Naturschützer empörtSo erklärt NRW-Verkehrsminister Krischer seine Kehrtwende zur Autobahn

Lesezeit 3 Minuten
Düsseldorf: Oliver Krischer (Bündnis 90/Die Grünen), Minister für Verkehr von Nordrhein-Westfalen

Düsseldorf: Oliver Krischer (Bündnis 90/Die Grünen), Minister für Verkehr von Nordrhein-Westfalen

Die Pläne der Bundesregierung zum beschleunigten Ausbau bestimmter Autobahnabschnitte haben die NRW-Grünen über Nacht in erhebliche Turbulenzen gestürzt.

Es ist ein ungewohnt kleinlauter Auftritt. Als NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) am Mittwochmittag ans Rednerpult des Düsseldorfer Landtags tritt, erklärt er in knapp fünf Minuten, warum er gar nicht zuständig sei, sich nicht in die Verantwortung nehmen lasse und überhaupt nur mal ein paar Fragen habe stellen wollen.

Die Pläne der Bundesregierung zum beschleunigten Ausbau bestimmter Autobahnabschnitte haben die NRW-Grünen über Nacht in erhebliche Turbulenzen gestürzt. Krischer musste am Dienstag grünes Licht geben für 66 Teilstrecken in NRW, für die der Bund ein „überragendes öffentliches Interesse“ feststellen und schnelleres Baurecht erreichen will. In einem Brief an Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) erteilte er widerwillig sein „Einvernehmen“, stellte aber zugleich klar: „Das Prinzip der Zusammensetzung der Beschleunigungsliste ist hier nicht nachvollziehbar.“

Am Freitag hatte Krischer noch kraftstrotzend den Eindruck vermittelt, Wissing Bedingungen stellen oder zumindest Kompromisse abhandeln zu können. Eine erste Frist der Bundesregierung, mit der ein Bekenntnis der betroffenen Länder zum Maßnahmenkatalog eingefordert wurde, ließ er verstreichen. Offenbar machte daraufhin Koalitionspartner CDU – mit dem ehemaligen Verkehrsminister Hendrik Wüst an der Spitze – den Grünen recht unmissverständlich klar, dass es sich das Stauland NRW keinesfalls leisten könne, eine Baubeschleunigung auf 350 Autobahn-Kilometern mit 190 höchst maroden Brücken abzulehnen.

Damit es am Ende nicht heißt: Ihr seid schuld, wenn da irgendetwas nicht funktioniert.
Oliver Krischer (Grüne)

Die Häme der FDP bekam Krischer am Mittwoch gratis: „Nach der Blockade hat der Minister seine Position um 180 Grad gedreht“, bilanzierte der liberale Verkehrsexperte Christof Rasche zufrieden.

Die Grünen versuchen, die Verantwortung für den Autobahn-Ausbau dort zu verorten, wo sie seit dem 1. Januar 2021 formal auch angesiedelt ist: bei der Autobahngesellschaft des Bundes. „Es passiert etwas Interessantes: Die Länder, auch Nordrhein-Westfalen, werden plötzlich gefragt, ob sie ein bestimmtes Rechtsregime auf Autobahnplanungen, mit denen sie gar nichts mehr zu tun haben, anwenden sollen“, klagte Krischer im Landtag.

Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Diverse Spitzen-Grüne in Berlin hatten zuletzt nach dem 30-stündigen Koalitionsausschuss der Ampel ausdrücklich auf das Veto-Recht der Landesregierungen beim beschleunigten Autobahnausbau hingewiesen. Man habe Wissings Liste „unter den Vorbehalt der Länder gestellt“, betonte etwa Wirtschaftsminister Robert Habeck. Damit spielte er den Ball zu seinen Parteifreunden in die schwarz-grünen Landesregierungen, die jedoch in dieser Frage kaum Bewegungsspielraum besitzen.

Wissing gab den Ländern nur zehn Tage Zeit, um zur Beschleunigungsleiste Ja oder Nein zu sagen. Verhandlungen über einzelne Projekte lehnte er ab. Krischer musste sich schließlich fügen: „Damit es am Ende nicht heißt: Ihr seid schuld, wenn da irgendetwas nicht funktioniert“, räumte er am Mittwoch im Parlament ein.

Den NRW-Grünen droht nun nach der Räumung des Braunkohle-Protestdorfs Lützerath die zweite Glaubwürdigkeitsfalle. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz ist bereits empört über das Einknicken: „Die Landesregierung und insbesondere die Grünen können dem Druck aus Berlin mal wieder nicht standhalten. Umwelt- und Naturschutz scheinen keine Rolle mehr zu spielen, das werden wir nicht akzeptieren“, kritisierte BUND-Landeschef Holger Sticht.

Auch innerhalb der Grünen-Landtagsfraktion wird hinter vorgehaltener Hand geschimpft. Unter den 66 Autobahnprojekten sind schließlich eine Reihe von Maßnahmen, die von lokalen Parteigliederungen oder Vorfeldorganisationen bekämpft werden. Der Ausbau des A3-Autobahnkreuzes Oberhausen/Dinslaken, dem etwa 5000 Bäume zum Opfer fallen sollen, zählt dazu. Auch die Verbreiterung von mehreren Stellen der A40 zwischen Duisburg und Bochum, der A52 im Essener Norden oder der A3 zwischen Duisburg-Kaiserberg und Leverkusen werden für die Grünen kein Gewinnerthema.

Rundschau abonnieren