr auf Stopp geschaltet wird?

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